Die Deutsche Tourenwagen Masters 2000, die DTM, einmal nüchtern und fast analytisch betrachtet

Jetzt ist die Zeit, wo die Geschichten um die DTM 200 sprießen. Da gibt es Testfahrten (mit zugelassenen Journalisten) in Italien oder (nachdem man vorher überprüft hatte, ob das Rennfahrzeug auch funktioniert) mit Journalisten im Elsass. Da wird dann am Rande der Rennstrecke von Vallelunga überwiegend diskutiert, ob nun "Zak" mit dem Volvo kommt. Und mit wievielen? - Man zitiert die Fahrer, die natürlich schwärmen. Von allem. - Von allem? - Wer ist denn in der DTM 2000 vertreten? - Und was weiß man denn bisher von der DTM? - Hat die ITR denn eigentlich schon einen Geschäftsführer? - Und mit welchem Gewicht wird denn wohl gefahren? - Wird jeder Motor zugelassen, auch wenn er nicht so im Reglement definiert ist? - Wird jedes Fahrzeug zugelassen, auch wenn es lt. Reglement nicht zulassungsfähig wäre? - Wann gibt es denn wohl die Endfassung des Reglements? - Was reglementiert das Reglement denn eigentlich, wenn Ausnahmen zur Normalität werden? Es gibt zum Thema DTM 2000 bisher mehr Fragen als Antworten. Motor-KRITIK sagt aber in nachfolgendem Beitrag sogar den Gesamtsieger in der Saison 2000 voraus und erklärt auch, warum das nicht anders ein kann.

Es entscheidet das Geld und die Aerodynamik

00-03-02/02.  Von zwei der teilnehmenden Modelle unterschiedlicher Firmen gibt es schon Fahrfotos, von einem weiteren Teilnehmerfahrzeug gibt es Zeichnungen und die DTM-Zukunft eines anderen - als Teilnehmer gehandelten Modells - liegt noch im Dunkeln. Aber in einem nicht unbekannten Fachmagazin werden schon 22 Starter aufgelistet, wovon vier ein Fragezeichen tragen.

Die diesjährige erste DTM 2000-Saison ist von Fragezeichen geprägt. Die einzige Konstante, mit der sich rechnen läßt,  ist bisher eigentlich Mercedes. Bei Opel ist schon deswegen einiges unsicher, weil die Finanzierung des Werkseinsatzes (?) nicht ausreichend ist. Es gibt zwar ein Fahrzeug, aber einen zu kleinen Etat für den Gesamteinsatz. Da ist schon tröstlich, wenn - dem Vernehmen nach - Mercedes-Sportchef Norbert Haug dem netten Kollegen Volker Strycek zugesagt hat, sich mit um Sponsoren für die Konkurrenz aus Rüsselsheim zu bemühen.

Der Einsatz der acht Mercedes-Einsatzfahrzeuge über die Teams HWA (Hans-Werner Aufrecht), Rosberg und Persson kann als abgesichert gelten. Auch der Einsatz der Opel-Fahrzeuge durch Holzer kann als sicher angenommen werden. Aber die Finanzierung der Saison ist derzeit - nach meinen Informationen - weder bei Phoenix (Bartels) noch beim Euroteam abgesichert, die beide mit Opel-Fahrzeugen an den Start gehen wollen..

Bei Abt hat man vor gut 14 Tagen gerade erst die Zeichnungen bei der englischen Firma Fosstech abgeliefert, nach der die nun den Rohrrahmen fertigen und die Basis des TT-Rennfahrzeugs erstellen. Gut, dass das erste Rennen erst Ende Mai durchgeführt werden soll.

Bei Zakowski arbeitet man zwar verbissen am Aufbau eines Volvo. Wobei in diesem Falle dann auch etwas über die Aufbaukosten für ein solches Fahrzeug durchgesickert ist. Es wird von 1,4 Millionen DM gesprochen, was sicherlich auch der Realität entspricht. Zumindest für ein erstes Fahrzeug. Alles andere sind die Traumzahlen, mit denen man die Vorstände auf die Rennstrecke locken möchte.

Opels Sportchef muss das schon deswegen tun, um den Erhalt der Opel-Sport GmbH, der OPC, sicherzustellen. Was gäbe es sonst für einen Grund für den Opel-Vorstand, diese Firma weiter zu unterhalten? - Der Opel-Renneinsatz in der DTM dient also so manchem DTM-Befürworter mehr dem eigenen (guten) Überleben. - Denn wenn man einmal den Hintergrund im deutschen Motorsport kritisch betrachtet: eigentlich geht es allen Beteiligten mehr ums Geld als um den Sport.

