Nürburgring: Warum (k)ein Urlaubsziel?

Dr. Jürgen Haffke, so hörte ich, hatte auf Einladung des Vereins für Heimatpflege Adenau e.V. in der Komturei Adenau einen Vortrag zum Thema „Tourismus in der Hocheifel – eine kurvenreiche Geschichte“ gehalten. Und ich las in einer Zeitung: „Der Vortragende kam zu dem Schluss, dass das Ziel, den Nürburgring durch touristische Förderung zu einem Entwicklungsschwerpunkt im Sinne des Landesentwicklungsprogramms Rheinland-Pfalz für die Eifel, speziell die Hocheifel, werden zu lassen, durchaus noch nicht erreicht ist, sondern weiter beobachtet werden muss.“ - Nun kenne ich einige Veröffentlíchtungen des Dr. Jürgen Haffke und habe mich für seinen Vortrag – und die Fakten, die ihm zugrunde lagen – interessiert. Dr. Jürgen Haffke, Bonn, hat mir dann auf meinen Wunsch hin Unterlagen zur Verfügung gestellt, die er zusammen mit Winfried Sander, Leimbach (nahe dem Nürburgring), für eine geplante Veröffentlichung in einer geographischen Fachzeitschrift verfasst hat, da er seinen Vortrag in Adenau weitgehend frei, nur orientiert an einer Bildpräsentation, gehalten hatte. - Es gab kein Manuskript. - So versuche ich in der folgenden Geschichte aufgrund der Fakten, die mir Dr. Haffke liebenswürdigerweise zur Verfügung gestellt hat, die Frage zu beantworten:

Nürburgring: Warum (k)ein Urlaubsziel?

Der Nürburgring war zu Beginn des 19. Jahrhunderts kein Thema. Es gab ihn nicht. Man brauchte ihn nicht. Das Leben – Gewerbe und Handel – florierten im 18. Jahrhundert. Die Eifel galt nicht als arm. Doch durch die industrielle und verkehrliche Entwicklung im 19. Jahrhundert in anderen Gebieten – z.B. im Ruhrgebiet – kam es dann in fast allen Mittelgebirgsregionen in Europa zu beträchtlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. - Auch in der Eifel.

So kam es da zu Ab- und Auswanderungen. Hinzu kamen Missernten, die dann der Eifel zu dem zweifelhaften Ruf verhalfen, das“preußische Sibirien“ zu sein. - Aber wie gegensteuern?

Der „Eifelverein“, 1888 gegründet, versuchte die Eifel mit einem neuen, positiven Image zu versehen und zeigte Perspektiven beim Fremdenverkehr auf. Der Erste Weltkrieg verhinderte einen Ausbau der ersten Ansätze.

Heute wird wieder der Tourismus als Allheilmittel gepriesen. Aber auf dem Weg dahin, diesen Tourismus zu fördern und gezielt zu kanalisieren, ist es zu fehlerhaften Einschätzungen gekommen. Die Eifel hofft davon leben zu können, dass man in einem Einzugsgebiet liegt, das innerhalb von zwei Stunden von rd. 16 Millionen Bewohnern des Umfelds (Ruhrgebiet, Rhein-Main-Gebiet) erreicht werden kann.

Im übrigen erkauft man sich bessere Lebensbedingungen dadurch, dass von der Eifel aus große Pendlerströme die besseren Verdienstmöglichkeiten im wirtschaftlich günstiger gestellten Zwei-Stunden-Umfeld nutzen. - Das ist seit rund fünfzig Jahren so.

Nach dem Ersten Weltkrieg war die Situation in der Eifel eine andere. Gerade die Hocheifel zählte zu den ärmsten Gegenden Deutschlands. Die einzige Möglichkeit, die wirtschaftliche Situation der dort lebenden Bevölkerung zu verbessern, sahen Politiker darin, Anziehungspunkte für den Fremdenverkehr zu schaffen

So kam es zum Bau des Nürburgrings, der – damals – einen belebenden Effekt dadurch erfolgreich darstellte, dass er zu den großen Rennwochenenden hunderttausende Besucher in die Eifel lockte. Das führte – auch Jahrzehnte später noch – zu dem illusionären Trugbild, dass ein modernisierter Nürburgring, den man dazu noch zu einem „Las Vegas“ der Eifel auszubauen versuchte, dann die Lösung aller Probleme sein würde. Aber der Gästezustrom konzentrierte sich weiterhin auf nur wenige Wochenenden und kam kaum über Nürburg hinaus.

