Sollte man Anwälten alles glauben?

Anwälte argumentieren immer in Sinne ihrer Auftraggeber. Wenn das ein Mörder ist, na – dann werden sie versuchen klar zu stellen, dass er es nicht ist. - Während die Staatsanwaltschaft den Ankläger darstellt. Wenn ihn nicht eine Anweisung seines Dienstherrn zwingt – weil das gesetzlich so geregelt ist – evtl. nur auf Totschlag zu plädieren. Weil die Politik zum Täter einen anderen Bezug hat, als die, die direkt vom Tod eines Menschen betroffen sind, achtet man evtl. mehr auf die eigenen, persönlichen oder parteiinternen Interessen. Da kann ein Mörder auch schon mal „Gutes getan haben“. - Entsprechend ist dann die Anweisung an die Staatsanwaltschaft. - Alles per Gesetz geregelt. - Mit nachstehender Geschichte wird der Versuch einer Erklärung unternommen. Wobei wir nicht übersehen haben, dass das nicht die einzige Absonderlichkeit ist, die den normalen Wähler, Steuerzahler, stört. - Wenn er die Hintergründe kennen würde, oder die IST-Darstellung mit dem  IDEAL abgleicht. - Manche Dinge und Abläufe sind so abstrakt, dass sie von Menschen, die sich für normal halten, als vollkommener Blödsinn empfunden werden. Aber in der Praxis funktioniert das. Da regt sich auch kein Widerspruch, wenn der Nürburgring zu einer „Ganzjahresdestination“ ausgebaut wird. - Man fragt erst gar nicht bei einer Wetterstation an, sondern arbeitet frei nach dem Motto: „Wir machen es einfach!“ - Und lässt sich später von einer Anwalts-Elite beraten. Weil die – vielleicht – eine Lösung kennt. - Wie wäre es mit „Insolvenz in Eigenverwaltung?“ - Von den richtigen Anwälten dabei unterstützt, kann man da sogar die – begründeten(!) - Ansprüche der EU abfedern.

Sollte man Anwälten alles glauben?

Der Nürburgring-Gesamtkomplex wurde am 11. März 2014 durch den Insolvenz-Sachwalter, Jens Lieser, vom Insolvenzgericht Ahrweiler dazu bestimmt, mit Unterstützung des durch die Landesregierung von Rheinland-Pfalz berufenen Insolvenz-Geschäftsführer, Prof. Dr. Dr. Thomas B. Schmidt an einen Bieter aus der Personen-Kombination Wild/Dr. Heinemann verkauft, die sich danach als capricorn NÜRBURGRING Besitzgesellschaft m.b.H. mit Sitz in Düsseldorf präsentierte.

Aber beide Insolvenz-Spezialisten sind für den Verkauf nicht verantwortlich. Das ist der Gläubigerausschuss, der diesen Bieter nach stundenlanger Beratung als den einzig richtigen Käufer auswählte. Nachdem die fünf Mitglieder ihrerseits eine Beratung durch die genannten Anwälte, aber auch durch den Berater der KPMG erfahren hatten. - Die Informationen waren zielgenau. - Aber auch richtig, weil geprüft?

Nach Darstellung des Insolvenz-Sachwalters auf der dem Beschluss des Gläubigerausschusses folgenden Pressekonferenz, hatte Capricorn (um diese Kurzform für die Bieter zu nutzen) auch das höchste Gebot abgegeben. Und wer wollte schon an der Solvenz dieses „autoaffinen, mittelständischen Unternehmers“ zweifeln, der auch ein überzeugendes Konzept präsentiert hatte. - Sagte man am 11. März 2014.

  • Was ist davon ein Jahr später geblieben?

Ein nicht aufgenommenes Ermittlungsverfahren gegen den Insolvenz-Sachwalter Jens Lieser, nachdem ein anderer Bieter (Nexovation) über eine Münchner Anwaltskanzlei bei der Koblenzer Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet hatte. Motor-KRITIK hatte dort nachgefragt und am 29. April 2015 folgende Antwort erhalten:

„Betreff: Strafanzeige gegen Prof. Dr. Dr. Thomas Schmidt u.a. wegen  Untreue usw. E- mail vom 28.04.2015

