Motorsport im ost-asiatischen Raum

Wenn es Sie interessiert zu erfahren, wer “die Italiener des ost-asiatischen Raums³ sind, sollten Sie folgende Geschichte lesen, die von einer Motorsport-Szene berichtet, von der man in unseren Breiten wenig weiß. Unser Ost-Asien-Berichterstatter, Axel Osswald, ist seit 1993 im asiatischen Tourenwagen-Rennsport aktiv. Damals kam er im Auftrag von AMG nach Asien, um als Ingenieur den Einsatz zweier 92er DTM-Fahrzeuge (EVO II) zu betreuen. Auch in den folgenden Jahren betreute er den Einsatz von Ex-DTM-Fahrzeugen.. in der “SEATCZC³, der South East Asian Touring Car Zone Challenge. Seit 1995 ist nach dem neuen Reglement der Einsatz von Ex-DTM-Fahrzeugen nicht mehr erlaubt. Es werden nun ausschließlich Supertourenwagen eingesetzt. Aber das ist schon die bedeutendste Ähnlichkeit mit dem europäischen Tourenwagen-Rennsport. In Asien kann es z.B. passieren:

Der Rennmotor kommt frisch von der Toilette

98-02-05/01. Motorsport in Asien unterliegt anderen Gesetzen als sie in Europa Basis des Motorsports sind. Nicht Profis bestimmen im Cockpit das Rennergebnis, hier drehen überwiegend Amateure am Lenkrad, die vielleicht alle zwei Monate einmal in den Schalensitz eines Renntourenwagens rutschen.

Tests sind hier sehr limitiert. Anfang eines Jahres gehen die Rennfahrzeuge aus der Werkstatt in den Container und sind dann den Rest der Saison damit unterwegs. Von Rennstrecke zu Rennstrecke. Am Ende der Saison kommen die Fahrzeuge dann schon fast tradionell zum Finallauf nach Thailand (im Dezember) und danach wieder in die Werkstatt nach Bangkok.

Das bedeutet, daß alle Revisionen, Checks usw. über die Saison immer an der Rennstrecke, in der Box oder im Container vorgenommen werden müssen. Da werden Benzinsysteme zerlegt, Radlager gewechselt und Getriebe revidiert. Und das alles in einer nicht gerade staubfreien Umgebung. Für Teams aus Malaysia oder Hong Kong stellt sich die Situation noch schwieriger dar.

Getestet wird meist im Vorfeld eines Rennens. Die Disposition der Ersatzteile, des Motorenwechsels etc. bedarf einer präzisen Vorausplanung. Als Teamchef muß mir immer bewußt sein, daß ich hier innerhalb von 24 Stunden nichts an die Rennstrecke bekomme. Was ich nicht dabei habe, kann auch nicht verbaut werden.

Dazu kommen die Zollprobleme bei der Einfuhr der Teile in die unerschiedlichsten Länder. Bestechungsgelder zu zahlen, ist Normalität, müssen praktisch bei jeder Einfuhr bezahlt werden, selbst wenn es manchmal nur um eine Rolle Tape geht. Manchmal tut es ein T-Shirt, aber meist wird Bargeld erwartet. In Malaysia sind diese Probleme kleiner, in Thailand sind sie am größten.

Merkwürdigerweise haben es Teams mit vielen “westlichen Gesichtern³ in ihren Reihen, wie z.B. auch in unserem Aim Racing-Team, am leichtesten. Vergleicht man einmal, so ist festzustellen, daß Teams mit rein asiatischer Zusammensetzung deutlicher zur (Bestechungs-) Kasse gebeten werden.

Unser Aim Racing-Team kaufte für die 96er Saison zwei Opel Vectras bei Ray Mallock in England und ich erhielt das Angebot, das Team als Team Manager und Technischer Leiter zu betreuen. Mit der Unterstützung von Opel-Motorsport konnten wir die Meisterschaft recht überlegen gewinnen.

Nach dem Titelgewinn 1996 haben mich viele Leute gefragt, warum wir mit einem Fahrzeug wie dem Opel Vectra, der nun mal international nicht gerade erfolgreich war, so klar und überlegen die ost-asiatische Meisterschaft gewinnen konnten. Aber hier funktioniert eben alles ein wenig anders. Und wir, das Aim Racing-Team, waren eben besser.

Während andere Teams rund 80 Prozent ihrer Energie darauf verwenden, ihre Fahrzeuge überhaupt an und auf die Rennstrecke zu bekommen, macht das bei uns vielleicht um 20 Prozent aus. Wir sind eben ein gutes Team. Während den anderen nur 20 Prozent bleiben um Auto und Fahrer schnell zu bekommen, können wir 80 Prozent unserer Kraft darauf verwenden das Fahrzeug auf die Strecke und den Fahrer auf das Fahrzeug abzustimmen.

