Zweierlei: Berichte lesen und beurteilen!

Wir befinden uns in RLP in der Phase des beginnenden Wahlkampfs. Die Landesregierung wirft ihren treuen Hunden „Fress'chen“ hin. Und man schnappt gierig danach. Und ist dankbar. So lesen sich dann auch die Geschichten, die in den Medien der Region zu diesen „Fress'chen“ erscheinen. Hat man sie wirklich einmal – vor dem Schreiben der Geschichte – so gelesen, wie man das eigentlich als verantwortungsvoller Journalist tun sollte? - Natürlich sollte die Presse berichten, auch über das was sie bekommt, aber sie sollte es dann auch für ihre Leser kommentieren. - Und hier fehlt bisher jeder Kommentar! - Den man natürlich auch nur dann schreiben kann, wenn man „im Thema ist“. - Natürlich haben wir auch bei Motor-KRITIK eine Meinung. Aber wir empfinden es als richtig, unsere Meinung an der Meinung der anderen zu überprüfen. Und so haben wir einen profunden Kenner der Nürburgring-Szene, Dr. Jürgen Haffke, Bonn, um seine „Bemerkungen“ (Anmerkungen und Meinung) zu einer Veröffentlichung des Innenministers von RLP, Roger Lewentz, gebeten, die der im September dem „zuständigen Infrastrukturausschuss“ zur Kenntnisnahme über den Landtagspräsidenten übermitteln ließ. Das Papier hat natürlich über „vorhandene Löcher“ seinen Weg in die Redaktionen gefunden. Auch Motor-KRITIK liegt diese Unterlage vor. - So haben wir Dr. Jürgen Haffke, Bonn, gebeten, doch einmal einen kritischen Blick über die Veröffentlichung des Innenministers zu werfen, deren Inhalt offensichtlich – meint Motor-KRITIK – von wahltaktischen Überlegungen bestimmt wird. Darum möchten wir feststellen: Es ist....

Zweierlei: Berichte lesen und beurteilen!

Motor-KRITIK wird oft eine einseitige Berichterstattung vorgeworfen. Ein Blick zurück in die Vergangenheit zeigt, dass diese „einseitige Berichterstattung“ stimmig war, sich durch die Ereignisse bestätigte.

Die „Rhein-Zeitung“, Koblenz und der „ Volksfreund“ in Trier haben sich mit einer (vertraulich?) aus Regierungskreisen erhaltenen Unterlage beschäftigt. Mit ähnlichen Ergebnissen: Gelesen – und den Inhalt unkommentiert dargestellt. - Weil man sich so alte Freundschaften erhält?

Beinahe hätte ich für Motor-KRITIK spontan in die Tasten geschlagen. - Aber – mit einem gewissen zeitlichen Abstand – kommt man zu besseren Lösungen. Zumal sie dann als objektiv – auch von den Lesern – empfunden werden können.

Also habe ich einen profunden Kenner der Szene gebeten, sich mal mit den Inhalten des Berichtes zu beschäftigen, die die Basis für wahlkampf-unterstützende Geschichten im Sinne der SPD-geführten Landesregierung sind:

  • Dr. Jürgen Haffke, Bonn, der Autor einer Reihe von Büchern, die sich mit der Situation der Region um den Nürburgring beschäftigt.

Ich möchte seine Darstellungen und Erläuterungen unverändert folgen lassen. - Ab hier: 

  • 1) Auf Seite 1 des Berichtes heißt es: „Mit dem Landesgesetz soll der Nürburgring … als wirtschaftlicher und touristischer Motor für die Region … erhalten bleiben.“

Dr. Haffke dazu: Welchen Raum versteht die Landesregierung unter „Region“? Den weiteren Ausführungen ist nämlich zu entnehmen, dass sie ausschließlich pauschal die Landkreise Ahrweiler, Mayen-Koblenz und Vulkaneifel mit den drei Verbandsgemeinden Adenau, Vordereifel und Kelberg und speziell den Ortsgemeinden Adenau, Nürburg und Kelberg berücksichtigt. Gemäß des aus dem gleichen Ministerium stammenden Landesentwicklungsplans IV, Karte 5 „Entwicklung“ soll der Nürburgring jedoch „Sonstiger projektbezogener Entwicklungsschwerpunkt“ für einen wesentlich größeren Eifelraum – mindestens bis Daun, Gerolstein und Prüm – sein.

