Neues vom Daimler-Problemkind Smart

Auch wenn man sich scheinbar relaxt und zuversichtlich gibt: bei Daimler-Benz tanzt der Bär. Es wird mit Hochdruck an der Umsetzung der Forderungen gearbeitet, die eigentlich schon bei Beginn des Projekts Forderungen sein mußten. Aber man beruhigt sich intern inzwischen gegenseitig nach dem Motto von Nina Ruge: Alles wird gut.

Geichgroße Räder bestimmen die Optik

98-01-11/01. In einem Leserbrief zum Thema Smart in der Schweizer "Automobil Revue" wird an den "elementaren Physiksatz" erinnert, nach dem "jeder Körper kippen muß, wenn das Lot durch den Schwerpunkt über die Standfläche hinaustritt". Und der Schreiber der Zeilen, der Unternehmensleiter der Peraves Ecomobilfabrik AG, Winterthur, Arnold Wagner, bedauert jene Ingenieure, "welche unter das physikalisch unmögliche Konzept ein funktionsfähige Auto zaubern sollten und beim aussichtslosen Kampf mit der Physik auf der Strecke blieben".

Neuer "Zauberlehrling" beim Smart ist nun Dr. Gerhard Fritz, ein gestandener Mercedes-Entwickler, der zuvor gerade die in Amerika so gelobte M-Klasse auf die Räder gestellt hatte und nun dafür sorgen soll, daß auch der Smart in allen Fahrsituationen auf den Rädern bleibt. Mercedes-Chef Hubbert meint: "Der hat schließlich schon bei der M-Klasse bewiesen, daß er das kann. Ich kann mir keinen beseren vorstellen als ihn."

Inzwischen wurde auch bestätigt, daß der Smart, so er denn jemals kommt, ohne das hochgelobte ESP, eine Fahrdynamikregelung, auskommen muß. Diese Entscheidung wird auch durch die Kosten bestimmt. Schließlich soll der Smart sich später einmal in der 15.000 Mark-Preislage tummeln.

Und Dr. Fritz meldet erste Erfolge, die nun dazu führten, daß ein in ersten Ansätzen verbesserter und überarbeiteter Smart in der letzten Woche auf der Einfahrbahn in Untertürkheim einer Reihe von wichtigen Meinungsmachern und Entscheidungsträgern des eigenen Hauses vorgetellt wurde. Nach dem Motto: Wenn es uns in so kurzer Zeit gelingt, schon erste vorzeigbare Verbesserungen zu erzielen,wird es auch keine Unmöglichkeit sein, den Smart bis zum Herbst... - Abwarten und testen!
Das, was die gutgekleideten Herren - alle im Anzug und mit Krawatte - in der letztenWoche in Stuttgart vornahmen, konnte man sicherlich nicht als Test bezeichnen. Aber die Vergleichsfahrten mit dem "alten" Basismodell und der überarbeiteten Version haben sicherlich deutlich machen können, daß schon ein Fortschritt zu registrieren ist.

Was dem aufmerksamen Beobachter auffallen mußte: die verbesserte Version des Smart ist nun ein wenig tiefergelegt (Schwerpunkt), wirkt im Radstand breiter (Spurweite). Man erinnert sich also bei Mercedes an unabänderliche physikalische Gesetze, denen ein Ingenieur zu folgen hat. Während bei der Ur-Version des Smart die Räder vorne und hinten unterschiedlich bereift waren, sind sie nun bei der verbesserten Version vorne und hinten mit Breitreifen - breiteren als vorher - gleicher Größe bestückt.

Die gut gekleideten Herren zeigten sich beeindruckt. Was aber die wirklichen Entscheidungsträger bei Mercedes nicht davon abhält, so im Stillen einmal überprüfen zu lassen, was man denn wohl mit dem Werk in Hambach machen könne, wenn der Smart nicht... - Aber das ist wirklich nur eine reine Vorsichtsmaßnahme.
Für den Schreiber des Leserbriefes an die Schweizer "Automobilrevue" ist der Fall eigentlich klar: "Der große Physiker Faraday hat einem das Prinzip jeder Innovation mit <think, build, finish, publish> beschrieben. Schade, daß heute die Welt auf die Hayeks mit deren <publish, build, flop, think, repair> hereinzufallen pflegt...".

MK/Wilhelm Hahne