Während in europäischen Meisterschaften sich sehr viele Teams und Fahrer auf einem fast gleichhohen Level bewegen, gibt es hier deutliche Differenzen. In Europa kommt der Technik des Autos eine größere Bedeutung zu, das bringt dann den Unterschied zur Konkurrenz. Hier in Asien ist für den Erfolg (oder Mißerfolg) zu 33 Prozent das Einsatzteam, zu 33 Prozent der Fahrer verantwortlich, und die Technik des Fahrzeuges hat eben auch “nur³ ein Drittel Anteil.

Um einmal reale Abläufe im Umfeld eines Rennens hier in Asien zu schildern: An manchen Rennstrecken verwende ich zwei Tage darauf, Benzin zu erhalten, das den Anforderungen der Rennmotoren unserer Fahrzeuge genügt. Laut Reglement müssen wir vorgeschriebenes und kontrolliertes Benzin verwenden - zumeist ist es AVGAS Flugbenzin - aber die Beschaffung obliegt der jeweiligen Rennstrecke. Und da kommt es dann... - In Malaysia (Johor Baru) ist die Benzinbeschaffungsaufgabe leichter zu lösen als z.B. in China (Zhuhai), wo die Benzinbeschaffung einer fast unlösbaren Gleichung nahekommt.

Hier sieht man dann Team-Manager von Werksteams wie BMW, Honda oder Nissan mit 20 Liter-Kanistern herumlaufen, um sich von jenen Teams Benzin zu erbetteln, die es (unerlaubterweise!) im Container von der letzten Rennstrecke im 200 l-Faß mit verschifft haben.

1994 und 1995 habe ich z.B. für das Aufziehen von Reifen an manchen Rennstrecken, wie z.B. Sentul (Indonesien) und Zhuhai (China) zwei Leute jeweils einen ganzen Tag in umliegende Dörfer schicken müssen, um eine Werkstätte mit einer entsprechenden Maschine zu finden. Zum Glück hat das das gebessert, seitdem seit 1996 Michelin für alle Teams der SEATCZC den Reifenservice übernommen hat.

Ersatzteilliefrungen sind immer ein Problem. 1996 mußte ich einmal Motoren und Felgen aus der Toilette eines Privathauses holen, daß dem Verantwortlichen für die Verschiffung in Sentul gehörte. Er hätte die Sachen für uns nur sicher verwahren wollen, erklärte er. Er hatte uns aber vorher eine Woche lang erzählt, die Teile wären noch gar nicht angekommen.

Container kommen manchmal erst Donnerstagnacht aus dem Zoll an die Rennstrecke. Die Teams sind meist jedoch schon seit Montag vor Ort, weil die entsprechenden Informationen besagten, daß mit dem Eintreffen der Container am Sonntag zu rechnen sei. Man verbringt Tage um Tage mit Warten und falschen Versprechungen. Und das bei 40 Grad Hitze und 95 Prozent Luftfeuchtigkeit. Morgens heißt es, die Container kommen mittags, mittags heißt es, daß es wohl Abend werden wird und abends wird man dann auf den nächsten Morgen vertröstet. Bei Fahrern und Teams die das zum ersten Mal erleben, zerrt diese Warterei ungemein an den Nerven. Und weil man weiß, daß noch dieses oder jenes Teil zu wechseln ist (was letztes Mal nicht vorhanden war) kann man schon von vorne herein die Nachtschichten vor dem Rennen einplanen.

Dann fängt irgendwann mal das Rennwochenende an und du wirst dann laufend mit sich ändernden Zeitplänen, nicht anwesenden Rennleitern oder achtzigjährigen Rennkommissaren konfrontiert, die evtl. auch den Streß nicht ertragen und kollabieren. - Alles schon vorgekommen.

Da ist der Strom ausgefallen, gibt es keine geladenen Fahrzeug- oder Starter-Batterie. Oder das Wasser ist gerade versiegt. Wer regt sich noch darüber auf? - Die Top-Teams, die “reicheren³ Teams, zu denen ich unser Team zum Glück auch zählen darf, sind da weniger betroffen, da zu deren Equipment auch Stromgeneratoren und Wassertanks zählen.

Der Zusammenhalt und die Zusammenarbeit unter den - wirklich hart konkurrierenden - Teams ist ausgezeichnet, einfach vorbildlich. Erfährt jemand, daß sich der Zeitplan geändert hat, wird er dies all seinen Konkurrenten mitteilen; weiß jemand genau, wann das Benzin eintrifft, wird er daraus kein Geheimnis machen; braucht jemand ein Ersatzteil (viele Teile, wie z.B. AP-Bremsen oder Getriebe von Xtrac sind trotz Einsatz in unterschiedlichen Fahrzeugmarken baugleich), so wird das nicht zurückgehalten, sondern geholfen. Tape, Bremsenreiniger, Motorenöl... - gerade den kleinen Teams muß manchmal kräftig unter die Arme gegriffen werden. Wir haben schon Motoren von Peugeot oder BMW ausgeleuchtet, weil man uns darum gebeten hat. (Das war aber auch z.B. für uns richtig interessant!)