  • Fazit: Der Untersuchungsraum ist in weiten Teilen für die Aufgabenstellung des Berichts und eine verlässliche Bewertung der strukturpolitischen Effekte des Nürburgrings nicht zielführend.
  • 2) Im Titel des Berichts heißt es, das Ministerium wolle „Strukturpolitische Effekte, die vom Nürburgring … ausgehen“, dokumentieren. Auf den Seiten 2 bis 13 stellt der Bericht dazu allgemeine Daten der Landesstatistik zu Einwohnerzahlen, Sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, Arbeitslosen und Tourismus für die genannten Kreise, Verbandsgemeinden und ausgewählten Ortsgemeinden zusammen, die angeblich die „strukturpolitischen Effekte des Nürburgrings“ beweisen sollen.

Dr. Haffke dazu: Der Bericht missachtet die vom Gesetzgeber ausdrücklich geforderte Aufgabe, präzise die strukturpolitischen Effekte des Nürburgrings herauszuarbeiten. In welcher Weise der Nürburgring auf die jeweiligen Daten dieser Raumeinheiten Einfluss haben soll, wird an keiner einzigen Stelle dargelegt. Es kann auch jeder beliebige andere Faktor sein, der das Zustandekommen der Daten erklärt. Und so wird es sich mit größter Wahrscheinlichkeit auch verhalten, denn wie will man mit dem Nürburgring z.B. einerseits den Anstieg der Einwohnerzahlen im Kreis Ahrweiler, andererseits aber den Rückgang in den Kreisen Mayen-Koblenz und Vulkaneifel und selbst in Nürburg erklären?

  • Fazit: Fast 11,5 Seiten von insgesamt 16 Seiten des Berichts erweisen sich so als völlig nichtssagend hinsichtlich der Einschätzung der strukturpolitischen Bedeutung des Nürburgrings, suggerieren aber mit ihren vielen Tabellen eine solide Beurteilungsgrundlage.
  • 3) Die Seiten 6 bis 13 des Berichts widmen sich dem „Wirtschaftsfaktor Tourismus“ und betonen eingangs ausdrücklich: „Dabei besitzt der Nürburgring auch aufgrund seiner internationalen Bekannt- und Beliebtheit für die Untersuchungsregion eine besondere touristische Bedeutung.“

Dr. Haffke dazu: Zweifellos ist der Nürburgring weltbekannt, aber seine touristische Bedeutung ist im krassen Gegensatz dazu eher lokal. Wenn das Dorf Nürburg über 1400 Gästebetten aufweist, aber schon in den direkt benachbarten Dörfern Quiddelbach und Herrschbach fast keine offiziellen Gästebetten zu finden sind und selbst das nahe Adenau ein eher überschaubares Angebot vorhält, wenn zudem die Auslastung der Beherbergungsbetriebe vor Ort, wie der Bericht ja selbst auf Seite 8/9 ausführt, bei nur ca. 25% liegt, dann kann es mit der touristischen Bedeutung des Nürburgrings für die Region nicht so weit her sein, selbst wenn man in unmittelbarer Nähe von Start und Ziel damit Geld verdienen kann.

Wie gering der Faktor des Nürburgrings für die Umgebung zu bewerten ist, zeigt sich sofort, wenn man den Jahresgang der Übernachtungen in Nürburg mit der Ortsgemeinde Kelberg und der Verbandsgemeinde Vordereifel vergleicht. Der Rennbetrieb wirkt sich touristisch nur in Nürburg und Teilen der Verbandsgemeinde Adenau signifikant aus, die anderen Gemeinden bleiben davon fast unberührt

Statt z.B. diese Untersuchung durchzuführen, breitet der Bericht völlig irrelevante allgemeine Daten über den Tourismus in den Landkreisen aus und rechnet deren bisweilen positive Entwicklung dem Faktor Nürburgring zu, was ohne konkrete Beweisführung absurd ist. Natürlich bringen auch Tagestouristen Geld mit, aber auch sie geben es vornehmlich unmittelbar am Nürburgring aus. Für die Region fällt nur sehr wenig ab, selbst wenn man sich auch darüber in der seit jeher bescheidenen Eifel freut.

  • Fazit: Der strukturpolitische Effekt des Nürburgringtourismus bezieht sich dominant auf das eine Dorf Nürburg, nicht einmal auf das gesamte Gebiet der Verbandsgemeinde Adenau und schon gar nicht auf die Region, wie es im Landesentwicklungsplan intendiert ist. Tatsächlich besteht ein massiver Interessenkonflikt zwischen dem Marktauftritt des Eifel-Tourismus, der mit dem Slogan „Natur pur erleben“ wirbt, und dem von beträchtlichem Lärm und Verkehrsstörungen begleiteten Rennsport- Tourismus am Nürburgring, was man auch in diesem Bericht tunlichst verschweigt.
     
