Die Deutsche STW-Meisterschaft 1998 realistisch betrachtet

Nein, es sieht in dieser Meisterschaft längst nicht so rosig aus, wie in den Motorsport-Zeitschriften beschrieben. Grund genug, die Situation nüchtern zu betrachten. Und es zeigt sich dann sehr schnell, daß es 1998 wieder den gleichen Gesamtsieger wie 1997 geben wird, daß Audi auch nicht den Hauch einer Chance hat, weiter als auf Platz sechs nach vorne zu kommen. Und BMW... - Ja, warum fährt man bei vier Fahrzeugen eigentlich nur eine Reifenmarke? - Und wird das Linder-Team wirklich zwei Fahrzeuge einsetzen? - Nachstehend folgt eine realistische Betrachtung und Einschätzung. Aber auch ein Ausblick auf die Saison 1999. - Wie es scheint, müssen wir uns daran gewöhnen:

Mit Achtzehn ist man nicht nur volljährig...

98-02-11/04. ...nein, es reichen z.B. auch 18 Fahrzeuge aus, um in der Deutschen STW-Meisterschaft guten Motorsport zu bieten. Wobei man sich darüber im Klaren sein muß, daß in dieser Saison noch Fabrikate mitfahren, die man in 1999 in dieser Meisterschaft nicht mehr sehen wird. Aber es werden neue kommen... -

Aber beschäftigen wir uns zunächst einmal mit dem aktuellen Stand. Und das in alphabetischer Reihenfolge:

Alfa Romeo wird mit einem Fahrzeug vom Typ 156 am Start sein. Stefan Modena ist fahrerisch eine gute Wahl. Aber man sollte bei Alfa bedenken, daß der Einsatz eines zweiten Fahrzeuges nicht die Einsatzkosten verdoppeln, aber die Erfolgsaussichten der Marke in der Meisterschaft deutlich verbessern würde. Motor-Kritik-Einschätzung: Alfa wird oft unter den ersten Fünf zu finden sein.

Audi ist - mit Alfa verglichen - schon fast ein trauriger Fall. Realistisch betrachtet ist man chancenlos. Bei der Leistungsdichte in der STW-Meisterschaft entscheiden Nuancen. Aber die sind bei Audi leider alle negativ. Da ist zunächst der längs eingebaute Frontmotor, der eine optimale Gewichtsverteilung verhindert. Hinzu kommen die Verluste durch in diesem Einbau-Fall notwendige Kraftumlenkung. Und dann ist - nach Motor-Kritik-Einschätzung - der Motor von seiner Basis her auch nicht gerade ein Rennmotor. Erstaunlich, was man in der Vergangenheit aus dieser - eigentlich schlechten - Basis herausgeholt hat.

Rein fahrerisch ist man mit Biela und Pirro sehr gut besetzt, Christian Abt wird da über die Saison eher zum Störfaktor werden. Biela wird im Audi-Team wohl die Nr. 1 sein, da er von den Dreien wohl am ehesten die Fähigkeit mitbringt, sich auf die besonderen Ansprüche des Fronttrieblers an einen Fahrer einzustellen. Trotzdem wäre es für Motor-Kritik eine Überraschung, wenn es Biela gelingen sollte, mal unter die ersten sechs zu fahren.

Für Audi ist es das letzte Jahr im Tourenwagensport. Mit diesem Fabrikat ist in der Saison 1999 nicht mehr zu rechnen. Darum ist - unter den genannten Umständen - der Einsatz des Audi-Teams schon eine besondere Leistung. - Allerdings hätte man den Einsatz schon optimaler gestalten können. Auch wenn die Fahrzeuge keine idealen Voraussetzungen bieten. - Na ja, man muß die Audi-Entscheidung akzeptieren. Aber eigentlich gibt man Geld für Nichts aus.

BMW geht gleich mit vier Fahrzeugen an den Start. Aber - offiziell - werden diese Fahrzeuge nicht werksseitig eingesetzt. Und die Erfolge dann auch nicht in der Markenwertung ihren Niederschlag finden. Diese Entscheidung des Werkes ist ein wenig unverständlich, denn die Kosten wären so und so die gleichen gewesen.

