Motor-Kritik-Recherchen zum Mercedes-Mittelmotorprojekt

Zugegeben: Auto-Zeitung war schneller und "Exklusiv", wie man dem Titel der neuesten Ausgabe (Nr. 5/98) entnehmen kann. Und es gibt sogar ein sehr wichtiges "Gruppenbild" von Bernd Rauh (von wem sonst?) zur "Silberpfeil für die Straße"-Geschichte. Aber was dort steht, weicht doch stark vom Ergebnis der Motor-Kritik-Recherchen ab. Aber bitte, vergleichen Sie selbst.

Ein richtiger Mercedes-Mittelmotorsportwagen für 200.000 DM

98-02-27/04. Warum sollte man einen Jürgen Hubbert nach so einem Projekt fragen? Der kann doch noch nicht einmal etwas zum Le Mans-Einsatz sagen. Obwohl... (s.u. Motorsport)

Also hat er dem lieben Herrn Kacher (und damit der Auto-Zeitung) auch mit vielen Worten nichts zum neuen Mittelmotor-Projekt gesagt. Und Kacher "kolportiert" Stilelemente, von denen er "hinter vorgehaltener Hand" gehört hat: "hintere seitliche Lufteinlaßöffnungen" z.B. - Bingo! - Was denn auch sonst? - Räder mit Zentralverschluß? - Wetten, das nicht? - Eine besonders schöne Information ist: "markante Radhäuser mit Rädern im Formel 1-Look".

Aber nun folgen die Motor-Kritik-Informationen. Und Sie dürfen die dann später einmal - wenn das Projekt offiziell wird - mit den Angaben in Auto-Zeitung vergleichen.

Was dieses Mercedes-Mittelmotorprojekt so interessant macht, ist eigentlich nicht das Projekt an sich, sondern die Art der Zusammenarbeit, in der es entsteht. So ist ein Zwölfzylindermotor - entgegen der Darstellung in Auto-Zeitung - gar nicht erst angedacht. Das Fahrzeug wird nur mit einem Achtzylindermotor lieferbar werden. Und - anders als Jürgen Hubbert - kann man von Motor-Kritik hören: Es wird gebaut werden.

Das Fahrzeug wird einen neuen Achtzylindermotor erhalten. Und jetzt kommt es: dieser neue Motor wird bis zu einer gewissen Phase gemeinsam mit Ferrari entwickelt werden. Es ist angedacht, daß Ferrari- und Mercedes-Achtzylinder in Block und Kopf zumindest die gleichen Gußteile aufweisen. Im Inneren werden sie sich schon unterscheiden.

Scheint bei der Motorenentwicklung Mercedes dominant, ist Ferrari bei der Getriebeentwicklung federführend. Die Mercedes-Techniker sind von der von Ferrari gefundenen Lösung im 355 F 1 überzeugt und möchten sie gerne für den Mercdes-Sportwagen übernehmen.

Die Basis des neuen Mercedes wird aber nicht etwa ein "Monocoque in Verbundbauweise" sein, wie es in Auto-Zeitung beschrieben ist, sondern die Plattform des kommenden C-Klasse-Modells wird die Basis bilden. Man muß sie nur richtig herum drehen. Darum ist es auch kein Wunder, wenn der Mercedes-Projektleiter für die neue C-Klasse bei allen Kontakten zu Ferrari in Erscheinung tritt.

Nach Motor-Kritik-Informationen wird er im April mal wieder mit einer Delegation von Mercedes-Technikern zu einem Gedankenaustausch in Modena einfallen. Dabei hat er es sonst gar nicht so weit. Denn die Kontaktstelle zwischen Mercedes und Ferrari befindet sich im süddeutschen Raum. Nur ist das bis jetzt noch niemandem aufgefallen.

Wie es scheint, wird es zwischen Mercedes und Ferrari in Sachen Motor auch zu Hubraum- bzw. Leistungsabsprachen kommen. Eigentlich steht aber - so wie ich in Erfahrung bringen konnte - heute schon fest, daß der neue Mittelmotor-Mercedes in der Preisklasse von um 200.000 DM angesiedelt sein wird.

