Was nicht in den Rallye-Berichten der nächsten Tage steht

Nein, die 66. Rallye Monte Carlo war auch nicht mehr das, was sie früher einmal war. Keine Anfahrt, keine "Nacht der langen Messer" und es durften nicht mehr als 400 km Sonderprüfungen geben. Die "Monte" hat ihren ursprünglichen Charakter verloren. Es wird auf vieles - zu vieles - Rücksicht genommen. Nicht nur Geld regiert die (Rallye-) Welt, sondern auch das Fernsehen und z.B. das Marketing.

Der Mitsubishi Carisma soll Charisma erhalten

98-01-21/01. Wenn man eine kleine Umfrage machen würde, welches Automobil der Marke Mitsubishi das bekannteste und beste ist, dann wird man sicher am häufigsten die Modellbezeichnung "Pajero" hören. Und fragt man die Fahrer eines solchen Geländewagens, wie sie mit diesem Fahrzeug zufrieden sind, dann werden sie fast schwärmerisch von ihren positiven Erfahrungen mit diesem Fahrzeug berichten. - Hat nicht gerade wieder ein "Pajero" die Rallye Paris - Dakar gewonnen? - Natürlich - und nicht zum ersten Mal. In diesem Jahr belegten Mitsubishi "Pajero" z. B. gleich die ersten drei Plätze im Gesamtklassement der Automobilwertung.

Aber selbst das Image dieses Mitsubishi-Fahrzeugs hat seine Preisgrenzen. Sind die überschritten - und Mitsubishi hat das schon versucht - dann verliert der potentielle Käufer sein Interesse an der Marke und kauft sich - einen Rover.

Es ist schwer geworden, das richtige Image für jedes Automobil, jedes Modell jeder Marke aufzubauen. Auch bei Mitsubishi weiß man das. Schließlich hat man da auch Erfahrung mit einer Neuentwicklung, die man seit 1995 in Holland baut: dem "Carisma".

Das ist auch heute noch ein Automobil, dem es ein wenig an Profil fehlt. Obwohl der Volvo S 40 praktisch das gleiche Automobil ist, weil es als Joint Venture mit Mitsubishi im gleichen holländischen Werk gefertigt wird, hat dieses Fahrzeug "mehr Gesicht", ist eben ein Volvo. Volvo hat diese "Abnabelung" vom Entwicklungspartner Mitsubishi noch dadurch verstärkt, daß man vom S 40 den fünftürigen Kombi V 40 im gemeinsamen holländischen Werk fertigen läßt. Und dieser Kombi - so besagt die entsprechende Abmachung zwischen den Partnern, darf nur Volvo unter seinem Namen verkaufen. Einen "Carisma"-Kombi gibt es nicht und wird es vorläufig nicht geben. Während Volvo seine S40/V40 dank eines entsprechend großen Kombi-Anteils recht gut verkauft, führt der "Carisma" im Mitsubishi-Programm praktisch ein Mauerblümchen-Dasein.

Kein Wunder, daß man bei Mitsubishi zu allen Mitteln greift, um dem etwas "blassen" Carisma ein wenig Charisma mit auf den Weg zu geben. Und was wäre dazu besser geeignet, als Sporterfolge. Und so wird es die unbefangenen Beobachter der Rallye Monte Carlo nicht verwundert haben, wenn neben dem Rallye-Weltmeister des letzten Jahres, Tommi Mäkinen, mit seinem Mitsubishi Lancer Evo IV z.B. auch Burns/Reid oder das deutsche Paar Nittel/Thörner mit Mitsubishi Carisma GT am Start waren.

Mäkinen hat seinen Lancer - aber in Führung liegend - schon sehr früh weggeschmissen. Er fuhr von Anfang an auf Sieg. Aber auch die anderen Mitsubishi machten eine sehr gute Figur. Und das waren nun einmal Carisma GT. Am Ende des zweiten Tages waren z.B. Burns/Reid mit ihrem Carisma Dritter der Gesamtwertung und Nittel/Thörner lagen auf Platz sieben. Die Mitsubishi Carisma hinterließen einen guten Eindruck. Auch im Vergleich zur direkten Konkurrenz aus dem eigenen Haus, dem Lancer Evo IV. Der hat eine lange Entwicklungszeit hinter sich, ist eins der besten Rallye-Autos - und nicht nur das - das man sich vorstellen kann.

Der Chronist hatte schon mal Gelegenheit einen solchen Wettbewerbs-Lancer auf der Nordschleife des Nürburgrings zu bewegen. Man muß ein solches Fahrzeug mit einem Turbo-Escort vergleichen. Und ein solcher Vergleich fällt ganz eindeutig zugunsten des Mitsubishi aus. Der ist auch im Detail perfekt, von einer Perfektion, die man einfach von Ford nicht erwarten kann. (Warum eigentlich nicht?) Ich bin also schon beide Fahrzeuge unter den gleichen Bedingungen gefahren und weiß, daß ich mich - hätte ich die Wahl - jederzeit für einen Mitsubishi Lancer Evo IV entscheiden würde.

Darum war ich eigentlich auch nicht überrascht, daß die Rallyeversion des Carisma bei der Rallye Monte Carlo so toll aufgeigte. Bei der Erfahrung von Mitsubishi... -

Tatsächlich waren dann bei der Zielankunft in Monte Carlo zwei Mitsubishi Carisma GT unter den ersten Zehn des Gesamtklassements. Auf Platz fünf (Burns/Reid) und auf Platz sieben (Nittel/Thörner). Und wäre Mäkinen mit seinem Lancer nicht... - Aber im Motorsport ist es eben wie im richtigen Leben.

Das ist auch eine Feststellung die man treffen muß, wenn man noch einmal in Sachen Carisma recherchiert. Was macht dieses Automobil, im normalen Verkehr mehr unauffällig und ohne Profil, nun zu so einem hervorragenden Rallye-Auto?

Nach der Recherche ist die Erklärung ganz einfach: es ist ein Mitsubishi Lancer Evo IV. - ??? - Noch einfacher: Mitsubishi hat das gleiche Fahrzeug, das exakt gleiche Fahrzeug sowohl unter der Modellbezeichnung Lancer Evo IV, wie auch unter der Bezeichnung Carisma GT für den Einsatz im Motorsport homologieren lassen. Und das die Leuchteinheiten vorne und hinten auch bei den Serienmodellen praktisch gleich sind und die ganzen Sportumbau- und -anbau-Teile ein Serienmodell optisch stark verfremden... - Und ein entsprechendes Namensschild ist schnell am Heck angebracht.

So hat man wohl auch im Marketing bei Mitsubishi gedacht, als man den sporterprobten Lancer dazu nutzen wollte, für den Carisma das Image zu verbessern. Es bleibt ja in der Familie. Und es schmälert auch die Ingenieur- oder die fahrerische Leistung nicht. - Aber... -

So ist das nun mal heute im Leben. Schließlich kann man selbst einer Pressemitteilung heute nicht mehr trauen. Auch solchen von ganz renomierten Firmen. Die Zeiten haben sich eben gändert. Eine Rallye Monte Carlo ist nicht mehr, was sie einmal war und auch ein Carisma GT ist nicht mehr das, als was er der Öffentlichkeit durch seine Bezeichnung nahegebracht wird.

Aber auch in der Formel 1 war ja zunächst ein Mercedes-Motor (im McLaren) nicht von Mercedes. Und der Cadillac Catera ist eigentlich ein Opel. Und ein kommender ganz kleiner Opel wird vielleicht ein Suzuki sein. - Aber Motor-Kritik ist noch Motor-Kritik.

MK/Wilhelm Hahne