Keine Frage, daß die vom Schnitzer-Team eingesetzten Fahrzeuge mit Winkelhock und Cecotto denen zugerechnet werden müssen, die für vordere Plätze gut sind. Man wird auch Christian Menzel hinzurechnen müssen, während "Poldi" mehr zum Spaßmachen geeignet ist. Er ist - nicht nur in diesem Jahr - mehr der "Jägermeister", der die anderen vor sich her jagt. - Übrigens: als Sponsor für die Isert-Fahrzeuge wird wohl tatsächlich "Jägermeister" auftreten. Man verspricht sich wohl in Braunschweig im Hinblick auf kommende BMW-Taten... - Und da möchte man wohl rechtzeitig (natürlich für "kleines Geld"!) im richtigen Zug sitzen.

Alle vier BMWs werden mit Michelin-Reifen am Start sein. Und wenigstens zwei davon werden Top-Sätze bekommen. Obwohl ihnen die entsprechend den bisherigen Gepflogenheiten, nachdem nur in der Markenwertung konkurrierende Fahrzeuge von Michelin damit ausgestattet wurden, eigentlich gar nicht zustehen. Aber Michelin hat wohl mit BMW einen "Deal" gemacht (oder umgekehrt). So werden die WSC-BMWs in Le Mans dann auch auf Michelin-Reifen rollen. Und darum konnte BMW die vier Einsatzfahrzeuge auch nicht in zwei Einsatzgruppen splitten, die mit unterschiedlichen Reifenmarken... - Klar? - Denn eigentlich ist das was BMW hier macht ein Blödsinn. Man fährt mit Michelin einen Spezialreifen für Fronttriebler. Michelin wird sicherlich für BMW - die auch nur noch in dieser Saison in der STW unterwegs sein werden - nicht eine spezielle Reifenentwicklung betreiben können. Eigentlich hätte man zwei Fahrzeuge mit Reifen von Dunlop oder einer anderen Reifenmarke als Michelin bestücken müssen, um den Heckantrieb wieder zum Hecht im Karpfenteig der Fronttriebler zu machen.

Aber es ist wohl nicht so einfach, in allen Bereichen des Motorsports eine konsequent auf den Erfolg im jeweiligen Bereich abgestimmte Politik zu verfolgen und zu betreiben, wenn man gleichzeitig den Tourenwagensport (in allen wichtigen Gruppen und Ausrichtungen), den GT- und Sportwagensport und den Formel 1-Einsatz gleichermaßen erfolgreich betreiben will. Und dabei auch noch den Sport mit Diesel-Automobilen nicht aus dem Auge verlieren darf.

Auch bei kritischer Betrachtung und Einschätzung der Tourenwagen-Situation bei BMW kann man davon ausgehen, daß der gute alte 3er mit im Vorderfeld zu finden sein wird. Und sicherlich als Hecht im Karpfenteich auch die Sympathien der Zuschauer finden wird. Und das ist imagefördernd. - Einfach strukturierte Marktingleute gehen nämlich davon aus, daß man absolut gewinnen muß, wenn man durch den Motorsport das Image positiv beeinflussen will. - Das stimmt (zum Glück) nicht! - Siege - wie z.B. der von Mercedes in Jerez - und seine Vermarktung (!!) können z.B. einen Negativeffekt hervorrufen. - Aber BMW ist zum Glück nicht Mercedes. Da unterscheiden sich nicht nur die Automobile, sondern auch die Grundeinstellung zum Sport.

Nun zu Honda. Überall liest man zwar, daß insgesamt vier Honda in der STW zu finden sein werden, aber - leider - kann ich diesen Gedanken nicht folgen, da sie unrealistisch sind. Für mich wird es nur zwei Honda-Fahrzeuge 1998 in der STW geben: das von Gabriele Tarquini und das von Tom Kristensen. Und diese beiden Fahrzeuge werden mit vorne zu finden sein. Die STW-Honda waren schon 1997 besser als die herausgefahrenen Ergebnisse. Aber es genügt eben nicht, 20 Jahre Rennsport zu betreiben, sondern man muß mitwachsen mit dem Sport, mit den Veränderungen, man muß ein Stück des Sports sein. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Linder zeichnet mehr ein angepaßtes und ein scheinbar cleveres Verhalten aus. Politisch macht er manches richtig. Aber das ist für den Sport nicht gut. Und so ging es mit dem Linder-Team ab dem Zeitpunkt nicht mehr vorwärts, als man glaubte auf Armin Hahne (ja, ja, das ist mein Bruder) verzichten zu können. Der hatte für Drive gesorgt, für die jeweils richtige Abstimmung, hatte sich in die Eigenheiten des Fahrzeugs eingefühlt. Aber heute zählen Fahrer mehr, deren Qualitäten eher in ihrer Funktion als Geldbriefträger liegen.

