F1: „Die normative Kraft des Faktischen“?

Motor-KRITIK hat in den letzten Wochen offen dargestellt, wie wir die Situation um den „Großen Preis von Deutschland“ realistisch einschätzen. Und hat das auch argumentiert. Danach sind die Chancen für einen F1-Grand-Prix in 2015 am Nürburgring gleich Null. Natürlich muss ein solcher Ausfall in der Position eines in der Eifel verantwortlich eingesetzten Geschäftsführers argumentativ aufbereitet werden. Zum Beispiel als positive Ergebnis für die russischen Investoren. Und Hockenheim darf nicht vorpreschen, weil auch hier das Zusammenfinden von Ecclestone mit der dortigen GmbH zu einem „bunten Strauß“ mit BITBURGER und MERCEDES einer wohl abgestimmten Erklärung bedarf, die alle in ihrem Verhalten „gut aussehen lässt“. Auf der anderen Seite muss nun bald der Vorverkauf für das GP-Ereignis beginnen, denn der Termin, durch die FIA bestimmt, liegt längst fest. So sammelt man gerade am Nürburgring ein Argumentationsbündel von neuen Verträgen von Veranstaltern für 2015 (Wichtig! Exakt nur für die Saison 2015!), um keine Ahnung von kommenden Verlusten entstehen zu lassen wenn offiziell wird, dass in der Eifel auch diese Großveranstaltung (z.B. neben „Rock am Ring“) ausfällt, während man in Hockenheim z.Zt. nach wie vor „in Deckung bleiben muss“, bis dass man gemeinsam mit den Sponsoren, zu einer einheitlichen Sprachregelung gefunden hat. - Oder auch dort eine Absage verkünden muss?

F1: „Die normative Kraft des Faktischen“?

Die Abläufe „im Umfeld“ des „Großen Preises von Deutschland“ in 2015 können/sollten nachdenklich machen. Im Austausch mit „Wissenden“ wurde so auch unser Denken bei Motor-KRITIK in eine bestimmte Richtung gelenkt. Dabei wurde deutlich, dass man bei aller punktuellen Bedeutung eines F1-Grand-Prix für eine Region, nicht den Blick auf die Gesamtsituation aufgeben sollte. - Und wie es dazu kommen konnte.

Georg Jellinek, war ein bedeutender deutscher Staatsrechtler, der nun über 100 Jahre tot ist. Aber seine „Statuslehre“ aus dem Jahre 1892 wurde z.B. zur Systematisierung unseres Grundgesetzes verwendet. Und wenn man die Regeln kennt, die z.B. für den Verkauf des Nürburgrings aufgestellt wurden und beobachtet hat, dass sie eigentlich in der Art der Abwicklung nicht beachtet wurden, sondern durch das „praktische“ Verhalten einer Minderheit versucht wurde, eine Regel zu schaffen, die dann von allen anerkannt wird, dann muss einem wiederum Georg Jellinek einfallen, den in seinen Arbeiten auch die Frage um die „normative Kraft des Faktischen“ beschäftigte. - Diese Frage kann einen auch – weil dann verständlicher – bezogen auf den Verkauf des Nürburgrings zu Überlegungen anregen. Jeder Jurist – also auch Hendrik Hering – kennt die Jellinek'schen Überlegungen, weil man beim Jura-Studium mit ihnen bekannt gemacht wird:

  • Verliert eine bestehende Regel dann ihre Bedeutung, wenn sie im Wesentlichen nicht befolgt wird?
  • Kann durch das Verhalten einer bestimmenden Minderheit eine Regel für alle geschaffen werden?

Beim Nürburgringverkauf wurden bestimmte Gesetzmäßigkeiten – die auf anderen Gebieten immer noch Geltung haben – einfach ausgehebelt. - Beispiel:

Der Verkauf der Zweidrittel Geschäftsanteile von der Capricorn Holding GmbH an der Käufergesellschaft ist kein unbedeutender Wechsel auf der Gesellschafterebene beim Käufer, der die eigentlichen Verkäufer nichts angeht. Es ist eher ein unzulässiger, rechtswidriger Zweitverkauf. Sicherlich auch nach EU-Recht.

