Wolfgang Inhester und seine Art von "Familien-Zusammenführung"

Geschichten beginnen oft sehr einfach: Man sieht etwas, hinterfragt es und - ist einfach baff. Wie auch in folgendem Falle, als der Ausgangspunkt für ein paar Überlegungen eine Mercedes-Broschüre war, die mir aus Anlaß des Genfer Salons zugeschickt wurde. Die erste Zusendung seit vielen Wochen. Und auch das hatte einen Grund. Besser: Hintergrund. - Aber lassen wir den ruhig ruhen. Blicken wir etwas weiter zurück... - Also Verona kommt in der Geschichte vor. Und der Mercedes CLK. Und Wolfgang Inhester. Und eine Reihe von Redakteuren, die wir einmal hier wie anonyme Alkoholiker behandeln wollen. - Damit man nicht mit dem Finger auf sie zeigt.

Mercedes tut etwas - für den schlechten Ruf der Motor-Journalisten

98-02-27/01. Der Chronist erinnert sich noch sehr gut einer Opel-Veranstaltung. - Sie haben recht, das muß lange her sein. Wir waren angereist, hatten gegessen, getrunken und getestet und unsere Gruppe kam dann in der Hotelhalle zusammen, um mit Bus, Flugzeug und eigenem Fahrzeug wieder ins eigene Bett zu kommen.

In der Hotelhalle stand einer aus unserer Gruppe, mit uns angereist, aber nun ohne Koffer und Reisetasche. Er stand dort in Tenniskleidung, hatte einen Tennisschläger in der Hand und nichts besseres zu tun, als uns mitzuteilen, daß er "noch ein wenig dableiben" würde. Und zunächst würde er nun mal zum Tennisspielen gehen.

Vielleicht hat er den einen oder anderen Kollegen neidisch gemacht. Ich habe innerlich gelächelt. Ob soviel Dummheit.

Mir ist diese Geschichte jetzt wieder eingefallen, als ich auf eine andere Geschichte stieß... - Aber lassen Sie mich mit dem Anfang beginnen:

Da erhalte ich mit der Post von Mercedes-Benz ein paar Informationen zur Ausstellung in Genf. Darunter ist ein Broschüre, herausgegeben - so ist auf der Rückseite zu lesen - von der "Daimler-Benz AG, Corporate Communications, 70546 Stuttgart".

Auf der ersten Innenseite sagt dann die "Presse Pkw Mercedes-Benz" ein herzliches "Willkommen in Genf" und erklärt dann auf insgesamt 40 Seiten, wie man zum Genfer Salon kommt, bietet einen Übersichtsplan, sagt etwas über das eigene Modellangebot, gibt einen Rückblick auf 50 Jahre Salon-Geschichte, gibt Tips für Stadtbummel und eine "Land-Partie".

Bei Mercedes geht man wohl davon aus, daß, wenn man nun einmal in Genf ist... - Und ich denke dabei darüber nach, daß ich wohl bisher immer etwas falsch gemacht habe. War ich in Genf, habe ich die Ausstellungshallen und mein Hotel erlebt. Stadtbummel? - Land-Partie? - Eigentlich eine gute Idee... -

Und ich blättere in der Broschüre. Also: Wenn die von der Ausstellungsleitung gemacht worden wäre... - Alles toll gemacht. Aber: Was soll das?

Und ich spreche mit Kollegen, sammle die unterschiedlichsten Argumente und stoße dabei darauf, daß es aus der Sicht von Mercedes wohl immer mindestens zwei Gruppen von Motor-Journalisten gab und gibt: die einen, die von Mercedes für bedeutend gehalten und entsprechend behandelt wurden (wie Günzler und Boenisch) und die anderen, die von Mercedes gelitten wurden und - natürlich auch entsprechend behandelt wurden (wie Sie und Sie). - Ach ja, und dann gibt es wohl noch eine dritte Gruppe: daß sind die, die "das Leben nicht begriffen haben" (solche wie den Chronisten).

Wie sagte mir doch vor Jahren eine junge Dame der Mercedes-Presseabteilung, nachdem ich eine Reisekostenabrechnung abgelehnt hatte: "Aber das macht doch jeder." - Und nach einer kurzen Pause: "Eines Tages lernen Sie das auch noch".