Sehr geehrter Herr Hahne,

wie Sie zu Recht in Ihrer  E-Mail vom 28.04.2015 feststellen, hat die Staatsanwaltschaft Koblenz die Aufnahme von Ermittlungen gegen Prof. Dr. Dr. Thomas Schmidt u.a. abgelehnt.  Der Verpflichtung nach dem Landespressegesetz  wurde durch die Presseerklärung vom 15.04.2015 nachgekommen. Auskünfte, ob und wenn ja welche Ermittlungen durchgeführt wurden, werden grundsätzlich nicht an Dritte, auch nicht an Vertreter der Presse erteilt. Der Information der Öffentlichkeit dient die Presseerklärung, der nichts hinzuzufügen ist.
Zur Beantwortung Ihrer Fragen in der E Mail vom 28.04.2015 sehe ich mich daher außerstande, betreffen die Fragen doch ausschließlich den Verlauf des Ermittlungsverfahrens.

Mit freundlichen Grüßen
Hans Peter Gandner
Oberstaatsanwalt
Staatsanwaltschaft Koblenz“

Wie „unmodern“ ich bei Motor-KRITIK arbeite, wurde mir bewusst, als ich zum Thema „Verlauf des Ermittlungsverfahrens“ eigene Recherchen unternommen habe.
Was würde ich bei Motor-KRITIK unternehmen, wenn ich in diesem Fall die Aufgaben einer Staatsanwaltschaft zu übernehmen hätte?

Ich würde die Mitglieder des Gläubigerausschusses befragen, auch die mit dem Finanzierungsfall betrauten Mitarbeiter der DEUTSCHEN BANK. - Hat die Staatsanwaltschaft das gemacht? - Aber sie hatte mir in jedem Fall – natürlich unauffällig – einen wichtigen Tipp gegeben. (s.o.)

Also habe ich mich entschlossen, diese wenigen Leute doch einmal zu befragen. Würde ich sie nach den Einzelheiten des Nürburgringverkaufs befragen, könnten sie mir eine Antwort verweigern. Also müssten meine Fragen allgemeiner gehalten sein, so dass sie frank und frei dazu antworten konnten.

So lautete denn meine Fragen z.B. an die Mitglieder des Gläubigerausschusses, die ich am 30. April 2015 stellte – und deren wesentlichen Teil ich nachstehend einkopiere:

„Die Frage, die Sie mit einem einfachen JA oder NEIN beantworten können lautet:

Gab es in der Zeit zwischen 1. Februar und 15. April 2015 irgendwelche offiziellen Kontakte zur Staatsanwaltschaft Koblenz?

Natürlich können Sie eine Antwort ablehnen; es gibt aber dafür keine rechtlichen Gründe.“

Auf diese Anfrage habe ich zwei Antworten erhalten. Beide lauten:

„NEIN!“

Gewohnt einfach und klar zu denken, schließe ich daraus, dass auch die restlichen von mir Befragten in der fraglichen Zeit keinen Kontakt hatten, was den Umkehrschluss zulässt:

Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat niemanden aus der o.g. Gruppe zum Thema der vorliegenden (u.o. erwähnten Anzeige) befragt. Wahrscheinlich ist, dass man nur die von „Nexovation“ als „Täter“ dargestellten Personen befragt hat, ob man denn evtl. so etwas Böses getan hat, wie ihnen vorgeworfen wurde.

Das ist so, als würde man einen Mörder um eine Stellungsnahme bitten, ob er denn vielleicht – könnte ja sein – jemanden umgebracht habe. - Welche Antwort kann man da wohl erhalten?

Wir haben einmal versucht festzustellen, ob im deutschen Rechtssystem schon mal Vergleichbares geschehen ist. Zwar hinken alle Vergleiche, aber Motor-KRITIK möchte doch ein Ergebnis seiner Recherchen erwähnen:

Es gibt einen Beschluss des Landgericht Detmold vom 08.01.2003 (3 T 262/02). Kurz geschildert:

Die Amtsführung eines Insolvenz-Sachwalters wurde durch einen Beschwerdeführer beanstandet. Beim zuständigen Insolvenzgericht. Der mit dem Fall befasste Rechtspfleger leitete diese Beschwerde dem Insolvenz-Sachwalter zu einer Stellungnahme weiter, hatte keine eigenen Ermittlungen aufgenommen.

Daraufhin stellt der Beschwerdeführer den Antrag, diesen Rechtspfleger wegen „Besorgnis der Befangenheit“ abzulehnen.

