Über gedankenlose Vereinheitlichungen

Da wo nur Ingenieure entscheiden können, z.B. beim Fahrwerk, gibt es noch die sogenannte "innovative" Weiterentwicklung. Aber wer entscheidet heute alles bei der Entwicklung eines neuen Automobils? Und es gibt Meeting über Meeting. Und das Ergebnis im Detail? - Motor-KRITIK  möchte einmal unter Hinweis auf ein aktuelles automobiles Beispiel die Frage stellen:

Warum hupt Citroën nicht mehr links?

98-01-29/01. Die Journalie jubelt: endlich ist eine der letzten eigenständigen, französischen, Citroën-Eigenheiten gefallen: der neue Xantia hupt nicht mehr am Blinkstockhebel sondern ist, wie viele andere Autos auch, durch leichte Schläge auf den Pralltopf zum Laut zu bewegen.

Das Einlenken der französischen Individualisten kann man als ein Resignieren vor der Meinungsmacht der Presse oder bestenfalls als einen Verlust eines weiteren Stückes Eigenständigkeit im Mutterkonzern PSA interpretieren.

Aber dieses Thema ist ein Beispiel dafür, daß auch durch langjähriges, penetrantes Wiederholen der Änderungsforderung durch die gesamte deutsche Motorpresse eine Sache an sich nicht besser und richtiger gemacht wird.

An sich sind Vereinheitlichungen in den Bedienungselementen unterschiedlicher Automobilhersteller zu begrüßen. Zu häufig steht man beim Leihwagen oder Auto des Kumpels vor einem Suchspiel nach Lichtschalter oder heizbarer Heckscheibe, das oftmals nur durch Studium unübersichtlicher Bedienungsanleitungen zu enträtseln ist. Warum sich die vereinigte Autotesterschar ausgerechnet auf die Hupenbedienung am Blinkstockhebel eingeschossen hatte, ist und war denkenden Menschen immer ein Rätsel, gibt es doch wichtigere ergonomische Bedienungsmängel.

Angefangen hat die Vereinheitlichung nach Wissens des Chronisten in den 20iger Jahren, als man die Pedalerie der Fahrzeuge auf links Kupplung, mittig Bremse und rechts Gaspedal koordinierte. Bis Dato hatte da jeder Hersteller so sein eigenes Rezept: Gaspedal mittig, je ein Pedal für vorwärts und rückwärts, noch komplizierter z. B. beim Ford T-Modell. Hintergrund der unionistischen Bestrebungen waren Einsparungen von Entwicklungs- und Fertigungskosten sowie die Tatsache, das durch die zunehmende Massenmotorisierung es den Herstellern nicht mehr möglich war, jedem Chauffeur eines Käufers in mehrtägigen Kursen mit den Eigenheiten des jeweiligen Modells vertraut zu machen.

Bis heute hat sich viel vereinheitlicht, wenn auch nicht alles sinnvoll war - und nicht alle Vereinheitlichungen waren sinnvoll. Es gibt immer noch Länder, auf denen der Fahrer auf der falschen (?) Seite sitzt. Untersuchungen haben ergeben, daß eine Umstellung auf Rechtsverkehr z. B. in England heutzutage schlichtweg unfinanzierbar ist. Deshalb bleibt alles beim alten.

Warum regt sich nur gelegentlich ein sachverständiger Schreiber darüber auf, daß ein so wichtiges Sicherheitsinstrument wie der Auslöseschalter der Warnblinkanlage von Automarke zu Automarke, oftmals von Modell zu Modell der gleichen Marke - oder gar von Jahrgang zu Jahrgang des gleichen Models - unterschiedlich positioniert ist? Von im unteren Teil des Armaturenträgers versteckt über armbrechende Auslöseorgien durch die Lenkradspeichen auf die Lenksäule bis zu mittig auf der Ablage postiertem Designball sind so ziemlich alle Varianten vertreten, die man sich ausdenken kann.

Bei manchen sind Philosophien erkennbar, manche eindeutig die Idee von Raumausstattern, viele wohl nur das Ergebnis sparwütiger Kalkulatoren. Zu selten hatten Ergonomen die Finger im Spiel. Beispiel: Der Schalter zum Öffnen des Schiebedachs gehört in die Nähe desselben - weil man ihn da instinktiv sucht. Eingebürgert hat sich eine mittlere Position am Himmel vor der Dachöffnung. In einem Honda bin ich bald mal weggeschmolzen, weil ich den Öffner für den Himmel überall,  nur nicht links unten am Armaturenbrett vermutet hätte.

Doch kommen wir endlich zur Hupe! Seit Menschengedenken hupen alle Franzosen links am Blinkstockhebel (bis auf Ausnahmen wie der R4, der hupte am Rechten - aber der hatte den Fahrtrichtungsanzeigerbetätiger ja auch rechts statt links!). Und seit Menschengedenken hupen alle deutschen Autos durch mehr oder weniger kräftiges Drücken oder Schlagen auf die Mitte des Lenkrades - bei dem sich bis vor kurzem ja noch kein Airbag befand.