Ferrari geht es bei der Zusammenarbeit mit Mercedes darum, die Kosten deutlich zu senken. Nachdem man auch für Maserati verantwortlich ist, ist man nicht nur dabei, die Programmpaletten der Firmen aufeinander abzustimmen, sondern auch die Fertigungskosten zu senken. Ferrari möchte auch mit relativ kleinen Stückzahlen (max. 4.000 Stück pro Jahr) konkurrenzfähig sein, während man bei Maserati um 6.000 Stück pro Jahr anpeilt. Von dieser Firma sollen dann auch die sportlichen Limousinen kommen, die z.B. eine Konkurrenz zum M 5 darstellen sollen.

Aber das braucht alles noch etwas Zeit. Viel Zeit hat Ferrari aber nicht mehr beim neuen Achtzylindermotor. Denn der nächste 355 (der dann aber anders heißen wird) kommt bestimmt. Und wenn ich Geld hätte, würde ich mir jetzt noch schnell einen 355 F 1 kaufen. Einen von den "echten".

Wobei mir einfällt, daß hier eigentlich der Platz wäre, noch schnell etwas zur "Top-Sportwagen im Vergleich"-Geschichte in Heft 3/98 in "ams" zu sagen. Ich habe so manches darin nicht verstanden. Warum der Porsche das bessere Fahrwerk hat, wenn er Kurven langsamer umrundet, im übrigen mehr oder oder weniger deutlich untersteuert, während der Ferrari... -

Man merkt, daß Leute der "ams"-Testabteilung von Porsche kommen und die dort umgesetzte Fahrwerk-Philosophie so verinnerlicht haben... - Man sollte sie auch nicht ändern. - Die Leute.

Aber wenn der Schreiber der Geschichte, der bei "ams" ja nicht unbedingt der "Tester" ist, dem Ferrari F 1-Getriebe bei normaler Nutzung Nachteile anlastet, dann hat er die Bedienungsanleitung nicht gelesen.

Gut, es gibt Nachteile (wieso eigentlich?) beim Rangieren. - Wozu kauft man sich eigentlich einen Ferrari? Aber im normalen Straßenverkehr... -

Da schreibt der Kollege Leyrer z.B. warum er das Ferrari-Getriebe "verflucht" hat: "...weil das Getriebe beim Stehen vor einer roten Ampel automatisch auf Leerlauf schaltet und der erste Gang erst wieder aktiviert werden muß...". Da Leyrer auch nur "von einem hart abgestimmten Fahrwerk" beim Ferrari spricht, hat er wahrscheinlich einen kleinen Schalter auf der Konsole des 355 übersehen. Dort kann man zwischen "Sport" und "Komfort" wählen, was dann nicht nur die Fahrwerkabstimmung "weicher" werden läßt, sondern auch die Schaltzeiten des Getriebes von 0,15 sec auf 0,25 sec verlängert. Vielleicht nicken dann auch seine Passagiere nicht mehr mit den Köpfen.

Und wenn man an eine rote Ampel kommt, läßt man als geübter Fahrer eines 355 F 1 den Fuß auf der Bremse. Und - oh Wunder! - der erste Gang bleibt eingelegt. Und selbst wenn man im 6. Gang ankommt, braucht man sich um das Getriebe nicht zu kümmern: es legt sich immer automatisch der 1. Gang ein. Und er bleibt drin, solange man den Fuß auf der Bremse läßt. Nimmt man ihn weg, ertönt nach so um 3 - 4 sec ein akustisches Zeichen, das darauf aufmerksam macht, daß nun der Leerlauf eingelegt wird. Und dann muß man tatsächlich den ersten Gang manuell wieder einlegen.

Die Mercedes-Ingenieure haben das übrigens alle begriffen. Darum ist man in Stuttgart-Untertürkheim auch von diesem F 1-Getriebe des Ferrari so begeistert. Und - lieber Herr Leyrer - wenn Sie jetzt noch einmal punkten müßten... -

Sei es, wie es sei: ein Ferrari-Fan wird sich immer einen Ferrari kaufen. Ein Porsche-Fan nicht unbedingt mehr den 996. Dafür erreicht der jetzt andere Käuferschichten, die niemals einen 993 gekauft hätten. Und der neue Mercedes-Mittelmotorsportwagen?

Ferrari empfindet ihn wohl nicht als direkte Konkurrenz. Obwohl man sich dann im gleichen Preisgefüge bewegen wird. Der Grund? - Ferrari wird niemals A-Klasse und Smart bauen und niemals mit seinen Fahrzeugen den Stallgeruch eines Großserien-Herstellers in die Garage seiner Besitzer tragen. Während Mercedes davon träumt, einmal so viel Automobile zu verkaufen wie Opel. - That´s the difference!

MK/Wilhelm Hahne