Zum Vergleich: Da gibt es Hersteller von Würstchen, die nach aufwändigen Ermittlungen des Bundes-Kartellamts wegen verbotener Preisabsprachen mit hohen Millionen-Strafen belegt wurden. Zwei dieser Firmen gehören zu einem Fleischimperium. Das führt die Firmen inzwischen nur noch als Marken, nachdem werthaltige Teile der Firmen so lange in andere Unternehmensteile verschoben wurden, bis nur noch „Firmenhüllen“ übrig blieben. - Und nun wird man die Millionenstrafen an die Wettbewerbshüter des Bundes nicht zahlen müssen. - Weil es dazu gültige Gesetze gibt, die ein Rechtsstaat beachten sollte. - Eine rechtsstaatliche Katastrophe!

Im Fall des Nürburgrings war/ist das anders: Die heutige Käufergesellschaft war gar nicht am Verkaufsprozess beteiligt. Das war ein Bieterkonsortium, bestehend aus der Capricorn Holding und Getspeed oder personalisiert: Robertino Wild und Dr. Axel Heinemann. Man hat hinterher schlicht einen dieser beiden Partner ausgetauscht, weil der Käufer den Kaufpreis nicht zahlen konnte. Grund: Man hatte die Sicherheiten finanzieller Art im Vorfeld der notwendigen Abwicklung offensichtlich nicht geprüft. Die capricorn NÜRBURGRING Besitzgesellschaft mbH war nur ein Vehikel, dass man kurz vor Vertragsschluss aus dem Nichts präsentierte, eine Mantel- oder Vorratsgesellschaft. Sie wurde durch das Ausscheiden von Robertino Wild zu einer überwiegend leeren „Firmenhülle“. -

Wie das erste Beispiel zeigt, genügt das eigentlich, um alle diese „Firma“ vorher betreffenden Beschlüsse unwirksam werden zu lassen. - Nicht aus EU-Sicht? - Aber es gibt doch dazu (s. obiges Beispiel) gültige Gesetze!

Oder kann man „Firmenhüllen“ von Würstchen-Firmen und Nürburgring-Käufern nicht miteinander vergleichen?

Eigentlich müsste die EU-Kommission in diesem Fall sofort aktiv werden, weil sie wie ein „kleines Dummerchen“ nach Strich und Faden vorgeführt worden ist. Aber da gibt es da den Begriff von „politischer Opportunität“. Und da reagiert man nicht wütend, beleidigt, sondern pragmatisch. Schließlich darf man nicht vergessen, von welcher Bedeutung Angela Merkel – und damit die Bundesrepublik Deutschland – für die Europäische Union ist. - Und wir sind wieder bei der „normativen Kraft des Faktischen“.

Also hat man in Brüssel dieses „Hütchenspiel“ - zumindest bisher – scheinbar hingenommen. Aber noch ist nichts wirklich rechtskräftig entschieden. Was dann dazu führt, dass der Käufer (auf dem Papier) immer noch keiner ist, sondern der Aufsicht durch einen Treuhänder bedarf. Und dieser Käufer plus Treuhänder (!) stellen dann eine 25.000 Euro-GmbH als Pächter, ausgewiesen durch einen Pachtvertrag, der vor der Öffentlichkeit bisher verborgen gehalten wird.

Diese Öffentlichkeit zählte eigentlich einmal den Nürburgring zu ihrem Besitz, einem Besitz der Steuerzahler, da es sich hier praktisch um Volksvermögen handelt.

Das wurde nun an einen russischen Investor, bzw. eine Investorengruppe, „verschenkt“, dem/denen ein tolles Investment mit einer tollen Renditeerwartung vorgegaukelt wurde. Es gab – schon aus Zeitgründen – keine Möglichkeit der Risikoüberprüfung. (Motor-KRITIK hat bereits darauf hingewiesen.)