Nun spricht einiges für die Variante der Franzosen: der Weg der Hand zur Hupe ist kürzer und damit schneller, man braucht dabei nicht die Hände vom Lenkrad zu nehmen und obendrein ist es technisch einfacher - und damit billiger - müssen doch die Zuleitungskabel nicht über Schleifkontakte an die Eigenheit des Lenkrades - das es sich dreht - angepaßt werden. Wer südländische Signalfreudigkeit erlebt hat weis, daß diese Überlegungen nicht so ganz abwegig sein können.

Mittlerweile ziert meistens ein Luftsack die Mitte des Lenkrades, so daß die Betätigung für den Krachmacher in die Lenkradspeichen weichen mußte. Wo ist nun die Argumentation mit der großen, auch blind zu erreichenden Betätigungsfläche geblieben, wenn jetzt eher kleine Signaltasten in den Lenkradspeichen auftauchten? Wenigstens muß man nun nicht mehr die Hand vom Lenkrad nehmen!

Zunehmend tauchen in Neuentwicklungen, vor allem ab der oberen Mittelklasse, sogenannte Multifunktionslenkräder auf, die, wie der Name schon sagt, neben dem  Navigieren des Fahrzeuges auch noch andere Arbeiten verrichten sollen. Angefangen hat das mit der Radio- und ist mittlerweile zusätzlich bei Telefon-, Satelittennavigation- und Bordcomputerbedienung gelandet. Man stelle sich jetzt mal diese Anzahl von Knöpfen und Schaltern vor, selbst wenn man die gleichen Knöpfe für verschiedene Funktionen mehrfachbelegt. Wie war das noch mit dem schnell und blinden Finden der Hupe in Notsituationen? Wenigstens verursachen die beiden popligen Schleifkontakte für die Hupe keine nennenswerten zusätzlichen Kosten mehr. Nur mal so zur Erinnerung und gedanklichen Anregung: Vereinheitlicht wurden noch nicht (die Aufzählung ist mit Sicherheit unvollständig):

  • die Position des Lenkrades
  • die Farbe des Scheinwerferlichtes
  • die Gestaltung, Größe und Position der Nummernschilder
  • die Lage der Gänge, vor allem die Betätigung bzw. Sperre des Rückwärtsganges
  • die Höhe der Stoßstangen
  • die Lage des Warnblinkschalters
  • die Lage und Betätigungsart des Lichtschalters
  • die Lage und Art der Betätigung der Handbremse
  • die Lage der Kontrollampe für die Nebelschlußleuchte (ist Ihnen schon mal aufgefallen, das unter den Schlafmützen, die bei hellem Tageslicht oder "normaler" Dunkelheit mit eingeschalteter Nebelschlußleuchte eine Blendorgie verursachen, viele Opel-Fahrzeuge sind? Wer weiß, daß deren Kontrolleuchte z.B. beim Opel Kadett, in einem Zugschalterknopf  im unteren Bereich des Armaturenträgers, ungefähr auf Kniehöhe, zu finden ist, wundert das nicht mehr)
  • die Außenmaße soweit sie als Anschlußmaße dienen (nach dem Erscheinen der ersten S-Klasse aus der Generation der Saurier mußte die Bundesbahn Ihre Waggons für Autoreisezüge umbauen, weil dieses Fahrzeug nicht mehr reinpaßte - und man z.B. nur per Autoreisezug nach Sylt kommt ...)
  • die Norm für Crashtests (aber leider gibt es keine genormten Unfälle!)
  • und zu guter letzt: der Elchtest
  • Als einzigste gelungene Vereinheitlichung bei neuerer Automobilen fallen mir im Moment nur die Gurtschlösser ein.
    Und selbst bei den Farben der Kontrollampe für das Fernlicht hatte VW mal eine Ausnahmegenehmigung vom Kraftfahrbundesamt: weil es damals noch keine blauen Leuchtdioden gab, durfte VW, weil sie umbedingt von normalen Glühbirnchen auf stromsparende und unverwüstliche LEDs umsteigen wollten, eine gelbe verwenden ...?!

    Aber der Citroën Xantia hupt nun nicht mehr links. Und ist übrigens kein Citroën mehr, sondern eins der vielen uniformen Baukastenautomobile. Für den genormten oder angepaßten Geschmack möglichst vieler 08/15-Typen. - Früher gab es Unterschiede z.B. zwischen Opel- und Citroën-Fahrern. Nun können endlich Opel-Fahrer auch im Citroën hupen. - Sinnvoller Fortschritt?

    MK/Christoph Theuring