Die erste große Diskussion darüber, ob der Nürburgring als Rennstrecke der richtige Ansatz für strukturpolitische Investitionen zur Tourismusförderung sein könnte, entstand nach dem Unfall Niki Laudas 1976. Öffentliche Gelder waren knapp und Deutschland befand sich in der „Ölkrise“. Die Bundesregierung stieg am Nürburgring aus und trat ihren Besitz an das Land Rheinland-Pfalz ab.

Man einigte sich darauf, eine neue Kurzrennstrecke zu bauen und neben der Traditionsrennstrecke Nordschleife aber auch den Nürburgring als „Freizeitzentrum“ zu nutzen. So kam es auch zu dem, was man heute als „touristischen Ausbau an Start und Ziel“ bezeichnen würde.

Der damalige Geschäftsführer, Rainer Mertel (CDU), baute dann das Geschäft am Nürburgring aus. „Rock am Ring“ und „Rad am Ring“ entstanden in seiner Zeit. Dann gab es noch die Idee von einem ganzjährig nutzbaren Freizeitpark „Motorland“, die aber „mangels Masse“ (Geld) scheiterte. Mertel konnte dafür nur einen einzigen Sponsor/Investor (in Frankreich) finden und musste – zu seinem Glück –, nachdem ihm Rainer Brüderle, der damalige Wirtschaftsminister von RLP, eindeutig erklärt hatte, dass keinerlei Zuschüsse vom Land zu erwarten seien, das Projekt „beerdigen“.

2004 tauchte in einem etwas anderen Gewand eine ähnliche Idee auf, die „Erlebnisregion Nürburgring“, die vom neuen Geschäftsführer der (überwiegend) landeseigenen Nürburgring GmbH, Dr. Walter Kafitz, initiiert wurde, um im Landeshaushalt zur Förderung des Tourismus bereit gestellt Gelder zu nutzen. Auch da wurde von „ganzjährig“ gesprochen, obwohl jeder wusste, dass das bei den in der Hocheifel herrschenden Wetterbedingungen nicht möglich ist.

Aber niemand hat z.B. in der damals noch direkt am Nürburgring betriebenen Wetterstation am Nürburgring nach den statistisch erfassten Wetterdaten der letzten Jahre gefragt. Und positive Gutachten, die alle das Investitionsprogramm der Landesregierung für die „Erlebnisregion Nürburgring“ stützten – auch nachdem es zu „Nürburgring 2009“ mutierte – die basierten auf falschen, überhöhten Besucherzahlen am Nürburgring. Soweit die Autoren Haffke/Sander in ihrem Manuskript.

In meinem 2010 erschienenen Buch ist nachzulesen, dass nicht nur Motor-KRITIK vor dem Bau des überdimensionierten Projekts gewarnt hatte. Als besondere Warnung hätte auch die Tatsache dienen können, dass sich kein privater Investor für das Projekt fand, der nach Darstellung der Politiker 50 Prozent der Gesamtkosten zu tragen hatte. - Sonst sollte nicht gebaut werden.

Es wurde gebaut. Ein privater Investor wurde „erfunden“. Und Gelder über einen Umweg von Mainz so in das Projekt gesteckt, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck geweckt werden sollte, die Gelder wären wirklich private Investitionen. Wirkliche private Investitionen wurden vom „privaten Investor“ dann so genutzt, dass sie sich vielfach auszahlten. (Grundstücke Ferienpark Drees)

Selbst der Landesrechnungshof hat mehrfach auf unerklärliche Entscheidungen (auch des Finanzministers) hingewiesen. Es gab dann „Rettungsversuche“ der Art, die einer Herzmassage ähneln, die dann zum Abriss des Herzmuskels führt: Es musste nach „Zwischenlösungen“, die als „Vertuschungsversuch“ zu werten sind, in 2012 dann (nach den Landtagswahlen 2011!) die Insolvenz der landeseigenen Gesellschaft Nürburgring GmbH und ihrer Töchter angemeldet werden.

