In diesen Tagen erscheint die Nennliste für den Langstreckenklassiker Le Mans

Ohne Prophet zu sein, kann man im Hinblick auf das diesjährige Rennen in Le Mans vorhersagen, daß es in der Vergangenheit kaum ein Rennen in Le Mans gegeben hat, bei dem sich der Sieger so schwer vorhersagen ließ. - Aber das Interesse der Öffentlichkeit konzentriert sich in diesem Moment auf die Frage: Kämpft Mercedes mit um den Gesamtsieg? - Und: Wie gut wird der neue Porsche GT 1 sein? - Motor-Kritik wird versuchen, nachstehend ein paar Anhaltspunkte zu bieten.

Der Kampf der Giganten

98-02-27/08. Ein Blick in den Kalender zeigt: es war am Dienstag, den 24. Februar. Ort der Handlung: Weissach. Interessant wurde es dann, als die Strecke gesäubert wurde. Und dann kontrollierte der Werksschutz. Und ein Hubschrauber kontrollierte von oben. Und die Polizei kümmerte sich auch darum, daß keine Strauchdiebe am Streckenrand herumlungerten.

Und dann rollte der neue Porsche GT 2 über die Strecke. Und dann fuhr man Vergleichszeiten mit dem alten GT 1. Und dann, die Uhr zeigte inzwischen kurz vor 17 Uhr, dann rollte der neue GT 1 um den Kurs.

Und ganz ehrlich: Ich war in diesem Moment sehr erleichtert. Schon auf den ersten Blick war zu erkennen, daß die Porsche-Ingenieure nun alles das richtig gemacht haben, was sie vorher - beim alten GT 1 - falsch machten.

Der "Neue" wirkt zierlich und schlank, wie ein richtiger Rennwagen. Was stört, sind die etwas zu großen und "traurigen" Augen, die der 98er GT 1 vom 996 übernommen hat. Das ist dann auch die einzige stilistische Ähnlichkeit. Man hätte darauf auch verzichten sollen. Denn selbst bei Kindern gleicher Eltern gibt es solche, die nicht den anderen ähneln, sondern nur durch ihre Art, ihre Einstellung zu den Problemen des Lebens deutlich machen, daß sie zur gleichen Familie gehören.

Aber zu einem Mercedes gehört nach Auffassung der Marketingstrategen nun mal ein Mercedes-Kühlergrill. Und dann darf zu einem Porsche auch ein Porsche-Scheinwerfer gehören. Obwohl dieser Scheinwerfer erst gerade zur Familie gehört.

Woran erkennt man denn einen der bewährten Mercedes-Mitarbeiter? - Nicht an seinem "Grill", sondern an seiner Arroganz. - Und einen Porsche-Mitarbeiter? - An seiner "Autoverrückheit", seiner Einstellung zum Automobil.

Soviel zum Thema "Familienähnlichkeit". - Zurück zum neuen Porsche GT 1:

Da der Porsche ganz flach daherkommt, wirken seine Radhäuser umso größer, werden als deutliche Erhebungen wahrgenommen. Und zwischen diesen mächtigen Radhäusern ruht ganz zierlich etwas, was man geradezu als Kuppel bezeichnen könnte: das eigentliche Cockpit.

Das hintere Radhaus läßt an seiner höchsten Stelle eine "Kreuzung", eine Abzweigung zu einer Geraden erkennen, die praktisch zu einem kleinen, schrägen Flügelansatz wird, der direkt den großen Heckflügel anströmt.

Und so wie sich der Heckabschluß darstellt, darf mit einer Menge Groundeffekt gerechnet werden. Wie aus gut informierter Quelle zu erfahren, hat Porsche bei diesem Modell eine neue Art von aerodynamischen Messungen angewendet, die man sich - man glaubt es kaum - sogar patentrechtlich schützen lassen will.

Aerodynamisch wirkt der "Neue" gegenüber dem "Alten" auch akustisch anders. Während der "Alte" eine Bugwelle von Wind vor sich herzuschieben scheint, zerteilt der "Neue" die "Windwand" wie mit einem scharfen Messer. Er ist einfach leiser.

Übrigens auch vom reinen Motorgeräusch her. Das rührt vielleicht von einer neuen Art der verwendeten Turbolader her, die lufteinlaßseitig nun aus Kohlefaser bestehen. Und das nicht nur aus Gewichtsgründen.

Der neue GT 1 war hier mit Michelin-Reifen unterwegs, die auch in der laufenden Saison vom Werksteam verwendet werden, während das Team von Peter Zakowski mit Pirelli unterwegs ein wird. Eine gute, intelligente Lösung, die man bei manch anderem "Werksteam" vermißt.

Der Lufteinlaß beim "Neuen" befindet sich nach wie vor auf dem Dach, wirkt aber gegenüber der alten Version größer und mächtiger.

Und während Genf gerade anläuft, wird der neue Porsche einem ersten wirklichen Test unterzogen (das andere war nur eine Funktionsprüfung). Ab da läuft dann das Testprogramm auf vollen Touren.

Aber zu dem Zeitpunkt, wo der neue Porsche GT 1 erstmals ausrückt, da ist der andere, aus deutscher Sicht interessante, Le Mans-Kandidat schon vom ersten Test zurück. Mercedes-Benz wird - auch wenn es der Vorstand nicht wissen will - in Le Mans mit drei Fahrzeugen am Start sein. Die Fahrzeuge unterscheiden sich ebenfalls deutlich von der bisher bekannten Version. Schließlich haben alle inzwischen einen Blick auf den Toyota werfen können, der vom Ansatz her sicherlich der extremste GT 1 in Le Mans sein wird.

Der neue Mercedes war beim ersten Test in Spanien (Jarama, mit Bernd Schneider) nicht mit dem bekannten Zwölfzylindermotor ausgestattet, sondern wurde von einem wesentlich leichteren V8-Motor befeuert. Einmal gibt es da die in Amerika verwendete Version (Indy-Car), aber man hat ja auch noch die "damals" von Sauber verwendete (und bewährte) V8-Version im Regal.

Natürlich ist die neue Version nicht nur (für Le Mans) aerodynamisch abgestimmt, sondern auch leichter als der bisher bekannte CLK-GTR.

Es würde Mercedes schon Spaß bereiten, mit einem GT 1 den BMW WSC auf die Plätze zu verweisen. Porsche nimmt man wohl weniger ernst. - Was ein Fehler wäre.

Aber zunächst muß sich der Mercedes-Vorstand einmal entscheiden, offiziell JA zu sagen zum Le Mans-Einsatz. Wir werden dieses JA wahrscheinlich dann in Genf hören. Denn ab 4. März wird durch den Veranstalter verkündet werden, wer für Le Mans gemeldet hat. Und Meldeschluß war schon am 15. Februar.

Aber vielleicht geht man bei Mercedes davon aus, daß das keiner weiß. Und darum sind die ausweichenden Antworten von Norbert Haug und Jürgen Hubbert in den letzten 14 Tagen auch so besonders glaubwürdig.

Aber so sind sie nun mal, unsere Manager. Und wir wollen sie glauben lassen, daß wir so sind, wie sie uns sehen.

MK/Wilhelm Hahne