Hätte man bei Opel z.B. sonst jeden vernünftigen Marketinggedanken hintenan gestellt? - Opel favorisiert also für den Sporteinsatz eine Antriebsart, die es im Opel-Serienprogramm schon bald nicht mehr geben wird: den Heckantrieb. Der Nachfolger des jetzigen Opel Omega wird (auch) ein Fronttriebler sein. Opel macht also nach draussen deutlich, dass man seine Kunden eigentlich nicht mit dem besten, sondern mit dem Antriebskonzept versorgt, dass man preisgünstiger fertigen kann, dem Frontantrieb.

Hinzu kommt, dass Opel eine Karosserie verwendet, die nicht - wie eigentlich vom Reglement gefordert - 10.000mal gefertigt sein muss, sondern um eine Karosse, die bisher nur in kleiner Stückzahl existiert. Das Astra-Coupé ist bisher noch nicht für Kunden lieferbar. Und würde nicht das Auslaufmodell des derzeitigen Opel Omega nun in Genf mit einem Achtzylinder-Motor präsentiert, würde es - zumindest bei Opel in Rüsselsheim - auch keinen Achtzylindermotor geben.

Warum hat man sich also bei Opel in Rüsselsheim für den Einsatz des Astra-Coupés in der DTM 2000 entschlossen? - Kann darauf irgendein Opel-Marketing-Experte ein schlüssige Antwort geben?

Bei Audi ist die Situation schon eher zu erklären. Man betrachtet die Saison 2000 als Lernzeit und den Audi TT als Notlösung. Für 2001 wird dann der neue Audi A 4 als Coupe lieferbar werden und das Werk kann dann auf die Erfahrungen zurückgreifen, die man jetzt via Abt machen wird, der offiziell den Einsatz der Achtzylinder TT mit Heckantrieb verantwortet. Audi gehört immerhin noch zu den Herstellern, die als Allrad-"Erfinder" zumindest den Hinterradantrieb nicht ganz aufgegeben haben. Ohne Antrieb an der Hinterachse würde es keinen Allradantrieb geben.

Während man noch in den sogenannten "Fachkreisen" darüber rätselt, wieviele Volvo denn nun durch das Zakowski-Team eingesetzt werden, möchte Motor-KRITIK hier schon eine klare Aussage treffen: Es wird nur ein Fahrzeug aufgebaut werden. "Zak" wird bei Funktionsprüfungen die Einsatzfähigkeit des Autos unter Beweis zu stellen versuchen und - das war's dann.

Die Firma Zakowski ist in keiner Weise von Volvo autorisiert, das C 70 Coupé in der DTM 2000 einzusetzen. Alles was Peter Zakowski bisher hier unternommen hat, geschah auf seine persönliche Initiative hin. Bei Volvo vertritt man die Meinung, dass man schon aufgrund des (bisher) geltenden Reglements nicht in die DTM gehört. Man ist Hersteller von Frontantriebsmodellen und man hat keinen eigenen Achtzylindermotor im Programm. Wie sollte man einen DTM-Einsatz mit Heckantrieb und Achtzylindermotor in die Marketing-Kommunikation einbinden?

Was bei Opel offenbar bis heute nicht bedacht wurde, ist bei Volvo also der Grund für eine klare Entscheidung: kein DTM-Einsatz.

Da waren es also nur noch Drei. - Wobei man eigentlich hier nur von einem wirklich vorhandenen Hersteller mit der richtigen Idee und dem richtigen Fahrzeug sprechen kann: Mercedes. Hier passt alles zur Serie, lässt sich in Marketing- und Werbe-Konzepte einbinden. Nur braucht man ein paar "Mitrenner", weil man sonst gleich einen Markenpokal veranstalten könnte.

Und Opel wird so schon in der Saison 2000 zum sympathischen Verlierer werden. Wenn Mercedes, wenn Norbert Haug dieses Fabrikat aus tiefem Einfühlungsvermögen in die verzwickte Situation eines Opel-Rennleiters nicht schon mal vorne fahren lässt. Vielleicht darf Opel auch sogar einmal ein Rennen gewinnen. - Warum unter normalen Umständen dazu keine Chance besteht, erkläre ich später.

