24h & VLN: „Die Geister die ich rief...“

Die Entwicklung ist stürmisch. Es ist nur die Frage, ob sie derzeit „nach oben“ führt – wie das wohl die Organisatoren des 24-Stunden-Rennens empfinden – oder ob diese Entwicklung die VLN „herab zieht“. Tatsache ist, dass beide Veranstaltungen zunächst den reinen Tourenwagensport favorisierten. Die „damals“ kleinste Hubraumklasse war die bis 700 ccm. - Das nur zur Erinnerung. Das 24-Stunden-Rennen ist älter als die VLN-Serie, die im Jahre 1977 begann und auch den Sport mit seriennahen Tourenwagen favorisierte. Damals neu – und auch für viele der VLN-Zuschauer ein Traum – der VW Golf GTI. - Die Leistung eines solchen Fahrzeugs, in Verbindung mit dem „damals“ niedrigen Gewicht eines Serienautomobils genügte, um aus der Sicht der Fahrer auf der Nürburgring-Nordschleife eine anspruchsvolle Langstreckenserie zu etablieren. - Die Veranstalter wollten mehr. So wurde „ausgeweitet“. - Als das – vor allen Dingen beim 24-Stunden-Rennen – nicht reichte, wurde das Denken an den Sport hintenan, das Marketingdenken in den Vordergrund gestellt. Man buhlte um Werkseinsätze, nahm dafür sogar in Kauf, dass ein 24-Stunden-Rennen kein 24-Stunden-Rennen mehr war, sondern für Stunden – entsprechend einem dann neuen Reglement unterbrochen wurde – damit Ford seine schnellen Capri in der so geschaffenen Zwangspause einer „Grundüberholung“ unterziehen konnte. Der Veranstalter des 24-Stunden-Rennens favorisierte in den letzten Jahren auch die GT3, weil man die als publikumswirksam empfand. Und die VLN musste (?) im Fahrwasser des ADAC-Nordrhein (Veranstalter des 24-Stunden-Rennens) nachziehen. - Und nun?

24h & VLN: „Die Geister die ich rief...“

Obwohl die „Kleinstwagen“, wie sie neuerdings von der Fachpresse geradezu abwertend bezeichnet werden, in nächster Zukunft der Zahl nach deutlich im Straßenverkehr zunehmen werden, gibt es längst keine Hubraumklasse bis 700 ccm mehr. Heute müsste die Hubraumgrenze auch 1.000 ccm lauten. Von der Art der GT3 in Geschwindigkeit und Abtrieb ausgehend, wären solche Fahrzeuge auf der Nordschleife wie Federvieh, das vom Fuchs gejagt und gefleddert wird – und ihm schließlich zum Opfer fällt.

Die GT3, weil die – natürlich aus Marketinggründen – von den Werken stark für die Darstellung ihrer Leistungsfähigkeit in den Vordergrund gerückt wird, gefährdet eigentlich durch ihre Zuordnung zum „Basis-Motorsport“ (die VLN und das 24-Stunden-Rennen eigentlich sein sollten) aktuell die Existenz der Langstreckenrennen am Nürburgring.

Dieser Basis-Sport ist durch die Vermischung von Amateur-Interessen (z.B. Kosten) und den Werks-Interessen (nur Siege interessieren) und die Abhängigkeit der Werks-Rennfahrer von den Interessen ihrer Auftraggeber zu einem unhomogenen Misch-Masch geworden. Die Organisatoren versuchen „ihre Veranstaltungen“ marketinggerecht als die darzustellen, auf die die Werke nicht verzichten sollten. So werden z.B. Zuschauerzahlen publiziert, die nichts mit der Realität zu tun haben, aber von motorsportunkundigen Firmenmarketing-Repräsentanten als so bedeutend empfunden werden, dass man dort „investiert“.

Wie schon gesagt: Das 24-Stunden-Rennen ist älter als die VLN und bei dieser Entwicklung federführend. Die VLN folgte zwar widerwillig und mehr nach dem Motto: "...halb zog er sie, halb sank sie hin“. Beide Veranstaltergruppen, mehrheitlich aus ADAC-Regionalklubs bestehend, finden sich inzwischen einer Front von Teilnehmern gegenüber, die eine Situation schafft, die schon im Titel ihren Ausdruck fand.

„Die ich rief, die Geister,
Werd’ ich nun nicht los.“

So heißt es exakt in „Der Zauberlehrling“ von Johann Wolfgang von Goethe.