Der Zusammenhalt unter den konkurrierenden Teams ist also sehr gut. Gefightet wird wirklich nur auf der Rennstrecke. Und das zuweilen auch recht hart. Aber Vorfälle wie in der DTM - oder später ITC - wo hinter vorgehaltener Hand (manchmal sogar noch nicht einmal) darüber gelacht wurde, wo man sich freute, wenn das Fahrzeug eines Mitbewerbers, eines Konkurrenten abbrannte, die gibt es hier nicht.

Dennoch hat sich die aktuelle Meisterschaft inzwischen deutlich von dem ´93er-Club Racing Level abgesetzt. Presse und Fernsehen sorgen für Erfolgsdruck, aber auch die Hersteller, die inzwischen mit viel Geld in diese Meisterschaft einsteigen.

Jetzt, wo ich noch einmal darüber nachdenke, muß ich sagen, daß das alles schlimmer klingt als ich es eigentlich empfinde. - Oder habe ich mich nur daran gewöhnt? - In den letzten anderthalb Jahren haben sich tatsächlich viele Dinge gebessert, alles ist professioneller geworden. Seit Ende 1996 gibt einen neuen Organisator (Motorsport Asia in Kuala Lumpur), der viele Dinge bewegen konnte. Aber man darf niemals vergessen: wir sind in Asien und da gibt es immer nur den Weg der kleinen Schritte.

Druck kann man hier nur sehr vorsichtig und in kalkulierten Dosen ausüben. Asiaten sind da sehr empfindlich, allen voran die Thais oder Indonesier. Offene Diskussionen sind nur in China möglich. Nicht umsonst gelten die Chinesen (auch die Hong Kong-Chinesen) als die Italiener des Ostens. Aber selbst hier ist es nicht gut, jemandem einen Fehler eindeutig nachzuweisen. Er könnte das Gesicht verlieren, was in diesem Umfeld gleichbedeutend mit einem sozialen Tod ist. Es gibt wirklich eine reichhaltige Palette von Fehlern, die man hier im Umgang mit Menschen machen kann. Wer z.B. laut wird, brüllt oder schreit, den nimmt danach niemand mehr ernst. Natürlich darf man Freude über etwas zeigen, aber Traurigkeit oder Mißfallen wird hier mit unbewegtem, steinernen Gesicht ertragen.

Sich hier anzupassen ist dadurch besonders schwierig, da der Rennsport schon von seiner Anlage her stressig, hektisch und mit hohen nervlichen Anforderungen verbunden ist. Da bedeutet es auch für mich eine große Herausforderung hier den besonderen Anforderungen in allen Belangen zu genügen.

OK, auch in Deutschland ist evtl. eine offene Kritik an Fahrern nicht immer das richtige Mittel, aber hier kann ihn auch meinem Küchenjungen nicht deutlich sagen, daß die Teller nicht sauber sind, oder einem Mechaniker nicht, das schwitzende Leitungen in einem Rennfahrzeug nichts zu suchen haben. Inzwischen kann ich schon so manches, weil sich zwischen mir und meinen Mitarbeitern eine Vertrauensbasis gebildet hat. Aber die muß man sich über einen langen Zeitraum hart erarbeiten. Und man kann sie verdammt schnell - durch kleine unüberlegte Handlungen - wieder verlieren.

Im April fängt jetzt hier die Saison wieder an. Bis dahin ist - wie überall in der Rennsportwelt - noch viel Arbeit zu erledigen. Das Starterfeld wird in dieser Saison besonders stark sein. Wir erwarten über 20 Fahrzeuge, also vielleicht sogar mehr als in der Deutschen STW-Meisterschaft am Start sein werden. Folgende Werk-Teams, bzw. werksunterstützte Teams werden 1998 in diesem Jahr am Start sein: BMW (EKS, Malaysia), Honda (Worldphone, Thailand), Nissan (Aim Racing, Thailand), Toyota (Toyota Team Thailand) und Opel (Petronas, Malaysia). Zusätzlich gibt es eine Reihe von Enthusiasten, die mit BMW´s, Toyotas und Peugeot´s das Feld auffüllen.

Die Rennen der East Asian Touring Car Zone Challenge (SEATCZC) werden durch “StarTV³, einem Satelliten-Sender (ähnlich wie Eurosport in Europa) überregional verbreitet, alle lokalen TV-Anstalten werden sie live übertragen. Und die schreibende Zunft wird mit den Geschehnissen und Ergebnissen viele Seite füllen.

Entsprechend meiner Vereinbarung mit Motor-Kritik werde ich - unregelmäßig, so wie es meine Zeit erlaubt - für Sie in diesem Medium über die aktuellen Geschehnisse in dieser Saison berichten.

MK/Axel Osswald