Bleibt David Herman Opel-Vorstandsvorsitzender?

In welchen Wirtschaftsblättern, -Magazinen, -Zeitungen man auch liest: David Herman´s Zeit bei Opel ist abgelaufen. Die Medien sehen ihn bald nach Moskau ver- und durch eine "Halbtagskraft" ersetzt. "Motor-Kritik" zeigt eine andere Möglichkeit auf und möchte mit einem Wort von Ex-Forschungsminister Heinz Riesenhuber einstimmen: "Wer sein Leben so einrichtet, daß er niemals auf die Schnauze fallen kann, der kann nur auf dem Bauch kriechen." - So einer ist David Herman nicht. Nach Auffassung von Motor-Kritik ist er:

Ein Opel-Chef mit aufrechtem Gang

98-01-23/01. David J. Herman ist ein Mann der seine Aufgabe ernst nimmt. Dabei weiß er eigentlich genau, daß ihm das niemand danken wird. Am wenigsten seine Chefs. Denn Opel ist nur dem Namen nach eine deutsche Firma. Sie ist eigentlich fest in amerikanischer Hand, in der Hand des mächtigsten Automobilherstellers der Welt, ist ein Puzzlestück aus dem großen Spielkasten von General Motors. Und David J. Herman, obwohl mit der Bezeichnung Vorstandsvorsitzender aus der Masse der Figuren herausgehoben, ist nicht mehr als eine Spielfigur. Er wird be- und genutzt. Und er weiß das auch.

Ich hatte zuletzt Ende 1993 Gelegenheit ein persönliches Gespräch mit ihm zu führen. Und er war nachdenklicher als ich ihn noch zu seiner Saabzeit kennengelernt hatte. Er machte sich eine Menge Gedanken über die vorhandenen Produktions-Überkapazitäten, schätzte die Marktchancen seiner Firma - und auch die Imageposition seiner Firma - realistisch ein. Und als im Gespräch die Rede auf den VDA, den Verband der deutschen Automobilindustrie kam, da konnte ich seinem Gesichtsausdruck entnehmen, wie er diese Organisation und die Möglichkeit einer Unterstützung durch sie bei der Durchsetzung neuer Ideen bei Politik und im Markt einschätzte.

David J. Herman weiß um die Gesetzmäßigkeiten des US-Business. Schließlich ist er mit ihnen groß geworden. Aber er ist nicht der geborene Selbstdarsteller, der Meister im Self-Marketing, wie man sie gerade im amerikanischen Top-Business findet. Da muß man sich schon ein persönliches Netzwerk aufbauen, wenn man nicht früher oder später aus der Thermik der Jobrotation herausgeraten will.

Der Opel-Chef denkt und fühlt eigentlich noch ein wenig europäisch. Sein Großvater kam aus Weißrußland in die USA. Herman ist zwar dort groß geworden, hat dort studiert, aber seine ganze Einstellung ist nicht überwiegend vom Karrieredenken bestimmt, wie man das sonst bei den "echten" Amerikanern findet. David J. Herman ist z.B. ein Mensch, der sich für Opern begeistern kann, in seiner Studienzeit in New York oft den letzten Dollar für den Besuch einer Oper ausgab. Noch heute entspannt er sich bei langen Autofahrten gerne mit dem intensiven Hören von Opernmusik.

Und Herman ist Jude. Und er kennt die Eigenheiten seiner Firma. Aber er ist einer der wenigen GM-Manager, die auch offen aussprechen, was sie davon wissen, darüber denken und wie sie die eigene Position einschätzen. In einem Interview mit der Schweizer "Automobil-Revue", in der Ausgabe für die Woche vom 11. - 17. April 1996, machte er deutlich, daß er sich als Jude als eine Art Alibifigur sehe. In der Zeitschrift ist zu lesen: "Der Autoriese berufe ja Persönlichkeiten, die aus Minoritäten stammen, im allgemeinen eher zurückhaltend in leitende Kommandostellen."

Solche Äußerungen werden natürlich von seinen Vorgesetzten nicht gerne gehört. Und erst recht nicht, wenn er von den Praktiken berichtet, mit denen man Opel, "seiner" Firma, die Gewinne (oder Verluste) "zukommen" läßt, die dem Mutter-Konzern genehm sind.

