„Grüne Hölle“ aus russischer Sicht!

Bitte nehmen Sie es Motor-KRITIK nicht übel, dass wir auch in Medien blättern, die in russischer Sprache einen Eindruck von dem vermitteln, was dort geschieht, dort ankommt und dann wie verstanden wird. Wir hätten es gerne schon vorher getan – Aber wo? - Einer der Motor-KRITIK-Leser gab einen guten Tipp. - Danke! - Denn obwohl die Übersetzung aus dem klassischen Russisch ins „Western-Germany“ nicht wirklich „cool“ ist – wie man heute sagt – ergeben sich doch ergänzende Informationen, die sicherlich „tragender“ sind, als die eines Pietro Nuvoloni. - Wenn er denn überhaupt mit einem spricht. - Aber man kann seine Statements zur Lage auch anderen Medien entnehmen. - Wenn die denn überhaupt (noch) über das Thema Nürburgring informieren. Da ist eine Blondine im Gegenverkehr interessanter. Oder ein Millionenverlust bei einem DAX-Konzern. Man hätte auch gerne Geschichten mit einem richtigen „Eyecatcher“. Der Nürburgring scheint immer nur das gleiche Foto als Aufmacher zu bieten. Da gibt es sicherlich Aufregenderes. So platziert man lieber eine halbnackte Frau auf Seite 1. Oder wie wäre es mit einem Interview mit einem Demenzkranken? - Eigentlich könnte man da gleich ein Gespräch mit einem unserer Politiker führen. - In folgender Geschichte sind Informationen direkt aus Russland verarbeitet. Aber nicht nur. Natürlich sind auch die aktuellen Entwicklungen zum Thema Nürburgring eingeflossen. - Insgesamt erwartet Sie eine „angereicherte“ Darstellung zum Thema:

„Grüne Hölle“ aus russischer Sicht!

Man weiß von dem russischen Investor Viktor Kharitonin in der Eifel wenig. In dem Beitrag aus Russland wird gegen Ende seine Situation dargestellt. Motor-KRITIK möchte damit beginnen:

Die jüngere Geschichte der „Pharmstandard“ begann wohl im Jahre 2003, als Viktor Wladimirowitsch Kharitonin zusammen mit seinem Partner Roman Abramovich und weiteren 14 Gesellschaftern nicht nur die Basis von fünf Werken kauften, sondern er auch selbst die Leitung des Unternehmens übernahm.

Im ersten Halbjahr 2014 brachte es das Unternehmen nach den ausgewerteten Angaben der russischen Quelle auf einen Umsatz von 17,2 Milliarden Rubel und kam auf einen Reingewinn (!) von 3,6 Milliarden Rubel. - Das sind große Zahlen, die aber beim Abgleichen mit dem Euro schon etwas normaler wirken. Umsatz: rd. 240 Millionen Euro; der Reingewinn gleich 50 Millionen Euro. - Im ersten Halbjahr 2014!

Die Firma mit gut 5.000 Mitarbeitern ist im RTS-Index an der Börse in Moskau gelistet und wurde an der Londoner Börse mal im Jahr 2008 mit 2,2 Milliarden US-Dollar bewertet. Das wären dann in Euro nach heutigem Kurs rd. 2 Milliarden.

Eindeutig wird aber in der uns vorliegenden russischen Geschichte festgehalten, dass der Kauf des Nürburgrings durch Viktor Kharitonin ein Privatkauf ist, der nichts mit seiner Firma zu tun hat. Es ist auch keine Kapitalerhöhung der capricorn NÜRBURGRING Besitzgesellschaft erwähnt, aber wohl, dass vor Ende des Jahres 2014 noch zusätzlich „5 – 7.000.000 €“ in das „operative Geschäft“ der Neuerwerbung geflossen sind.