Da diese Insolvenz „in Selbstverwaltung“ angemeldet und vom Insolvenzgericht akzeptiert wurde, gab es nicht nur einen, vom Insolvenzgericht bestimmten, Insolvenz-Sachwalter, sondern auch einen vom „Besitzer“ der GmbH bestimmten Insolvenz-Geschäftsführer, der seit dieser Zeit (s. „WiWo“) das stattliche Gehalt von 17.850 Euro monatlich bezieht und aus der Insolvenzmasse bezahlt wird.

Wie diese Entscheidung der Landesregierung, so ist auch der Verkauf des Nürburgring an einen bestimmten Bieter kritisch zu sehen und inzwischen auch der Anlass für zwei Klagen vor einem europäischen Gericht.

Aus dem „Käufer“ des Nürburgrings, einem – von der Landesregierung – hochgelobten mittelständischen Unternehmer, in der Abwicklung des Insolvenzverfahrens dazu geworden, ist inzwischen ein von der Staatsanwaltschaft beobachteter Geschäftsmann geworden, der seinen Anteil an der „Käufergesellschaft“ längst an eine Reihe von russischen Investoren abtreten musste, um den Insolvenz-Sachwalter „nicht alt aussehen“ zu lassen.

Haffke/Sander kommen in ihrer noch nicht veröffentlichten Abhandlung zu der Feststellung:

„Solange es den Nürburgring gibt, ist es der Staat gewesen, der unverdrossen in die Hocheifel investiert hat. An den Argumenten dafür hat sich in 90 Jahren wenig geändert. Die Silhouette der Nürburg ist allerdings zum weltbekannten Markenzeichen geworden. Die touristischen Probleme gab es von Beginn an. Sie sind nicht allein dem Projekt „Nürburgring 2009“ geschuldet. Es ist zweifelhaft, ob der Nürburgring dem politischen Ziel, durch Förderung des Tourismus „Entwicklungsschwerpunkt“ für die Eifel zu werden, jemals gerecht werden konnte. Die Rennstrecke hat immer erfolgreich das Potential der Rennsportfans angesprochen. Die Gruppe der Eifelurlauber erreichte sie damit aber nicht.“

Wer einen Blick in die Landesstatistik von Rheinland-Pfalz der letzten Jahre wirft, dem wird das noch klarer. Umso unverständlicher ist auch die Investition der Landesregierung in Hotelneubauten am Nürburgring. Das hat z.B. auch Auswirkungen bei der statistischen Darstellung der Entwicklung des Tourismus in der Eifel, weil diese an den Stellen Lücken aufweisen muss, bei denen sonst auf die wirtschaftliche Situation eines einzelnen Betriebes (!) geschlossen werden könnte.

Und es gibt eine Menge „Lücken“, wenn man z.B. einen Blick auf die statistische Darstellung „Übernachtungen in der Hocheifel 1995 – 2004“ wirft. (Die Veröffentlichung der Übersichten möchte Motor-KRITIK aber den schon genannten Autoren überlassen.)

Der Urlaubs-Tourismus in der Eifel entwickelt sich bisher nur da, wo sich der Lärm des Nürburgrings nicht mehr wahrnehmen lässt. Was den Rückschluss nahe legt, dass sich mit der Weiterentwicklung des Nürburgrings nicht die Entwicklung des Urlaubs-Tourismus in der Region positiv beeinflussen lässt, sondern ausschließlich die Kurzaufenthalte der Rennsportfans.

Man sollte hier für eine entsprechende Weichenstellung – auch in der Politik – sorgen. Und so wird auch der Nürburgring eigentlich niemals zu einem wirklichen Urlaubs-, sondern nur zu einem Ausflugsziel werden können. Die Region wird davon immer weniger profitieren, je weiter sich der Motorsport weg von Mehrtages- zu Eintages-Veranstaltungen entwickelt.

Damit wäre dann eigentlich auch die Frage beantwortet, ob der Nürburgring eigentlich ein oder kein Urlaubsziel ist.

Noch Fragen?

Die Frage, wie man denn in Zukunft mit dem Nürburgring Geld verdienen kann, werden der Pächter und die Veranstalter dann zu Beginn der Saison 2016 beantworten. - Das wird dann neue Fragen aufwerfen!

MK/Wilhelm Hahne
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