Was der Konzern-Mutter genehm ist, weiß dessen Statthalter in Europa, Louis Hughes, der in Zürich residiert und für alle GM-Aktivitäten im Personenwagenbereich außerhalb der USA verantwortlich ist. Und der drückt nicht nur aufs Tempo, sondern auch auf die Kosten. Hughes ist einer dieser US-Amerikaner, die sich selbst als das tollste Produkt empfinden und sich auch so verkaufen. Er weiß, daß es nicht genügt seinen Job gut zu machen, er muß ihn besser machen. Leider hilft ihm dabei nicht die Zeit in der wir leben. Die Boomzeiten sind vorbei. Und da ist die Situation in Brasilien, da klappt´s in China nicht so, wie er sich das wünschen würde, da... - Da muß er - für seine Chefs in den USA eben andere Rauchzeichen setzen.

Und da muß nun Opel herhalten. Und das nicht erst seit gestern. Nur ist es da der Öffentlichkeit weniger aufgefallen.

Opel-Chef Herman sagte z.B. in dem schon oben erwähnten Interview im Jahre 1996:

"Wenn die Buchführung anders organisiert wäre, würde für Opel ein größerer Unternehmensgewinn herausschauen. Und da die Zahl der Länder, nach denen wir unsere Projekte verkaufen, ständig zunimmt, müßte sich dieser Umstand in Gewinnsteigerungen bemerkbar machen.

In diesem Zusammenhang sind beispielsweise Brasilien, Argentinien und verschiedene asiatische Länder zu erwähnen. Ein Spezialfall ist China, wo wir den Buick Regal bauen können, gleichzeitig aber die Verpflichtung zur Erstellung eines technischen Zentrums eingehen mußten.

Auch in Amerika selbst sind wir engagiert. Opel wird ja Komponenten für den neuen Saturn liefern, und der Opel Omega soll in den USA als Cadillac verkauft werden. Opel ist drauf und dran, überall in der Welt neue Werke zu bauen, in Argentinien, in Brasilien, in Polen, in asiatischen Ländern. Opel leistet überall Beistand, und das ohne eine unseren Leistungen angepaßte Entschädigung. Unter solchen Umständen steigen unsere Kosten fortwährend, die Lizenzgebühren und Kompensationszahlungen nehmen aber nicht im gleichen Umfang zu."

Soweit das Zitat der Herman-Äußerungen aus einem Interview mit der Schweizer "Automobil Revue" im Jahre 1996. Wie Opel durch GM, durch Louis Hughes, wirklich ge- und benutzt wird, ist auch einer anderen Interview-Passage zu entnehmen, wo David J. Herman erklärt:

"Natürlich erhalten wir vertraglich festgelegte Vergütungen, wenn wir einem GM-Zweigunternehmen technisches Know-how vermitteln. So hat uns zum Beispiel Saragossa solche ´Royalties´ auf jeden dort erzeugten Opel Corsa zu entrichten."

Da muß ein gut informierter Journalist - und die Schweizer "Automobil Revue" verfügt über solche - natürlich nachhaken. Und er fragt auch erstaunt: "Aber das Werk Saragossa gehört aber schließlich auch zu Opel."

Herman: "Auf diesen einfach Nenner lassen sich die Dinge nicht bringen. Natürlich gehört uns ein bestimmter Teil des Saragossa-Werkes, und dieser kann uns je nach Geschäftsgang Dividenden einbringen oder nicht. Im Prinzip ist aber Saragossa GM Europa unterstellt und damit indirekt der internationalen GM-Gesellschaft."

Wenn man einmal diese Äußerungen von Herman noch einmal Revue passieren läßt und sie durchdenkt: Wen wundert dann jetzt noch der aktuelle Auftritt von Hughes in Detroit? Muß man sich da noch wundern, wenn die Position eines David Herman Herman als Vorstandsvorsitzender bei Opel gefährdet ist?

