Nur so geht es: Offen und transparent!

Die EU verlangte es für das Bieterverfahren in Sachen der insolventen Nürburgring GmbH, einer landeseigenen Firma, deren Chefs und Beschäftigte sich im Schutz der Landesregierung von Rheinland-Pfalz wähnten. Aber jede Regierung ist nur so gut wie die Summe ihrer guten Mitglieder. Daran aber mangelt es offensichtlich in Mainz. Und so ging dann diese Firma im Landesbesitz „den Bach runter“. Und unter der Leitung eines renommierten Anwalts entstand dann das Drehbuch, dass die Landesregierung aller Sorgen entheben sollte und es „König Kurt“ erlaubte, sich mit einer Bauchspeicheldrüsen-Erkrankung in den Schatten zurückzuziehen, den ein großer Arzneimittelkonzern unweit Mainz gerne spendete. Zufällig gehört einer der Teilhaber an der Firma des Käufers der insolventen Nürburgring GmbH zu deren Beratern. Zufällig hatte diese Firma jene Anwaltskanzlei als Berater, die auch der Landesregierung dient. Zufällig bot die Firma dann auch auf das Gesamtprojekt – wie von Mainz im Idealfall gewünscht. Zufällig empfanden die Insolvenz-Sachwalter ihr Verhalten im Bieterverfahren „offen und transparent“. Weil die EU-Kommision das verlangt! - Offen und transparent? - Zufällig werden Anfragen von Motor-KRITIK weder von den Sachwaltern, noch von deren Sprachrohr beantwortet. Zufällig bleibt auch eine Kreisverwaltung Bad Neuenahr-Ahrweiler stumm, wenn Details hinterfragt werden. - Nicht zufällig schreibt Florian Zerfass von der „Wirtschaftswoche“ aktuell eine sehr gute Geschichte, die den Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit verdeutlicht. - Die EU steckt in der Klemme. - Auch am 23. Juli sollte es keine Entscheidung geben. - Und wenn die so ausfällt, wie nur Politiker hoffen können: Dann ist mit einem Rattenschwanz von Prozessen zu rechnen, die den Nebel einer Geheimnistuerei im Umfeld von politischer Kungelei zerreißen könnten.

Nur so geht es: Offen und transparent!

Die EU-Kommission steckt in der Klemme. Sie hat für das Bieterverfahren die Regeln aufgestellt: Offen, transparent und diskriminierungsfrei. - Alle guten Dinge scheinen drei zu sein. Aber selbst mit den ersten Zwei klappte es nicht. In der „Wirtschaftswoche“ wird das System deutlich aufgezeigt, mit dem ein offenes Verfahren ausgehebelt werden sollte. Dabei ging es auch darum, jede Art von Transparenz zu verhindern, aber trotzdem den Eindruck zu vermitteln, man sei um eine rechtmäßige Lösung bemüht.

Florian Zerfaß ("Wirtschaftswoche") schildert den Kern des Brüsseler Dilemma so:

„Zum Knackpunkt wird indes der Zuschlag für Capricorn. Vier andere Bieter haben Beschwerden an die Kommission geschickt, weil sie sich unzulässig benachteiligt fühlen. Die EU-Kommission muss den Zuschlag absegnen und hatte das bislang laut Beschlussvorlage trotz der vier Beschwerden auch vor. Doch die derzeit vorgesehene Beschlussvorlage der Kommission erscheint Experten ausgesprochen wacklig.“

(Wenn Sie die Geschichte im ganzen Umfang kennen lernen wollen: Hier klicken!)

Die Brüsseler EU-Kommission müsste ihre Entscheidung für Capricorn als Käufer des Nürburgrings begründen. Doch es gibt wohl mehr Gründe gegen eine solche Entscheidung, die bisher nur z.T. der EU-Kommission bewusst gemacht wurde. Ein „wunder Punkt“ scheint beim Gläubigerausschuss zu liegen, der – da seine Beschlüsse „vertraulich“ sind – durch seine Mitglieder nicht verlauten lässt, wie es zu einem mehrstimmigen Entscheid für Capricorn kommen konnte. - Mehrstimmig, nicht einstimmig!