Man schildert die Neuerwerbung des Viktor Kharitonin als einen Bestand von zwei Rennstrecken, dem Grand-Prix-Kurs und der Nordschleife, um die eine „Stadt“ entstanden sei aus „Hotels, Restaurants, Kinos, Konzert- und Ausstellungssaal, Go-Kart- und sogar eine Achterbahn.“

Wenn man die Verhältnisse etwas besser kennt, wird klar, dass Viktor Kharitonin hier wohl – auch – den optimistischen Schilderungen der Verkäufer erlegen ist. So wie es in der Geschichte geschildert wird, hatte der russische Investor zunächst Kontakt mit Robertino Wild, den er als Chef der Käuferfirma Capricorn empfand und verhandelte mit ihm über die Übernahme seines Anteils gegen eine „Gebühr“, wie in der russischen Geschichte zu lesen ist.

Zu Anfang glaubten die russischen Investoren an diese Möglichkeit, bis sie feststellten, dass „dieses Konsortium“ wohl mehr ein Name war, den sie von der Bedeutung her falsch eingeschätzt hatten. Also haben sie sich sehr schnell mit der KPMG in Verbindung gesetzt. Dort wurde ihnen u.a. auch erklärt, dass es ein Gutachten von Ernst & Young geben würde, dass den Nürburgring mit 126.000.000 € bewertet.

In Deutschland wurden uns andere Gutachten vorgehalten, die dann auch das Gebot der Capricorn/Getspeed-Kombination mit 77 Millionen durch die EU-Kommission als „marktgerecht“ empfinden ließ. Aber tatsächlich wird der am Ende gezahlte Kaufpreis deutlich unter 70 Millionen liegen, da man nicht nur die 6 Millionen angenommenen Gewinn aus 2014 – wie es der Vertrag vorsieht – in Abzug bringen will, sondern sonst auch noch - s. EU-Beschluss – weitere 3,5 Millionen, so dass eigentlich auf dem Papier eine Zahl von 68,5 Millionen den Kaufpreis darzustellen versucht. Tatsächlich muss der noch um die (noch?) zu ermittelnden Bauschäden gemindert werden.

In der in Russland erschienenen Veröffentlichung gibt es andere Ungenauigkeiten oder kleine Fehler. Da wird von einem Konkurs der NAG (Nürburgring Automotive GmbH) geschrieben, während tatsächlich die NG, die Nürburgring GmbH (samt „Töchter“) in Insolvenz, aber in Eigenverwaltung (!) ging. Außerdem kann man in Russland lesen, dass Capricorn wohl zusätzlich 25 Millionen Euro in die Infrastruktur des Nürburgrings investieren wolte.

Auch da ist man einer Fehlinformation aufgesessen, denn Robertino Wild hat sofort am Tag der Bekanntgabe seiner Firma als Käufer durch die Insolvenz-Sachwalter klar gestellt, dass diese 25 Millionen-Investition durch die Firmen erfolgen müssten, die er an den Nürburgring zu holen gedachte. Die Sachwalter hatten das ein wenig missverständlich formuliert, so dass der Eindruck entstehen konnte, der Kaufpreis für den Nürburgring würde eigentlich 102 Millionen Euro betragen. - Was einer Mär entspricht.

Im Land der neuen Investoren verweist man darauf, dass neben der Formel 1 auch die DTM, Moto-GP, Race-Trucks ihre Runden drehen und das „sogar“ (!) das Festival „Rock am Ring“ hier ausgetragen wird. - Motor-KRITIK-Leser wissen das besser.

Inzwischen gibt es unter „Insidern“ vorsichtige Schätzungen, nach der z.B. die Ersatzveranstaltung für „Rock am Ring“ („Der Ring – Grüne Hölle Rock“), wohl 2 Millionen Euro Verlust bringen könnte. Das ist wirklich eine vorsichtige Schätzung, deren Summe man nach Motor-KRITIK-Recherchen zu diesem Thema eigentlich auch verdoppeln könnte.

Wie wir bei Recherchen feststellen konnten, verfügt der neue Festival-Veranstalter am Nürburgring, die DEAG, Berlin, über keinerlei Adressmaterial der Rockfans aus der Vergangenheit, hat so auch keine Möglichkeit gehabt sie direkt anzusprechen. - Im Moment läuft eigentlich alles für „Rock am Ring“ in Mendig. - Der russische Investor wird das noch früh genug erfahren. Genauso wie er die Erfahrung machen wird, dass die Achterbahn sich unter den Auflagen der Genehmigungsbehörden niemals wirtschaftlich betreiben lassen wird. Genauso wird er erleiden müssen, dass eine Vielzahl der neuen Bauten zunächst nicht mehr als ein „Klotz am Bein“ sein werden.