Das Amtsgericht lehnte diesen Antrag ab. Das Landgericht beschloss dagegen: Die sofortige Beschwerde sei berechtigt.

Es hatte massive Vorwürfe gegen die Amtsführung des Insolvenz-Sachwalters gegeben, aber der zuständige Rechtspfleger beim Amtsgericht war denen nicht weiter nachgegangen, sondern hatte sich mit einer Stellungnahme des – betroffenen (!) – Insolvenz-Sachwalters begnügt. - Das Landgericht befand: Das ist – wenn konkrete und ordnungsgemäß belegte Vorwürfe vorliegen – nicht ausreichend.

Frage von Motor-KRITIK:

  • Kann denn eine Staatsanwaltschaft, ohne eigene Ermittlungen zu den in einer Anzeige erfolgten Vorwürfen unternommen zu haben, eigentlich beschließen, was im „Koblenzer Fall“ intelligent argumentiert wurde?

Aus der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Koblenz seien nachfolgend die aus Motor-KRITIK-Sicht wesentlichen Sätze zitiert. (Die Begründung ist insgesamt ist auf der Internetseite der Staatsanwaltschaft Koblenz nachzulesen):

„Die Aufnahme von Ermittlungen ist abgelehnt worden, weil es an einem Anfangsverdacht fehlt.“

Und:

„Aus dem Inhalt der Strafanzeige und den hier vorhandenen Unterlagen sind keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, aus denen sich ergibt, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses falsch oder unzureichend unterrichtet worden wären.“

Nach den o.g. Recherchen von Motor-KRITIK sei die Feststellung erlaubt:

  • Die Staatsanwaltschaft hat die fünf Mitglieder des Gläubigerausschusses überhaupt nicht befragt.

Nun hat eine Staatsanwaltschaft im deutschen Rechtssystem einen Sonderstatus, der sogar im Grundgesetz verankert ist. Um das einmal kurz darzustellen:

Das Fundament jedes demokratischen Rechtsstaates ist die Gewaltenteilung:

  • Legislative (gesetzgebende Gewalt)
  • Exekutive (ausführende Gewalt)
  • Judikative (Rechtsprechung)

Diese Gewaltenteilung ist auch im Grundgesetz (Art. 20 Abs. 2) verankert. Und in Art. 92 GG wird bestimmt, dass „die rechtsprechende Gewalt … den Richtern anvertraut“ ist, denen Art. 97 GG die Unabhängigkeit garantiert. Damit ordnet das Grundgesetz die Staatsanwaltschaft – sozusagen „still“ - der „Exekutive“ zu.

Die Staatsanwaltschaft ist lt. Gesetz (§ 160 Abs. 2 StPO) zur objektiven Wahrheitssuche verpflichtet. Eigentlich verdient sie schon deshalb die Bezeichnung „objektivste Behörde“, als das sie auch (gerne) empfunden wird.

Entsprechend der Zuordnung im Grundgesetz ist ein Staatsanwalt jedoch eigentlich ein „politischer Beamter“, der von der Regierung darum auch „ohne Angabe von Gründen“ jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden kann. Da hört man dann schon als Staatsanwalt aufmerksam hin, wenn der Justizminister, als sein „Dienstherr“ ihm Weisungen erteilt, weil der – auch stark politisch in eine bestimmte Richtung orientiert – manchmal Dinge ein wenig – subjektiv - anders empfindet, als das ein Staatsanwalt, ganz an geltendem Recht orientiert, eigentlich tun müsste.

Der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg, Dr. Rautenberg, hat das einmal allgemeinverständlich so zusammen gefasst:

„... Da sich ein Justizminister nun aber nicht nur als Hüter über die Unabhängigkeit der Justiz, sondern natürlich auch als Politiker zu begreifen pflegt, ist er der Versuchung ausgesetzt, andere Mittel einzusetzen, um die politisch erwünschte Entscheidung der Staatsanwaltschaft zu erreichen, wenn er diese für rechtlich vertretbar hält. So ermöglicht ihm seine Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaft auch, Druck im Einzelfall … zu erzeugen. … Dies ist vor allem dann bedenklich, wenn auf eine staatsanwaltliche Entscheidung hingewirkt wird, die keiner richterlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden kann...“

Die Entwicklung des Strafprozessrechts in Deutschland hat nämlich zu der Situation geführt, dass nach Abschaffung der richterlichen Voruntersuchung (in 1974) die Staatsanwaltschaft bei bestimmten Entscheidungen als „Richter vor dem Richter“ empfunden werden kann.