  • 4) Die Seiten 13 bis 15 des Berichts widmen sich dem „Veranstaltungs- und Nutzungsmix am Nürburgring“ und konstatieren, er sei „im Wesentlichen unverändert geblieben“.

Dr. Haffke dazu: Die auf Internetrecherche beruhende Zusammenstellung der Veranstaltungen von 2012 bis 2015 beschränkt sich schlicht auf ihre Nennung und enthält keinerlei Angaben über Besucherzahlen. Offensichtlich wollte sich auch das Ministerium nicht auf die in der Tagespresse jeweils gemeldeten Besucherzahlen verlassen, die traditionell von den Veranstaltern genannt werden. Damit hatte man in der Vergangenheit üble Erfahrungen gemacht. Man hat aber auch keinen Versuch unternommen, verlässliche Daten zu diesem Thema zu bekommen. Insofern spielt dieses Kapitel keine Rolle für die Bewertung der strukturpolitischen Bedeutung des Nürburgrings. Es dokumentiert allerdings, dass die Anlage auch bei privater Führung einer Vielzahl von Veranstaltern zur Verfügung steht und weiterhin für Touristenfahrten offen ist.

  • Fazit: Dieser rennsportliche Aspekt ist in dem Bericht der einzige nachgewiesene Effekt des „Landesgesetz zur Erhaltung der Zweckbestimmung des Nürburgrings“ von 2013 und sagt nichts aus über strukturpolitische Effekte des Nürburgrings für die Region. 
     
  • 5) Die Seiten 15/16 des Berichts bieten „Ergebnis und Zusammenfassung“, indem sie die vorhergehenden Ausführungen in 10 Absätzen kurz bündeln.

Dr. Haffke dazu: Dieses Kapitel belässt es bei einer reinen Wiederholung der vorher ausführlicher dargelegten Daten und vermeidet in neun von zehn Punkten tunlichst eine Antwort auf den vom Gesetzgeber formulierten Auftrag, die strukturpolitischen Effekte, die vom Nürburgring unter besonderer Berücksichtigung des Landesgesetzes ausgehen, sachlich begründet nachzuweisen. Lediglich die Dokumentation des „Veranstaltungs- und Nutzungsmix“ belegt, dass dem Willen des Gesetzgebers nach allgemeiner Zugänglichkeit für Vereins- und privaten Rennsport bisher entsprochen worden ist.

  • Fazit: Führt man sich diese völlig unbefriedigende Lösung der Aufgabe des Gesetzgebers durch das Landesministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur Rheinland-Pfalz insgesamt vor Augen, kann man sich nur wundern, wie die Tagespresse zu der Überschrift kommt: „Landesgutachten: Ring-Region quicklebendig trotz aller Krisen“ (Rhein-Zeitung) und „Gutachten: Ring-Region entwickelt sich positiv“ (Volksfreund). Der Minister und die Landesregierung werden zufrieden sein, der Bericht hat seinen Zweck erfüllt. Papier ist halt geduldig, und der Leser wird es schon schlucken. Denn seit 90 Jahren wiederholt man unverdrossen die Überzeugung von der strukturpolitischen Bedeutung des Nürburgrings für weite Teile der Eifel, auch wenn das eine Illusion ist.

Bis hierhin die Beurteilung eines Dr. Haffke, dem Motor-KRITIK eine bessere Übersicht und Einschätzung der Real-Situation der Region um den Nürburgring – schon aufgrund seiner Beschäftigung mit diesem Thema seit vielen Jahren - zutraut, als den Kollegen von „Rhein-Zeitung“ und „Trierische Volksfreund“ - und die wahrscheinlich auch deshalb auf jede Art von eigenem Kommentar verzichtet haben.

Bei Motor-KRITIK haben wir die sachliche Beurteilung von Basis und Auslegung durch Herrn Dr. Haffke genossen. Mehr Worte möchten wir als Kommentar „zur Sache“ nicht verlieren.

Der Leser sollte sich aufgrund der ihm bekannten Fakten – und der Meinung, die Motor-KRITIK dazu hier zur Verfügung stellt - selbst eine Meinung bilden können. Wir fügen die Originalversion des Berichts der Landesregierung als pdf-Anhang bei.

MK/Wilhelm Hahne
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