Tatsächlich ist Herman mehr Opel als GM-Mann. Geworden. Und er ist kein Hampelmann. Und darum für Drahtzieher wie Hughes unangenehm. Natürlich wird GM versuchen einen David Herman bei Opel abzuservieren. - Ab mit ihm, nach Rußland! - Wo schon sein Großvater herkam.

Was für die deutsche Wirtschaftspresse fast schon definitiv verkündet, könnte aber auch ganz anders ausgehen. Denn vor dem Wollen der GM-Oberen steht noch das deutsche Aktienrecht!

Im März dieses Jahres findet die nächste Aufsichtsratssitzung bei Opel statt. Der Vertrag des Vorstandsvorsitzenden läuft dann noch rund 4 Jahre. Der Aufsichtsrat müßte ihn also abberufen. Und es gibt sicherlich eine entsprechende Weisung aus Detroit.

Nun bedarf es einer Mehrheit im Aufsichtsrat, wenn Herman zum Gehen gezwungen werden soll. Aber der Aufsichtsrat ist paritätisch besetzt. Da hat die Kapitalseite seine Vertreter, aber auch die Arbeitnehmer und Gewerkschaften. Und dieser Teil des Aufsichtsrates weiß, wie wichtig Herman zur Erhaltung des Produktionsstandortes Rüsselsheim ist.

Es ist nämlich für die amerikanische Mutter auf Sicht gesehen billiger, die alte Produktionsstätte stillzulegen und eine neue - irgendwo auf einer grünen Wiese (mit Subventionen natürlich) - zu bauen, als die alte aufzurüsten. Für Amerikaner ist Profitdenken nicht Unanständiges und Sentimentalität im Geschäftsleben ein Fremdwort.

Also würde die Arbeitnehmerseite sich schon gerne für Herman entscheiden und gegen die Absicht von Detroit, den jetzigen Vorstandsvorsitzenden abzuwählen. Aber eine solche Auflehnung käme praktisch einem beruflichen Selbstmord gleich. - Aber wo ein Wille, da ein Weg.

Wenn also jemand aus dem Aufsichtsrat den Antrag stellt, die Abstimmung über das Schicksal des David J. Herman als geheim durchzuführen... - Das ist zwar nicht allgemein üblich, aber möglich. Und wie Motor-Kritik die Situation einschätzt, im vorliegenden Fall sogar wahrscheinlich.

Das wäre dann nicht nur für Rüsselsheim gut, sondern auch für David Herman, dessen Frau eine Deutsche ist, dessen Schwiegermutter im vom Rüsselsheim nicht so weit entfernten Meckenheim wohnt, dessen Kinder... -

Aber das interessiert die Herren bei GM in Detroit wenig. Aber es sollte sie schon interessieren, daß Opel im Laufe der ganzen Bemühungen um mehr Profit, immer mehr an Profil, an Image verloren hat. Bei Opel müßten im Vorstand und im Mittelmanagement zwar dringend Veränderungen vorgenommen werden, aber nicht an der Vorstandsspitze. Man achte doch einmal darauf, daß Opel im aktuellen "Imageprofil", einer Untersuchung des "manager magazin" über das Ansehen der Unternehmen in Deutschland anstellen ließ, im Vergleich zur davorliegenden nun 45 Positionen eingebüßt hat. 1996 noch auf Platz 11, rangiert Opel nun auf Platz 56, ist der Verlierer schlechthin.

Das war zwar vorherzusehen. Aber man hatte bei Opel wichtigeres zu tun, als sich um Ansehen, Image, Qualität zu kümmern. "manager magazin" stellt fest: "Die Rüsselsheimer bekamen damit die Quittung für den öffentlich ausgetragenen Kompetenzstreit zwischen Opel und GM und für die Qualitätsprobleme bei ihren Produkten." - Und spricht in diesem Zusammenhang von einem "Imagefiasko". Dafür ist nicht David J. Herman verantwortlich zu machen. Rüsselsheim braucht einen Mann mit der Einstellung eines David J. Herman zu dieser Firma, zum Standort Rüsselsheim. Man sollte ihm mehr Freiheiten einräumen, ihn machen lassen. - Solange er will.

MK/Wilhelm Hahne