Wenn man einmal diese Entwicklung im Motorsport auf das Management übertragen würde: dann würde nur noch der Vorstandsvorsitzender werden, der deutlich mehr als sein eigenes Gehalt jährlich in die Firma einbringt. Sonstige Qualifikationen? - Egal. - Ist das die Lösung von Problemen? - Wenn eine Firma nicht über das Budget verfügen kann, das notwendig ist, um erfolgreich Motorsport zu betreiben, dann sollte sie den Motorsport an den berühmten Nagel hängen. Und wenn einer Firma, die über die Mittel verfügt, das eigene Geld für die Umsetzung in sportliche Erfolge zu schade ist, dann hat diese Firma das Automobilgeschäft nicht begriffen und sollte nicht nur den Sport, sondern auch das Automobilgeschäft an den berühmten Nagel hängen. - Auch mit der Produktion von Hundefutter kann man Geld verdienen.

Honda baut hervorragende Automobile. Man schaue sich nur einmal den Verkaufserfolg in Amerika an. Vergleicht man die "Erfolge" von BMW und Mercedes (oder auch Audi) damit, weiß man die Position von Honda im Weltmarkt erst richtig einzuordnen. Und dann schaut man auf die "deutschen Honda-Erfolge" im Markt. - Und dann begreift man die Leistungen der Geschäftsführung der deutschen Honda-Niederlassung. Und wie im Markt, so im Motorsport. - Bisher.

Nun gibt es Druck. Und andere Leute haben das Kommando übernommen. Nun passen auch wieder STW-Honda und Fahrer zusammen. Aber es gibt in einer deutschen Meisterschaft keinen deutschen Fahrer. Obwohl es genug deutsche Fahrer gibt, die geeignet wären. - Also: bei Honda versteht die eine Fraktion nichts vom Sport, die andere Fraktion nichts vom Marketing.

Aber das wird die STW-Hondas nicht daran hindern, in 1998 mit vorne zu fahren. Ohne Linder. Denn die zwei überall genannten Fahrzeuge mit Marco Werner und Klaus Niedzwiedz wird es nicht geben. - Und wenn es sie geben würde: sie würden dann für die deutsche Honda-Geschäfsführung zum Beweis dafür, daß es an ihnen nicht gelegen hat. Insofern käme ein Linder-Einsatz der deutschen Honda-Geschäftsführung eigentlich gelegen. - Und Linder tut alles dafür, den Eindruck zu erwecken, sein Team wäre 1998 dabei. So hat er sogar schon an den Einsatzplätzen die Zimmer disponiert... - Aber der Wille allein genügt nicht.

Kommen wir zu Nissan: das Rosberg-Team wird mit zwei Primera auf aktuellen technischen Niveau unterwegs sein. Das war in 1997 anders. Die deutsche Nissan-Geschäftsführung hatte durch Verschieben von Entscheidungen den Termin verpaßt, dessen Einhalten notwendig war, wenn man in Deutschland in 1997 mit Material auf dem letzten technischen Stand fahren wollte. Wenn das Rosberg-Team 1997 nicht so gut aussah, so lag das weniger am Team, sondern mehr am Management des deutschen Nissan-Importeurs.

1998 wird alles besser. Da gibt es das richtige Material. Und da gibt es auch ein relativ gutes Team. Ich persönlich könnte mir zwar eine bessere Besetzung als Roland Asch vorstellen, aber der wird vom Publikum "immer gerne genommen". Aus dieser Sicht... - Aber der Top-Mann im Nissan-Team wird in 1998 Michael Krumm sein. Aber verglichen mit der Konkurrenz, hat man noch eine Menge aufzuholen. Da kann man von Siegen nur träumen. Und ganz vorne wird auch ein Michael Krumm nicht zu finden sein. Aber für Nissan ist 1998 ja nur ein Stück Weges nach 1999. - Und da sollte es dann besser aussehen.

Opel engagiert sich 1998 mit vier Fahrzeugen im STW-Cup und glaubt mit einer aerodynamischen Finesse das Ei des Kolumbus gefunden zu haben. Meine Vorhersage: man wird 1998 schlechter aussehen als allgemein erwartet. Das liegt im Team begründet, in der Unternehmenskultur jener Firma, der man das Team zurechnen muß. Ein Opel-Rennleiter existiert eigentlich nur auf dem Papier. Wer - wie ich - die Wege zur Entscheidungsfindung über den Winter verfolgt hat, weiß, daß es Volker Stryzek nicht leicht haben wird. Aber ihm wird das Ergebnis zugeschoben werden. Und darum wird er sich sputen müssen.