Bei der VLN geht es im Moment aktuell (und exakt) um die Preise, die von „GPSauge“ sozusagen als „Lizenzgebühren“ von den Teilnehmern der VLN gefordert werden. Wurden die bei diesem Basis-Motorsport durch einzelne Sonderregelungen erfolgreich „gerupft“, ist das dann für das 24-Stunden-Rennen kein Thema mehr. - Die VLN hat dann den „Schwarzen Peter“ in der Tasche.

Ein VLN-Teilnehmer nennt die aktuell geforderten Preise zum Thema „GPSauge“ auf „Facebook“ so:

„Nachdem wir vor 2 Jahren gezwungen wurden, für rund 900 Euro das Gerät von GPS Auge anzuschaffen, flattert jetzt eine Rechnung über 691 Euro ins Haus, die pro Auto jedes Jahr zu entrichten sind.“

Vorher ging es in diesem Jahr „exakt“ um das „Nordschleifen-Permit“, ging es um die Preise für so genannten „Einstellfahrten“ vor der VLN- (und RCN-)Saison. Man könnte noch andere (Preis-)“Entwicklungsstufen“ vorher nennen. - Es addiert sich. - So entfernt sich die VLN dann Stück für Stück, Euro für Euro, vom „Basis-Motorsport“. - Im Interesse eines „tollen“ 24-Stunden-Rennens?

„Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin.“

Carl August Sandburg, ein amerikanischer Journalist und „Pulitzer“-Preisträger schrieb diesen Satz in seinem Gedicht „The People“. -( „Sometime they'll give a war and nobody will come“) Die Übersetzung wird im deutschsprachigen Raum gerne zitiert. Als ein Brecht-Zitat. Bert Brecht hat diesen Kernsatz tatsächlich verwendet, um ihn ein paar Zeilen später so zu ergänzen:

„Es wird kämpfen für die Sache des Feinds
Wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat."

Es nutzt sicherlich wenig, aus einem grundsätzlich „kranken Körper“ eine besonders kranke Stelle heraus zu operieren. Was Motor-KRITIK damit sagen will: Unsere Gesellschaft ist krank. - Und damit auch der Sport. Und damit auch die Sparte Motorsport.

Werfen wir doch mal – was hier wegen des dann wachsenden Umfangs der Geschichte nicht passieren soll – einen Blick auf FIA, DMSB und die Medien, die über einzelne Sparten des Motorsports nicht beobachtend und kritisch, sondern als Medienpartner (!) – und da immer beschwichtigend und dämpfend berichtet.

Man sollte sich einmal über die Abhängigkeit des „großen Motorsports“ von der Industrie Gedanken machen und die Möglichkeit prüfen, zumindest mit der VLN auf der Nürburgring-Nordschleife wieder vom „Mainstream“ unabhängig zu werden.

Denn nicht die VLN sollte abhängig von der Meinung der „Unwissenden“ in den Abteilungen Marketing der Automobilhersteller sein, sondern sollte mit seiner am Sport interessierten Haltung die Meinung der Industrie beeinflussen.

Heute kauft man sich die Serien-Fahrzeuge, die als besonders sportlich gelten, um sich damit beim „Basis-Sport“ als Motorsportler interessant und wirkungsvoll in Golfklub und am Stammtisch darstellen zu können. Früher kaufte man sich Fahrzeuge, die gute sportliche Anlagen hatten und denen mit „sportlichem Image“ überlegen waren. Das war die Zeit, wo bei VLN-Rennen dann mehr Opel als BMW am Start waren. - Und man als Fahrer noch Spaß am Motorsport hatte!

Zeitzeichen: Das ist heute anders. Auch die anderen Dinge sind – wie oben beschrieben – anders. Das ändert sich dann, wenn der Langstreckensport (wie z.B. VLN) wieder für Leute mit Spaß am Motorsport bezahlbar wird.

Die VLN-Langstreckenmeisterschaft ist inzwischen zu einem Sport geworden, in dem Selbstdarsteller deren Gesetzmäßigkeiten bestimmen und bei dem die Gesetzmäßigkeiten durch das ungesetzliche (unsportliche) Verhalten bestimmter Teilnehmer kostenmäßig negativ beeinflusst werden.

Vor Jahrzehnten bekamen solche Leute am Ende eines Rennens von einem der Echten „Eine geklatscht“ und die nahmen dann eine Sportstrafe von 100 DM in Kauf. Dieser (zufällig!) Porsche-Fahrer tauchte dann auch nicht mehr an der Nürburgring-Nordschleife auf.

Natürlich sollte Selbstjustiz nicht sein, es darf aber auch nicht sein, dass das heutige - evtl. unverantwortliche - Verhalten eines „Auch-Teilnehmers“ die Kostensituation einer ganzen Serie bestimmt.

MK/Wilhelm Hahne
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