Kommen wir zunächst einmal zum Reglement. Das wurde von BMW, Mercedes und Opel gemeinsam erarbeitet, hätte auch zu BMW hervorragend gepasst. Aber dort gibt man das Geld, das man für ein Team von zwei Rennfahrzeugen benötigen würde gerade pro Jahr für die Galionsfigur des eigenen Formel 1-Teams aus. (Aber darüber lesen Sie in einer anderen aktuellen Geschichte.)

Nach dem geltenden Reglement (das aber laufend "angepasst " wird) muss die Karosserie des Rennfahrzeugs der eines Serienautos der Marke mit einer produzierten Stückzahl von 10.000 Einheiten entsprechen. Das trifft für Mercedes und Audi zu, aber nicht für Opel. - Aber da man bei Opel hoffen kann, irgendwann einmal 10.000 Astra Coupés gebaut zu haben... -

Da muss die Serien-Basis für die Rennversion vier Sitze aufweisen. Das trifft für Mercedes und Opel zu, aber nicht für Audi. (Lt. einer Fachzeitschrift ist "die Rückbank für Personen untauglich".) Da gibt es dann eben eine Ausnahmegenehmigung. Und weil die TT-Länge auch nicht ins Reglement passt: da gibt es eben eine Ausnahmegenehmigung.

Da darf die Serienversion maximal zwei Türen haben, soll aber zwischen 4.30 und .480 m lang sein. Warum lässt man keine Viertürer zu? - Weil Mercedes mit einem Coupé nicht gegen Familien-Limousinen verlieren möchte? - Ich kann mich noch sehr gut an die Worte eines Herrn Hubbert zum Thema STW-Einsatz auf dem Genfer Salon (vor Jahren) erinnern, wo er auf den damals aktuellen Volvo-Kombi (er wurde in England so eingesetzt) wies und seine Ablehnung der STW mit den Worten argumentierte: "Glauben Sie, dass wir gegen solche Kisten im Rennen fahren würden?"

Laut Reglement muss das Mindestgewicht des Rennfahrzeugs 1050 Kilogramm betragen. Da man jetzt aber am Beispiel der gefertigten Rennfahrzeuge feststellen muss, dass sich die Fahrzeuge mit einem Gewicht deutlich unter diesem Wert herstellen lassen, wird man diesen Reglementpunkt wohl auch ändern. Pardon: anpassen.

Die DTM 2000 macht auch dem unbefangenen Betrachter recht deutlich, was von den ganzen elektronischen Helfern moderner Serienautomobile zu halten ist, wenn es ums wirkliche Autofahren geht: Nichts! - In der DTM gibt es kein ABS, kein ASR, kein ESP, kein elektronisches Sperrdifferential. Alles hat mechanisch und klar überprüfbar zu funktionen. Der einzige elektronische Helfer sitzt im Motormanagement. So kann man zumindest den Drehmomentverlauf beeinflussen. Und ohne die ganze Elektronik wird's auch billiger und - zuverlässiger.

Der Motor selbst ist in seinen Details auch klar definiert. Der von Zakowski für den Volvo vorgesehene Judd-Motor wäre schon aufgrund seines Nockenwellenantriebs über Zahnräder nicht zulässig. Es sind nur Motoren mit Ketten- oder Zahnriemenantrieb zugelassen. - Aber auf eine Ausnahme mehr oder weniger käme es schon gar nicht mehr an.

Was alle Teilnehmer-Fahrzeuge gleich macht, sind Bremsen, Räder, Reifen, Getriebe. Auch die Motorleistung dürfte sich mit einer Differenz von maximal fünf Prozent ähnlich sein. Wo sich dann wirklich Unterschiede ergeben, ist die Aerodynamik. Unterhalb der Radmitte darf man zwar machen was man will, aber z.B. der nicht unwichtige Heckspoiler hat für alle die gleichen Abmessungen. Wer den Flügel steiler stellt, hat dann mehr Abtrieb. Wer ihn flacher stellt, hat eben weniger.

So denken viele. Und da die Motorleistung ähnlich sind, viele Fahrer gleich gut, da die Fahrwerkabstimmung auch nicht viele Anpassungen erlaubt, da man den optimalen Luftdruck sicherlich schnell herausfindet - da werden alle teilnehmenden Fabrikate auch gleich schnell sein. - Denken viele.

Was vergessen wird ist, dass die Ausgangsbasis nicht gleich ist. Da hat der Audi die kleinere Stirnfläche. Aber einen so kurzen Radstand, dass - und das ist eine persönliche Einschätzung - Laurent Aiello wohl mit diesem Powerpaket am besten zurechtkommen dürfte. Ein agiles Fahrzeug, das viel Abtrieb braucht. Was Leistung kostet. Auch wenn die Stirnfläche klein ist.