Aber welche Fahrer helfen ihm dabei? - Reuter? - Hélary? - Burgstaller? - Alzen? - Es ist einfach unglaublich, mit wieviel Aufwand man sich ein überwiegend ungeeignetes Fahrerteam zusammenkaufen kann. - Da ist die "Halbtagskraft" Alzen. Er ist Porsche-Werksfahrer und fährt "auch" Opel. Exakt so ist die Situation zu sehen. Und eigentlich interessiert Opel ihn (und seinen Manager!) nur zum Geldverdienen. Hat man sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, daß die Position eines Werksfahrers ja nicht nur das "Absitzen" in Rennen ist, sondern auch das Testen, das Entwickeln? - Das macht Alzen dann für den Frontantriebs-Opel und den Porsche Mittelmotor-GT 1. - Toll!

Und die Presse feiert ihn als den Alleskönner. Und er selbst sieht sich bestimmt auch so. Und das Ergebnis? - Betrachten wir es am Ende der Saison. Das für Opel. Und das für Porsche. - Und dann lesen Sie bitte noch einmal über diese Geschichte.

Und wer wird bei Opel dann durch besondere Leistungen auffallen? - Hélary. Aber insgesamt wird (kann!) das Opel-Team nicht die Leistungen bringen, die das Top-Management wohl von ihm erwartet. Weil das Management... - Schade um das Engagement einzelner Leute.

Damit sind wir beim letzten Buchstaben in der STW: bei Peugeot. - Die Letzten werden die Ersten sein. Bei Peugeot stimmt auch einfach alles. Man braucht nicht vier Fahrzeuge, es genügen zwei. Und der Motor stimmt. Und das Fahrwerk stimmt. Und die Reifen passen dazu. Und die Fahrer... und die Ingenieure... und die Monteure: Wer will Peugeot 1998 schlagen?

Wird die Serie dadurch eintönig? - Bestimmt nicht. Sie wird auch nicht unter einem Serien-Sieger leiden. Und die Saison 1999 kommt bestimmt. Und damit auch neue Konkurrenten. Da wäre z.B. Lexus. Und da wäre... - Aber warten wir zunächst einmal das Ergebnis von 1998 ab.

Da wollen - lt. Vorankündigung - in 1998 noch ein paar Privatfahrer mitmischen. Manche, die genannt sind, wissen gar nichts davon. Wie z.B. Georg Severich. Andere möchten zwar gerne... - Aber Peter Mamerow scheint tatsächlich mit insgesamt zwei Audi quattro an den Start gehen zu wollen. Damit 20 Fahrzeuge am Start sind? -

Wenn man einmal beobachtet hat, wie an einem Quattro das Getriebe ausgebaut wird, weiß man, daß Mamerow keine Chance haben wird, irgendwo vorne - unter die ersten Sechs - zu fahren. Und das Getriebe, übrigens eine Eigenentwicklung von Audi, ist nur ein Teil des Fahrzeugs. Dieses Getriebe ist nicht nur mechanisch mit dem “Rest³ des Automobils verbunden, sondern auch mit Hydraulik- und Elektronik-Leitungen. Was man z.B. beachten muß, wenn man die Möglichkeiten beim Abbremsen des Quattro voll ausschöpfen will, würde wahrscheinlich ein ganzes Handbuch füllen. Wenn es jemand aufschreiben würde. Und wer soll Mamerow all diese - wirklich notwendigen - Feinheiten zum optimalen Einsatz eines Audi quattro vermitteln?

Wer mich kennt weiß, daß ich kein Gegner des Motorsport bin. Aber darum bin ich auch gegen jede Art von Schönrederei. Darum mag man meine Einschätzung der STW-Meisterschaft 1998 auch negativ finden, aber sie ist realistisch. Ich schreibe sie vor Beginn der Saison nieder. Am Ende der Saison sprechen wir uns wieder.

Es wird eine schöne und spannende Saison. Einer, Peugeot, wird sie gewinnen. Alfa, BMW und Honda werden um die Plätze auf dem Treppchen kämpfen. Und das Glück wird vielleicht auch mal eine andere Marke gut aussehen lassen. - Schließlich hat auch Mercedes seinen dritten F 1-Sieg 1997 in Jerez erringen können.

Und so wie Herr Schrempp damit zufrieden war, werden sicherlich auch 1998 einige andere zufrieden sein. Was aber nichts an der grundsätzlichen Situation ändert.

MK/Wilhelm Hahne