Wenn bei Daimler-Benz die Rechte nicht weiß, was die Linke tut...

...dann kommt es zu Situationen, die den Eindruck erwecken, als wäre man in Stuttgart davon überzeugt, daß alle Leute - außer Daimler-Mitarbeiter - ein wenig einfältig und dumm sind. Und es gibt Daimler-Mitarbeiter, die glauben, sie wirken dann besonders glaubhaft, wenn sie besonders laut sprechen, sich eindrucksvoll empören. So wie man das auch aus den Volkstheatern, Bauernbühnen oder z.B. dem Fernsehen, beim Komödienstadl, kennt. Norbert Haug, der Mercedes-Rennleiter, ist ein besonders eindrucksvoller Volksschauspieler, der auch in folgender Geschichte seine Rolle sehr eindrucksvoll gespielt hat.

Mercedes-Benz CLK-GTR "LB - RA 100" antwortet nicht

98-02-27/02. Die Vorgeschichte ist eigentlich kurz. Da will Mercedes-Benz einen Wettbewerbs-GT bauen, dessen Homologation durch die Sportbehörden aber voraussetzt, daß zumindest ein Exemplar, mit einer Straßenzulassung versehen, vorhanden ist.

Mercedes-Benz baut den Wettbewerbs-GT, den CLK-GTR, ist damit in 1997 sehr erfolgreich und schafft es gerade noch vor Ablauf der letzten Frist, die notwendige Straßenversion abnehmen zu lassen. Ein teurer Spaß übrigens.

Schon lange vorher wird verbreitet, daß die Nachfrage nach einem solchen Straßenmodell sehr groß ist, daß man aber nur eine kleine und begrenzte Stückzahl des Fahrzeugs fertigen will. - Preis? - Spielt keine Rolle. Beziehungsweise: er darf für die keine Rolle spielen, die ein solches Fahrzeug bestellen wollen. Und das sieht wirklich gut aus. Daimler-Benz verbreitet ein Foto dieser Straßenversion, die das polizeiliche Kennzeichen LB - RA 100 trägt.

Und dann hört man zwischendurch mal immer wieder, wie man sich um dieses Auto reißt. Aber es würden - wirklich - nur maximal 25 Stück gebaut. Ein exklusives Auto. Und es gibt Leute die vermuten, da wäre eine Wertsteigerung automatisch garantiert.

Vielleicht sind es auch solche Leute, die dann den Wagen bestellt haben.

Aber dann taucht plötzlich in der Branche die Information auf, der Mercedes CLK-GTR in seiner Straßenversion würde nicht gebaut. Eine nicht unbekannte Fachzeitschrift aus dem Stuttgarter Raum hört davon und geht der Sache nach.

Tatsächlich wird der Fachredaktion bestätigt - und zwar von der Presseabteilung des Stuttgarter Herstellers - daß dem so sei. Grund unbekannt. Tut auch unter diesen Umständen nichts zur Sache. - Und wer denkt an die 25 Käufer?

Das tut offensichtlich Norbert Haug, der Mercedes-Rennleiter im King Size-Format. Der ruft, nachdem "mot" vom Nichtbau berichtet an, sehr aufgebracht in der Redaktion an. Was das solle? - Man solle sich doch zunächst einmal informieren, bevor man... - Und Norbert Haug ist aufgebracht und spricht "ohne Schalldämpfer".

Bei "mot" macht man darauf aufmerksam, daß man immerhin in der Mercedes-Presseabteilung... und dort habe der Herr... - Papperlapapp! - Wer ist das schon? - Man hätte ihn, Norbert Haug fragen müssen und er, Norbert Haug sagt: der CLK-GTR in seiner Straßenversion wird gebaut. Maximal 25 Stück. Und er rechne mit einer Richtigstellung im nächsten Heft.

Und die ist nun auch in "mot" zu lesen. In Heft Nr. 5, Seite 14, ist unter "Kurz notiert" die Haug´sche Fassung zu lesen:

"Mercedes baut nun doch eine Straßenversion des CLK-GTR: Trotz hoher Nachfrage sind jedoch nur maximal 25 Einheiten geplant. Alle Homologationen - auch Crashtests - sind mittlerweile absolviert."

Doch in der gleichen Woche, in der die aktuelle Ausgabe von "mot" erschien, ist folgendes passiert:

Da ruft ein Beauftragter der Daimler-Benz AG einen der Käufer, Besteller, eines Mercedes CLK-GTR in der Straßenversion an. Er habe eine betrübliche Information für ihn. Eine Nachkalkulation habe ergeben, daß man das Fahrzeug zum vereinbarten Preis von 1,82 Millionen DM (sie haben richtig gelesen: 1.820.000,-- Deutsche Mark) leider nicht liefern könne. Und Daimler-Benz möchte nun wissen, ob er denn auch mit dem neu festgesetzten Preis von 2,65 Mio DM (Deutsche Mark Zwei Millionen Sechshundertfünfzigtausend) einverstanden wäre? - Und man müsse das in Stuttgart nun wissen, damit man sich entscheiden könne, ob man den Wagen überhaupt baue.

Nachtigall, ich hör dir trapsen! - Unser Käufer, eigentlich nicht arm zu nennen, will sich bei einer solchen Preiserhöhung, immerhin um die Kleinigkeit von 830.000 DM (das ist mehr als ein neuer Ferrari F 50 kostet!) die Sache doch überlegen. Und er fragt so nebenbei, ob denn jetzt alle Kunden angerufen würden. - Ja, natürlich.

Und so zwischendurch fragt unser Kunde dann auch noch, wieviele Kunden denn unser Daimler-Mitarbeiter heute anrufen müsse. Immerhin, es sind acht.

Logischerweise würde Motor-Kritik das alles so interpretieren: Natürlich wollte Mercedes die Straßenversion bauen. Aber es kamen nicht so viele Aufträge wie man geglaubt hatte. Und dann ist die Fertigung dieses Kohlefaser-Autos gar nicht so schnell durchzuführen. Und die notwendigen Crashtests waren aufwendiger und teurer als man gedacht hatte. Und die Produkthaftung... -

Und so hat man dann das Fahrzeug so neu kalkuliert, daß es auch den Gewinnanforderungen eines Herrn Schrempp entspricht und preislich so gestaltet, daß es möglichst kein Kunde mehr will. Und dann... - ja, und dann kann man Mercedes nicht mehr vorwerfen, man habe das Auto nicht bauen wollen.

Dumm nur für Norbert Haug. - Soll der jetzt wirklich mit einem einfachen Mercedes als Dienstwagen fahren?

Und... - darf jetzt umgekehrt der Chefredakteur von "mot" den Herrn Schrempp anschreien? - Oder wer ist zuständig? - Fest steht jedenfalls: es gibt bei Daimler-Benz keine Personalprobleme. Vielleicht haperts ein wenig bei der internen Abstimmung. Aber sonst... - LB - RA 100 antwortet nicht mehr.

Und nun warte ich auf den Anruf von Norbert Haug. - Hallo Norbert! - Wähle Null-Zwo-Sechs-Fünf-Sechs-Fünf-Fünf-Fünf.

MK/Wilhelm Hahne