Nachdem in Motor-KRITIK schon mehrfach auf die besondere Situation der Staatsanwaltschaft in Deutschland hingewiesen wurde, schien es jetzt angebracht, sie für die Leser ein wenig umfassender zu verdeutlichen.

Übrigens verabschiedete die Parlamentarische Versammlung des Europarates am 30. September 2009 einstimmig (!) eine Resolution (Nr. 1685), womit die deutsche Bundesregierung aufgefordert wurde, die Möglichkeit abzuschaffen, dass die Justizminister der Staatsanwaltschaft Anweisungen in einzelnen Fällen geben.

  • In Deutschland scheint man eine solche europäische Empfehlung aussitzen zu wollen. - Es ist nichts passiert.

Wird so die Ablehnung einer „Aufnahme von Ermittlungen gegen Sachwalter und Sanierungsgeschäftsführer des Nürburgrings“ - wie es in der Presseinformation der Staatsanwaltschaft Koblenz vom 15. April 2015 im Titel heißt, ein wenig verständlicher? - Denn es scheint logisch – und verständlich – wenn in diesem Fall eine regierungsseitliche Einflussnahme erfolgt wäre. Das Nürburgring-Insolvenzverfahren darf aus politischer Sicht – gerade in Verbindung mit dem Beihilfeverfahren der EU - auch nicht den Hauch einer Schädigung erfahren.

Motor-KRITIK hat sich einmal – wie bereits hier zu lesen war – bei anderen Insolvenzverfahren umgeschaut, in denen der am Nürburgring eingesetzte Insolvenz-Sachwalter auch tätig ist. Und ist auch hier – wie im Fall der Nürburgring-Insolvenzabwicklung – auf Dinge gestoßen, die man als normaler Mensch nicht versteht.

Da wurde in dem auf diesen Internetseiten schon erwähnten Insolvenz-Fall, der im Hunsrück abgewickelt wird, von einem Anwalt z.B. ein existierender Kaufvertrag vom Insolvenz-Sachwalter angefordert.

Der lehnt die Bitte des Rechtsanwaltskollegen mit der Feststellung ab:

„Der Kaufvertrag selbst unterliegt der Verschwiegenheitsverpflichtung dem anderen Vertragsteil gegenüber. Die Käuferin hat sich ausdrücklich nicht damit einverständen erklärt, den Kaufvertrag herauszugeben.“

Da der Kaufvertrag offiziell bis jetzt „geheim“ gehandelt wurde, wurde er vom Insolvenz-Sachwalter bisher niemandem zugänglich gemacht. Weder den Insolvenz-Antragstellern, noch anderen Beteiligten wurde dieser Vertrag bis jetzt offiziell zugestellt.

Der Vertrag wurde nach Motor-KRITIK-Recherchen bei einem Neuwieder Notar abgeschlossen. Wir haben ihn in allen Passagen, im Basis-Vertrag (UR-Nr. 1305 für 2011 A); der Ergänzung (UR-Nr. 1306 A) und der Änderung der Ergänzung (UR-Nr. 1652 für 2013 B) gelesen und lesen lassen. Niemand hat in diesem umfangreichen Vertragswerk eine Verschwiegenheits-Klausel entdecken können.

Uns wurde nur bei den Recherchen bekannt, dass – bevor es zu diesem eigenartigen Kaufabschluss kam – ein deutlich höheres Kaufangebot vorlag, das – aus welchen Gründen auch immer – keine Berücksichtigung gefunden hat.

Auch hier spielt der Gläubigerausschuss – und wie es zu dessen Besetzung kommen konnte – eine Rolle.

Das hat alles schon ein wenig Ähnlichkeit mit dem, was Motor-KRITIK im Fall des Nürburgring-Verkaufs bekannt wurde. - Darum wird hier auch darüber berichtet.

Zufälle gibt es!

Interessierte Leser finden übrigens das oben erwähnte „Auskunftsschreiben“ des Insolvenz-Sachwalters im Anhang zu dieser Geschichte als pdf-Datei.

MK/Wilhelm Hahne

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