Die Mitglieder dieses Ausschusses hatten zeitlich einfach keine Möglichkeit alle vorliegenden Angebote selbst zu prüfen, sondern mussten sich wohl auf die „Zurufe“ von Insolvenz-Sachwaltern und z.B. KPMG-Mitarbeiter Alexander Bischoff verlassen, die aber alle bei jeder Gelegenheit – und auch schriftlich erklärt haben:

„Es wird keine Gewährleistung im Hinblick auf die Richtigkeit dieser Aussagen, Schätzungen, Budgets oder Hochrechnungen übernommen.“

Es kommt dem Versuch einer Irreführung der Öffentlichkeit gleich, wenn in einer offiziellen Presseerklärung vom 4. Juli 2014 mit dem Titel...

„Umfassende Restrukturierung ermöglicht Neustart“

...von der mit der Pressearbeit für die Insolvenz-Sachwalter betrauten Kölner Agentur unter Leitung des inzwischen bekannten Pietro Nuvoloni vermeldet wird:

„Die capricorn NÜRBURGRING Besitzgesellschaft mbH hat nach einem EU-konformen Investorenprozess den Zuschlag für den Erwerb des Nürburgrings erhalten. Die capricorn NÜRBURGRING GMBH – der neue Betreiber – wird zum 1. Januar 2015 das operative Geschäft des Nürburgrings übernehmen. Gesellschafter der capricorn GmbH sind die capricorn GROUP und die GetSpeed & Co GmbH.“

Für einen „naiven Leser“ ist das scheinbar eine eindeutige Formulierung, aber: Der „Zuschlag“ durch den Gläubigerausschuss ist noch nicht durch einen entsprechenden EU-Kommissionbeschluss bestätigt, kann auch – nach Motor-KRITIK-Meinung (und Kenntnis entsprechender Details) - wohl auch dort keine Bestätigung finden, da es offensichtlich grobe Verstöße gegen die EU-Auflagen „offen, transparent und diskriminierungsfrei“ gibt, die bisher einer breiten Öffentlichkeit verborgen geblieben sind und von den Verantwortlichen weiter gedeckelt werden..

Weil sich z.B. weder die Insolvenz-Sachwalter noch andere „beteiligte Kreise“ offen und transparent verhalten. Dazu gehört z.B. auch die Kreisverwaltung Bad Neuenahr-Ahrweiler, vertreten durch Herrn Landrat Dr. Pföhler, der als ehemaliger stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Nürburgring GmbH mit an der Skandalgeschichte des Nürburgrings schrieb und offensichtlich ein berechtigtes Interesse hat, gewisse Dinge zu verschweigen.

Dazu gehört auch der Sprecher der Insolvenz-Sachwalter, Pietro Nuvoloni, der z.B. auf berechtigte Anfragen von Motor-KRITIK genauso wenig antwortet, wie der Insolvenz-Sachwalter Jens Lieser (Koblenz) selbst. Das Schweigen dieser Männer soll wohl mit dazu beitragen, einen zustimmenden Beschluss der EU-Kommission zum nächsten geplanten Termin – 23. Juli 2014 – sicherzustellen.

Derweil versucht man mit einer Presse-Erklärung – wie der oben genannten – den Eindruck zu erwecken, dass alles auf dem besten Wege sei. - Zitat:

„Die Sanierung des Nürburgrings schreitet voran.“

Und man spricht mal wieder von einem „Neustart“. Man vergisst dabei zu sagen, dass eine Sanierung eigentlich nach der Zustimmung des Insolvenzgerichts zu einer Insolvenz in Eigenverwaltung erwartet worden war. Die der Nürburgring GmbH! - Leider hat es einen Sanierungsplan in diesem Insolvenzverfahren niemals gegeben. Wie sich Motor-KRITIK durch das Insolvenzgericht bestätigen ließ. - Eigenartig!

Es ging wohl mehr darum, bei diesem Insolvenzverfahren über den eindrucksvollen Zusatz „in Eigenverwaltung“ in Mainz dank eines dann durch die Landesregierung zu bestimmenden Insolvenz-Geschäftsführers die volle Kontrolle über die Aktionen um den Verkauf zu erhalten. Nur so konnte auch Capricorn zum Favoriten der nicht gerade weitsichtig agierenden Regierungsmannschaft avancieren und trotz einer – aus Motor-KRITK-Sicht – zu kleinen Kaufsumme und einen unbekannten finanziellen Background, über den der Käufer des Objekts Nürburgring verfügen sollte, sozusagen das „Halbfinale“ gewinnen. - Eine tolle Schiedsrichterleistung!