Bleiben Mercedes und Opel. Der Opel ist von der Karosserieform her ein typischer Fronttriebler, bei dem man bemüht ist, die Räder jeweils weit an die Außenkanten zu setzen. Es gibt nur relativ kleine Überhänge. Das ist beim Mercedes anders. Dort ist der Überhang hinten größer als beim Opel. Aber das eigentlich wichtige Maß ist das, das sich aus dem Abstand Hinterachse zum Heckflügel ergibt. Denn auch bei dieser Rennserie ist die Schulweisheit nicht außer Kraft gesetzt, nach der eine Kraft über einen größeren Hebel zu einer größeren Kraft wird.

Das bedeutet im Falle Mercedes und Opel nichts anderes, als dass der Mercedes mit einer flacheren Flügelstellung die gleichen Abtriebswerte erreicht, für die der Opel eine steilere Einstellung braucht. Was ihn dann auf der Geraden langsamer macht. Auf schnellen Kursen, wie z.B. dem großen Kurs in Hockenheim (wo das letzte Saisonrennen stattfindet) kann jetzt schon dem Mercedes gegenüber dem Opel ein Vorsprung von mehr als einer Sekunde pro Runde vorhergesagt werden.

Auf kleinen, engen Kursen - die es in der Rennsaison 2000 auch gibt - hat der Mercedes darum einen Vorteil, weil er bei gleicher Flügelstellung einen größeren Abtrieb realisieren kann. Bei dem vorhandenen großen Drehmoment ein unschätzbarer Vorteil.

Mich hat es nicht verwundert, wenn Mercedes  in Vallelunga jetzt schon schneller war, als "damals" mit einem ITC-Fahrzeug. Wenn jetzt demnächst Opel und Mercedes in Tests in einem direkten Vergleich aufeinandertreffen, wird es ein böses Erwachen bei Opel geben. Aber bei Mercedes wird man - vor der Saison - Opel nicht so direkt vor den Kopf stoßen. Schließlich muss man das Management des Konkurrenten noch ein wenig bei Laune halten. - Es wird auch genügen, wenn Mercedes per Saldo knapp vor Opel gewinnt.

Aber eigentlich ist Opel nur das Kanonenfutter für Mercedes. Und Audi - na, ja - schau'n wir mal. Jeder wird mal gewinnen dürfen. Das lässt sich sogar (wenn es sonst nicht geht) über den Motorenchip steuern.

Aber die Fachwelt meint, dass die DTM 2000 "das Gelbe vom Ei" im deutschen Tourenwagensport ist. Weil Achtzylindermotren so schön grollen? - Weil das alles so toll geil aussieht? - Weil das alles sooo kostengünstig zu realisieren ist?

Wenn man ein Rennwochenende als "Event" betrachtet, wird sicherlich so manches Rennen dank des Marketing- und Werbeaufwandes der Werke zu einem "Super-Event" werden. Und man wird die DTM schließlich so klinisch rein präsentieren (mit abgetrennten Fahrerlager usw.) wie die Formel 1. Und mit Filmsternchen, Boxern und Fußballreportern, die auch andere, als nur Motorsport-Fans, vor den Fernseher zu locken versuchen.

Eigentlich wird die DTM 2000 ein "Haug-Pokal" sein, wo Mercedes zeigt, wie globale Player mit Verlierern im Markt umgehen. Und das wird Opel vielleicht dann Sympathien einbringen.

Wenn man bei General Motors geschickt ist, wird man die DTM wenigstens dazu nutzen, nach draussen deutlich zu machen, dass das Konzept für reinrassige DTM-Rennfahrzeuge (Achtzylindermotor vorne, Heckantrieb, Getriebe an der Hinterachse) schon lange zuvor beim Chevrolet Corvette verwirklicht wurde. Und zu einem Preis, der das Fahrzeug sogar für Interessenten eines BMW M 3 erschwinglich macht.

Denn BMW wird in 2000 nicht nur in der Formel 1 eine schlechte Figur machen, sondern auch in der für BMW eigentlich ureigensten Domäne, dem Tourenwagensport. - Mercedes setzt in 2000 die Tourenwagen-Glanzlichter. Denn eigentlich kann die DTM 2000 nur ein Fabrikat gewinnen: Mercedes. - Weil in der DTM 2000 Geld und Aerodynamik entscheiden.

MK/Wilhelm Hahne

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