Das Unternehmen des Robertino Wild wird in der russischen Publikation per Ende Oktober 2014 „selbst am Rande des Bankrotts“ empfunden. Interessant, dass alle Anzeichen dafür von den Insolvenz-Sachwaltern in den Monaten davor nicht erkannt wurden, sondern durch PR-Maßnahmen der Landesregierung für das Unternehmen sogar noch der Eindruck erweckt wurde, dass man mit Capricorn als Rückgrat der Kaufgesellschaft geradezu das „Große Los“ gezogen habe.

Russische Bürger können in diesen Tagen lesen, dass Robertino Wild die Immobilie Nürburgring schuldenfrei zugesprochen wurde, wie das nun auch für seinen „Nachfolger“ Kharitonin gilt. - Und dass „lokale Steuerzahler“ die entstehenden Verluste zu tragen haben.

Interessant, dass Viktor Kharotin in der russischen Darstellung mit einer Schilderung zitiert wird, nach der er mit der KPMG und den „lokalen Behörden“ innerhalb einer Woche zu einem Abschluss und Unterzeichnung der Papiere kommen konnte.

Viktor Kharitonin erklärt diese „schnelle Lösung“ so, dass der Verkäufer, „die Regierung von Rheinland-Pfalz“ (so ist im Originaltext erklärt) bereits mit der Situation konfrontiert war, dass Robertino Wild nicht zahlte. Wenn der „Deal“ dadurch platzen würde, hätte man „erneut“ (so im O-Text) einen Käufer suchen und dafür die Europäische Union um eine neue „Erlaubnis“ der Freistellung bitten müssen. Oder man musste versuchen, einen Ersatz für Wild zu finden.

Der "Verkäufer" fand da mit Viktor Kharitonin eben eine „schnelle Lösung“.

Das bestätigt eigentlich irgendwie den schon in Motor-KRITIK geäußerten Verdacht, dass Viktor Kharitonin keine Möglichkeit hatte, zu einer exakten Risikoabwägung zu kommen. Es gab einfach keine Zeit dazu. Durch den direkten Kontakt mit der KPMG rutschte übrigens auch Robertino Wild „durch's Sieb“, so dass der inzwischen ohne irgendwelchen Einfluss auf die Abläufe am Nürburgring ist.

Da hilft auch nicht, dass er sich durch den Verkauf einer seiner Firmen, die eigentlich in Aachen zum Bau eines Millionen-Objekts verpflichtet schien, sich mit einen Millionen-Gewinn (man spricht von 1,8 Millionen Euro) etwas besser stellen konnte. Leider gab – und gibt – es noch alte Forderungen von Gläubigern, die diesen Gewinn mindern.

Noch schlimmerl: Er leidet inzwischen unter den nachlässigen Recherchen der Insolvenz-Sachwalter, die die Finanzierung des Kaufs durch Robertino Wild auch dem Gläubigerausschuss, der schließlich und endlich dem Verkauf an Capricorn zustimmen musste, auch eine solide Finanzierung durch Wild vorgaukelten.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt aktuell gegen Robertino Wild - auch mit Hausdurchsuchungen - , weil er seine Kunstsammlung gleich zwei seiner Gläubiger verpfändete, ohne dass der eine vom anderen wusste. Das ist – wie auch schon in Motor-KRITIK zu lesen war – nach dem Gesetz eine strafbare Handlung, die auch nicht mit der Entschuldigung eines Robertino Wild und seines neuen PR-Berater, Klaus Kocks, entschuldigt wird, dass das „keine betrügerische Absicht“ gewesen sei. - Altes deutsches Sprichtwort: Unwissenheit schützt nicht vor Strafe.