Motor-KRITIK möchte kurz aufzeigen, wie wir die Situation, die Situation des russischen Investors (um die Gruppe so zu bezeichnen), – auf das Jahr 2015 bezogen – realistisch sehen:

Die für 2014 „angekündigten“ und verkündeten Gewinne müssten eigentlich real (bei normaler Bilanzierung) in „ROT“ geschrieben werden, da sie – unrealistisch - in EBTIT (ohne Zinsbelastungen, Abschreibungen u.a.) ausgewiesen und so wie es gebraucht wurde, dann mit zwischen 4 Millionen (GF Carsten Schumacher) und 6,5 Millionen Euro („Rhein-.Zeitung“) „in Schwarz“ ausgewiesen wurden.

Das sind für die Saison 2015 keine guten Vorzeichen. - In der Realität gibt es für den russischen Investor folgende „außergewöhnlichen Belastungen“ in 2015:

  • Pachtkosten (da ab 1. Februar, nur für 11 Monate) rd. 4.600.000 €
  • Unterhaltungskosten (Neubauten)                            rd. 1.600.000 €
  • Verlust bei „RING – Grüne Hölle Rock“ (anteilig)   rd. 2.000.000 €
  • Personalkosten (da unnötig hoch, die „Differenz“) rd. 6.000.000 €
  • Beginn des der EU versprochenen Rückbaus       ca. 5.000.000 €

Diese Zahlen lasse ich ohne Addition wirken. Dem stehen natürlich auch Einnahmen gegenüber. Damit möchte natürlich dann – demnächst – der Geschäftsführer in Richtung russische Investoren winken:

  • Da wären das 24-Stunden-Rennen, der Truck Grand-Prix, das Rennen um die BlancPain-Series, die GT-Masters und evtl. noch weitere.

Natürlich hat er auch schon die VLN-Rennen, immerhin 10 Stück, öffentlichkeitswirksam präsentiert. Und die RCN darf nicht fehlen. Außerdem wird er – gegenüber dem russischen Investor – davon schwärmen, dass er so genannte „Einstellfahrten“ und z.B. das WEC-Rennen im Herbst als Veranstalter – mit erheblichen Gewinnen – mit der capricorn NÜRBURGRING GmbH selber durchführt.

Motor-KRITIK-Vorhersage: „Pustekuchen“! - Insgesamt werden die Abschlusszahlen der 2015er Bilanz am Nürburgring in kräftigem ROT geschrieben werden!

Spätestens zu Anfang 2016 werden wir erleben, dass der/die russischen Investor/en zu einer kritischen Betrachtung ihres Engagements kommen werden. - Werden die vielleicht sogar über einen Ausstieg nachdenken?

Es gibt immerhin die Möglichkeit der Anfechtung der bestehenden Verträge. Wegen arglistischer Täuschung zum Beispiel. - Ein Rücktritt vom Vertrag wäre das Ergebnis. - Und dann? - Was macht die EU dann?

Der Insolvenz-Sachwalter wird von Motor-KRITIK als hochintelligentes, erfahrenes „Schlitzohr“ eingeschätzt. - Aber dann wird selbst dem nichts mehr einfallen. Bestenfalls noch wahnsinnig gute Erläuterungen durch seinen PR-Helfer, Pietro Nuvoloni. - Auch ein guter Mann - ein PR-Mann!

Aber die dann entstandene Situation wird auch ihn überfordern. - Übrigens auch die EU, bzw. deren Wettbewerbskommission!

Zunächst wird es aber aktuell darum gehen, die um den „Großen Preis von Deutschland“ entstehende Situation am Nürburgring elegant abzufedern. Mit einem „bunten Strauß“ von neuen Verträgen mit bekannten Veranstaltern. Die Veranstalter werden – aus verständlichen Gründen - „gegenfedern“, um nicht einen falschen Eindruck entstehen zu lassen. - „Federungskomfort“ am Nürburgring!

Aber wem hilft das? - Verändert das die Vorausetzungen für einen „Großen Preis von Deutschland“?