Wie Motor-KRITIK aufzeigen konnte, scheint es vorzeitig (!) - vor dem so genannten Kaufvertrag, der dann vom Gläubigerausschuss abgesegnet wurde – schon Kontakte von Capricorn bei Vertragsverhandlungen z.B. mit der Bitburger Brauerei gegeben zu haben. Auch der Verhandlungszeitraum in Sachen „Rock am Ring“ macht deutlich, das Capricorn wohl schon sehr früh – vor dem Abschluss eines vorläufigen Kaufvertrags - in solche Entscheidungen eingebunden wurde. - Offen und transparent?

Ein Treffen der Capricorn-Verantwortlichen mit der Regierungschefin Malu Dreyer am 16. Januar 2014 kann nur vermutet werden, fand in direkten Gesprächen – z.B. mit Dr. Alex Heinemann, der sich als Besitzer von GetSpeed bezeichnet und damit Teilhaber bei der capricorn Nürburgring Besitzgesellschaft mbH ist – keine Bestätigung. Dr. Heinemann räumt zwar die Möglichkeit ein, zu diesem Termin in Mainz gesehen worden zu sein, erklärt das aber mit einem Berater-Termin bei „seinem Kunden“ (Mandanten) Boehringer, Ingelheim. Das ist jene Firma, der auch der Ex-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, nach seinem Ausscheiden aus der Landesregierung zu Diensten ist.

Kurt Beck war wahrscheinlich dem großen Ingelheimer Arzneimittelhersteller durch seine visionäre Tätigkeit beim Projekt „Nürburgring 2009“ aufgefallen, wo er alles verantwortete und auch alles verstanden hat. - Ein toller Mann! - In der Medizin vermag sogar der Placebo-Effekt zu helfen. Das ist ein Effekt, der mit „offen und transparent“ auch durch die Insolvenz-Sachwalter und Politiker zu erzielen versucht wird.

Doch in der Praxis macht man so aus einem kranken Nürburgring keinen gesunden. Da sind zwar durch die (evtl.!) künftigen Betreiber tiefgehende Operationen geplant, aber leider fehlt es wohl ein wenig an der finanziellen Basis.

Politiker – evtl. auch Journalisten – mag es beeindrucken, wenn jemand sein ganzes Vermögen verpfändet, um in den Besitz des Nürburgrings zu kommen. Aber die Fragen sind unbeantwortet:

  • Wem wurde das Vermögen verpfändet?
  • Und was ist der eigentliche Grund dafür?

Auch hier würden Offenheit und Transparenz weiter helfen. So wie hier scheinbare Fakten in einen bestimmten Zusammenhang gebracht – und in bestimmten Kreisen - eindrucksvoll hingenommen werden, erinnert das ein wenig an die Erfindung von „privaten Investoren“ beim Projekt „Nürburgring 2009“ durch Mainzer Politiker, womit versucht wurde, eine breite Öffentlichkeit zu täuschen.

Dazu gibt es auch Feststellungen vom Landesrechnungshof und inzwischen – auch von einem Gericht.

Die EU-Kommission in Brüssel sollte die bisher schon – scheinbar – (fast!) gedanklich abgeschlossenen Entscheidungen und Absichten zu einem Beschluss in einer Richtung, der auch bestimmt der Bundespolitik in Berlin gefallen würde(!), ernsthaft überprüfen und überdenken.

Es wäre sicherlich für das „vereinte Europa“ nicht schlecht, wenn Angelika Merkel und ihr Vertreter, Sigmar Gabriel, durch eine EU-Entscheidung in Sachen „Nürburgring/Capricorn“ nicht geschockt würden. (Bitte nicht vergessen: Für Brüssel ist immer Berlin, niemals Mainz der direkte Ansprech-, weil Vertragspartner!)

Aber das „Opfer“ wäre in diesem Fall eine ganze Region in Rheinland-Pfalz, die schon früher einmal dem „Sibirien Deutschlands“ zugerechnet wurde und ohne den Nürburgring – oder den in falschen Händen - auch wieder so enden wird.

Auch das ist bei einer Entscheidung in Brüssel zu bedenken!

MK/Wilhelm Hahne
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