Mit Klaus Kocks hat übrigens ein interessanter PR-Mann zu Robertino Wild gefunden, der immer schon – auch als PR-Chef bei VW – für effektvolle Auftritte sorgte. - Und für manches Kopfschütteln. Damals wurde er noch mit Prof. Dr. getitelt. Den Doktor besitzt er sicherlich heute noch. Hat er ihn vielleicht nur mit Rücksicht auf seinen neuen Klienten Robertino Wild abgelegt?

Ich habe übrigens eine Episode mit/von Prof. Dr. Klaus Kocks - damals noch VW - in einem meiner kleinen e-books („Alles ha(h)nebüchen?“, Bd. 1) festgehalten. Das ist zwar schon einige Jahre her, macht aber die Eigenheiten eines Klaus Kocks, damals „Chefkommunikator“ des Volkswagenwerkes unter der Leitung eines Herr Piech, sehr deutlich. - Die Kombination Wild/Kocks verspricht neue, interessante Aspekte in naher Zukunft.

Wie sich überhaupt das „politische Fähnchen“ nun in Richtung Russland zu drehen scheint. War der Verkauf einer deutschen Kultstätte an einen Russen in einer Zeit unbegreiflich, in der nicht nur die EU, sondern auch die deutsche Bundesregierung unter Führung einer Angela Merkel für Sanktionen im Hinblick auf die sich abzeichnende Politik eines Präsidenten Putin war, so hat sich diese Einstellung wohl gewandelt.

In Davos hört man aktuell von Angela Merkel andere Töne, die in Zeitungen zu Feststellungen in Artikeln führen, die dann einen Titel tragen wie: „Merkel streckt Putin die Hand entgegen“.

Da passt das „Geschäft“ der rheinland-pfälzischen Landesregierung mit einem russischen Millionär, dessen Verbindung über seinen Partner bei „Pharmstandard“ zu Präsident Putin sehr eng ist, sehr gut ins Beispielbild der deutschen Bundeskanzlerin. Schließlich möchte sie auch

„in einem Wirtschaftsraum, der ja selbst von Präsident Putin benannt wurde, von Wladiwostok bis Lissabon“

kooperieren.

„Das muss unser Ziel sein.“

Das forderte Angela Merkel beim aktuellen Wirtschaftsforum in Davos in einer öffentlichen Rede.

Da ist doch der Verkauf eines großflächigen rheinland-pfälzischen Gebiets an einen dem russischen Präsidenten nahestehenden russischen Millionär ein leuchtendes Beispiel für ihre neue Einstellung.

Ob aber Viktor Kharitonin seinen Kauf in 2015 auch noch als leuchtendes Beispiel für eine intelligente Investition empfindet, das muss abgewartet werden. - Das betrifft nicht nur seine Träume von Formel 1 und „Rock am Ring“.

Zunächst muss jetzt schnell noch die Nürburgring Betriebsgesellschaft mbH in Liquidation geschickt, muss eine neue Treuhandgesellschaft für das Eigentum der ehemaligen Nürburgring GmbH geschaffen, und mit der capricorn NÜRBURGRING GmbH (ohne Capricorn!) ein neuer Pachtvertrag geschlossen werden. - Alles bis zum 31. Januar 2015.

In der russischen Publikation ist übrigens davon die Rede, dass das Verfahren der EU bis spätens Juli 2015 abgeschlossen wird, wenn – ja wenn - niemand diese Entscheidung vor Gericht anfechtet, deren Beschluss zum 1. Oktober 2014 erfolgte, aber bisher noch nicht im EU-Amtsblatt veröffentlicht wurde und damit noch ohne Rechtskraft ist.

MK/Wilhelm Hahne

Erläuterung: Die Zahlenbasis für diese Geschichte – und andere Details – wurde z.T. einem der bedeutendsten Wirtschaftsmagazine der Welt, dem "FORBES", entnommen, das in der englischsprachigen Version nicht nur  in 14tägigem Abstand in einer Auflage von um 900.000 Exemplaren gelesen wird, sondern von dem es u.a. auch eine russische Ausgabe gibt, die in Moskau erscheint. - Noch einmal hier einem ungenannt bleibenden Motor-KRITIK-Leser für diesen Tipp ein herzliches Dankeschön!

 

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