Die realen Voraussetzungen sind z.B. folgende:

  • Die Sommerferien beginnen in Nordrhein-Westfalen, einem wichtigen Einzugsgebiet für den Nürburgring am 29. Juni 2015.
  • Die Sommerferien beginnen in Baden-Württemberg, einem wichtigen Einzugsgebiet für die Rennstrecke Hockenheim am 30. Juli 2015.
  • Lt. FIA wurde der Termin für die Austragung des „Großen Preis von Deutschland“ mit 19. Juli 2015 festgesetzt.

Übrigens: Stuttgart (und damit Mercedes mit vielen tausend Mitarbeitern) ist mit seinem Firmensitz und einigen Werken in Baden-Württemberg beheimatet.

Noch Fragen? - Motor-KRITIK hat gestern welche, am 11. Februar 2015, in Richtung Hockenheim gestellt. Nachfolgend der Text meiner Anfrage:

„Sehr geehrte Frau Nieradt,

seit zwei Tagen versuche ich Sie telefonisch (-202) zu erreichen. Leider vergeblich.

Nun sehe ich gerade im Internet, dass der Hockenheimring 2015 Austragungsort des GP von Deutschland ist. (Ich füge einen Screenshot der Seite an.)

Es wäre nett, wenn Sie mir mitteilen könnten, wann Sie mit dem Vorverkauf der Karten beginnen.

Über die üblichen Kanäle? (Hotline -222 + "eventime")

Ich wäre Ihnen für eine schnelle Antwort dankbar.

Herzliche Grüße
Wilhelm Hahne“

Für meine Leser füge ich nachfolgend den aussagekräftigen Teil des angehängten Bildschirmfotos ein:

Die Antwort aus Hockenheim vom gleichen Tag:

 

„Hallo Herr Hahne,
vielen Dank für Ihre E-Mail.
Zum deutschen Formel 1 GP 2015 können wir im Moment keinerlei Angaben machen.
Freundliche Grüße
Kerstin Nieradt“

Das ist doch eine klare Aussage! - Auch bezogen auf das überraschende Bildschirmfoto.

Dürfen wir – um wieder zum Problemfall Nürburgring zurück zu kehren – irgendwann mit einem „Superman“ rechnen? - Vielleicht! - Aber erst dann, wenn die „ normative Kraft des Faktischen“ nicht mehr ausreicht, die Sicht auf die Realität zu verdecken, wenn die schmerzhaften Auswirkungen spürbar werden.

Natürlich sollte man auch das Umfeld der Formel 1 ein wenig renovieren. Bernie Ecclestone sollte zurücktreten. Er wird das zu vermeiden suchen, weil – nicht nur aus seiner Sicht – ein Konsortium von Entscheidern als Nachfolger droht. Und das wäre für die Formel 1 tödlich!

Auch die Formel 1 braucht einen „Superman“! - Von der Art eines Ron Dennis.

Wir sollten die „normative Kraft des Faktischen“, die im Wesentlichen von Interessengruppen bestimmt wird, nicht hinnehmen. - Das macht krank! - Und Kranke noch kränker!

Weil heute die Hoch-Zeit des Karneval (Weiberfastnacht, als Übergang vom Sitzungs- auf den Straßen-Karneval) beginnt, möchte ich mit einem kräftigen

„Alaaf“, „Helau“ und „Hajo“

schließen. - Ende!

MK/Wilhelm Hahne

PS: Heute, 12. Februar 2015, war gegen 16:30 Uhr auf der Internetseite der Firma "Grand Prix Travel Team GmbH & Co. KG" folgende Meldung zu lesen:

"Eilmeldung : Heute wurde eine von Formel 1-Boss Ecclestone veröffentlichte Nachricht bekannt gegeben, das der Grosse Preis von Deutschland 2015 nicht auf dem Nürburgring; sondern auf dem Hockenheimring staffinden soll ! Weitere Infos bzw. Details dazu stehen derzeit noch aus ! Von daher sind aktuell keine Buchungen möglich. Alle Kunden die bereits für Nürburgring gebucht haben, können die Tickets auf Hockenheim umbuchen und werden von uns per Mail informiert. Näheres dazu in Kürze !"

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