Und nun erzählt mir z.B. einer meiner Kollegen, den ich nach dem Grund frage, der Veranlassung sein könnte, als Daimler-Benz eine solche Broschüre herauszugeben: "Da wollte man vielleicht einem netten Kollegen ein Zubrot zukommen lassen. Wäre die Broschüre nicht gemacht worden, hätte der nichts zu schreiben gehabt, keine Honorar bekommen... - Verstehen Sie?"

Ein anderer Kollege erklärt: "Es kann doch sein, daß Mercedes ein paar Kollegen für ein paar Tage länger nach Genf eingeladen hat. Und dann brauchen die doch Angaben über die schönsten Restaurants, brauchen eine Karte mit dem Hinterland, Angaben über die Weinberge usw. - Vielleicht können die dann bei dieser Gelegenheit gleich das neue CLK-Cabrio ausprobieren."

Sollte also etwa diese Broschüre für alle Motor-Journalisten nur gemacht worden sein, damit wenige... - Gibt´s denn dafür Beispiele? - Und ich telefoniere noch ein wenig. Und stoße auf die CLK-Präsentation im letzten Jahr in Verona.

Nein, ich war nicht eingeladen. Andere waren zu den Testfahrten eingeladen. Und die Créme de la Créme, so erfahre ich jetzt, war sogar von Herrn Inhester in persönlichen Gesprächen eingeladen, mit Familie (!) doch noch ein paar Tage (wie ich hörte waren es fünf) anzuhängen, vielleicht einen Eindruck von der "Mille Miglia" zu bekommen, die Gegend um Verona mit einem ihnen natürlich zur Verfügung stehenden Mercedes (natürlich einem CLK) zu erkunden.

Es gibt eben auch noch "förderungswürdige" Journalisten. Und da deren Familien unter dem unsteten Leben eines Journalisten mit zu leiden haben... - Das war doch geradezu eine gute Tat des Herrn Inhester. Die besondere Art einer "Familienzusammenführung".

Es ist natürlich im Nachhinein sehr schwer festzustellen, wer denn nun alles zu den Günstlingen des Herrn Inhester gehörte. Also: ich habe ein paar zusammenbekommen. Aus einer bestimmten Redaktion waren es gleich mehrere, die von dem "Sonderangebot" der Firma Mercedes Gebrauch machten.

Aber soll man diesen jungen Leuten böse sein? Sie sind schon vom Kindergarten her gewohnt, daß man gesponsort wird. Bei Kindergartenfesten zum Beispiel. Sie erfahren aktuell, wie der Verlag mit der Industrie "kooperiert". Sie wissen, daß man z.B. nur in eine Nobel-Disco kommt, wenn man den Türsteher nicht nur gut kennt, sondern ihm auch schon mal "´nen Gefallen tut". (Er bekommt schon mal einen schönen Testwagen.) -

"Wir leben halt in so einer Zeit", sagte mir vor Monaten fast resignierend ein "alter Fahrensmann" der Branche. - Was soll man da noch von dem "Nachwuchs" erwarten?

Und jetzt müßte man eigentlich einmal feststellen, was diese Redakteure im Fall der Fälle von A-Klasse und Smart geschrieben haben.

Wie ich ebenfalls erfahren konnte, haben aber z.B. zwei Redakteure einer großen deutschen Tageszeitung das Mercedes-Angebot dankend abgelehnt. - Hinter dieser Zeitung stecken eben auch kluge Köpfe.

Womit aber nicht bewiesen ist, daß nun Mercedes auch in Genf... - Natürlich wird man Journalisten die Anreise und den Aufenthalt an den Pressetagen... - Wie andere Firmen auch. - Aber vielleicht machen wirklich noch einige wenige eine Land-Partie.

Nach der Geschichte von Verona halte ich das nicht mehr für ausgeschlossen. Und es entspricht ja wohl auch ganz der Art eines Herrn Inhester, sich - und dem Hause Daimler-Benz - einen Teil, den möglichst "meinungsbildenden" Teil der Presse, sich auf nette Art "gefügig zu machen".

Denn wie im Falle der A-Klasse: man braucht schon manchmal "Freunde". Womit man aber der Branche keinen Gefallen tut. Weil es den Ruf dieser Branche weiter ruiniert. - Aber was interessiert das einen Herrn Inhester?

Ist der Ruf erst ruiniert... - Aber es ist nicht nur der Ruf eines Herrn Inhester, es ist auch der des Hauses Daimler-Benz. - Das gibt ein "unangenehm´s G´schmäckle"!

MK/Wilhelm Hahne