Vor dem Saisonstart zur Deutschen Supertourenwagen-Meisterschaft (STW) am 19. April

Warum sind die Fronttriebler so überlegen? - Warum dominieren in England andere Fabrikate als in Deutschland? - Gibt es für 1998 Favoriten? - Warum ist BMW gegenüber den Fronttrieblern benachteiligt? - Diese Fragen - und andere - beantwortet die nachfolgende Geschichte. Sie gibt die Meinung von Motor-KRITIK wieder. Und die muß leider in einigen Punkten unangenehm sein, weil sie Punkte berührt, über die man in der STW-Szene nicht gerne spricht. Nach dem Motto: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus? - Dabei wäre es gut, wenn beim Auftaktrennen in Hockenheim schon das passieren würde, was in der Presseerklärung des ADAC vom 8. April als Titel niedergeschrieben wurde, aber sicherlich so - wie von Motor-KRITIK gewünscht - nicht gemeint ist:

"In Hockenheim schlägt die Stunde der Wahrheit"

98-04-16/02. Natürlich hat sich Motor-KRITIK umgehört, mit Teams, mit Fahrern gesprochen, an Testtagen vor dem ersten Rennen sich selbst ein Bild gemacht. Und es sind z.T. eigenartige Eindrücke entstanden. Aber beginnen wir einmal mit dem Starterfeld.

In Hockenheim kann man bei der Abnahme mit 22 - 23 Fahrzeugen rechnen. Das ist ausreichend. Auch von der Markenvielfalt her. Immerhin werden sieben Fabrikate gegeneinander antreten. Sechs Fabrikaten mit Frontantrieb steht leider nur ein Fabrikat mit Heckantrieb gegenüber. Und das ist auch noch durch ein Mehrgewicht zusätzlich benachteiligt. - Zusätzlich?

Beim BMW ist durch den Heckantrieb und den längs eingebauten Motor keine so ideale Einbaulage des Motors möglich wie bei einem Fronttriebler mit quer eingebautem Motor.

Ein kleiner Einschub: wegen dem längs eingebauten Motor in Verbindung mit Frontantrieb ist Audi auch praktisch seit dem Verbot des Allradantriebs chancenlos. Und es ist nur konsequent, daß sich Audi am Ende dieser Saison aus der STW-Meisterschaft zurückzieht.

Nun kommt beim BMW aber noch hinzu, daß der Motor von der Zylinderkopfseite her - der ja in wichtigen Punkten der Serie entsprechen muß - nicht gerade ideale Voraussetzungen für einen Rennmotor bietet, dessen Drehzahl bei 8.500 Umdrehungen begrenzt ist. Man braucht in der STW nämlich nicht nur möglichst viel Leistung, sondern - bei Motoren mit gleicher Leistung bedeutungsvoll - das bessere maximale Drehmoment. Und das noch über einen möglichst großen Drehzahlbereich. Und da hapert´s bei BMW.

Das war auch bei den Testfahrten zu beobachten. Es fehlt an Power. Da haben auch die aerodynamischen Überarbeitungen (durch das Schnitzer-Team!) keinen Ausgleich bringen können. Nach Motor-KRITIK-Einschätzung könnte BMW nur dann in der Supertourenwagen-Meisterschaft eine Rolle spielen, wenn man sich für ein Serien-Sondermodell entschließen könnte, daß abweichend vom bisherigen Motor, mit einem überarbeiteten Zylinderkopf ausgerüstet wäre. Der müßte z.B. (u.a.) kleinere Durchmesser in den Ansaugkanälen aufweisen.

Sonst wird´s nichts in der STW. Weder in 1998 noch in 1999. - Oder man müßte "tricksen". Was nicht im Sinne der Sportgesetze und des Reglements wäre. - Wird also auch BMW Ende 1998 aus der STW-Meisterschaft verschwinden?

Beim Beobachten der Testfahrten kam bei Motor-KRITIK sowieso der Eindruck auf, daß es Teams gibt, die das Reglement sehr großzügig (in ihrem Sinne) auslegen. Es handelt sich hier natürlich um Teams der Frontantriebsfraktion. Dazu gehört z.B. (zumindest zur Zeit) noch nicht das Honda-Team. Hier war beim Herausbeschleunigen akustisch deutlich der auftretende Schlupf zu vernehmen. Bei Honda ist richtig Power vorhanden, aber zu wenig Grip.

Das ist bei Opel z.B. anders. Auch dort gibt es richtig Power. Und Null Schlupf.

Motor-KRITIK möchte jetzt nicht alle Fabrikate im Detail beschreiben, aber man wird schon mißtrauisch, wenn man beobachten konnte, daß bei einem Fahrzeug des Starterfeldes (kein Opel) beim Herausbeschleunigen aus einer Rechtskurve immer kurz das rechte hintere Bremslicht anging. Es erhielt dann wohl irgendwoher Masse.

Das war dann auch der Anlaß, sich einmal mit der heute verwendeten Technik im STW-Feld zu beschäftigen. Es gibt z.B. kein ABS.Verboten. Aber BMW hat eine ganz pfiffige mechanische Lösung (die erlaubt ist) entwickelt, wo ein Pendel "ausgleichend" eingreift. Und wir stießen auf die heute verwendeten Differentialsperren bei der Frontantriebsfraktion. Das ist High-Tech vom Feinsten. Diese Dinger lassen sich (hydraulisch) feinstregulieren. Diese Sperren haben nur noch wenig mit denen gemeinsam, die einfach - klack-klack -unter bestimmten Umständen bei Kurvendurchfahrt mit einer festen Sperrwirkung arbeiten. Die neuen arbeiten unterschiedlich bei Zug und Schub und wären - theoretisch natürlich - in der Lage, gesteuert durch eine pfiffige Software in Echtzeit auf jeden elektronisch erteilten Befehl zu reagieren.

Eine so gesteuerte Sperre könnte z.B. auf der Geraden ohne jede Sperrwirkung sein (weil das Kraft und damit Top-Speed kostet), könnte in der einen Kurve 40 Prozent, in der anderen 80 Prozent sperren. Und das auf den Meter genau. Die Software müßte nur auf exakt jede Rennstrecke abgestimmt werden. Aber das ist auch kein Problem. - Und auch eine Antischlupfregelung wäre ohne weiteren größeren mechanischen Aufwand möglich. Mit ein wenig Elektronik... - Aber die ist verboten.

Und welcher der Kontrolleure will das aufdecken? - Wer will das elektronisch herauslesen? Motor-KRITIK ist davon überzeugt, daß es STW-Rennfahrzeuge gibt, in denen so ein System schon ausprobiert wurde. Natürlich dürfte man das nicht in Rennen nutzen. - Aber wer kann das schon feststellen?

Verstehen Sie nun, daß der Titel der Pressemitteilung vom 8. April zum ersten Rennen in Hockenheim eine Doppelbedeutung hat? - "In Hockenheim schlägt die Stunde er Wahrheit."

Warum eigentlich nicht? - Warum läßt der ADAC nicht die ersten drei Fahrzeuge nach jedem Rennen aufmachen? - Ein Vermessen des Hubraums z.B. kann auch nicht schaden.

Denn wenn auch der Rennmotor seine Basis in einem Serienmotor haben muß, so kann man doch z.B. das Hub-/Bohrungsverhältnis den Rennansprüchen anpassen. Was Motor-KRITIK auffiel: da wird dann z.B. die Bohrung vergrößert, der Hub verkürzt. Warum? - Weil man einen Kurzhubmotor höher drehen kann? - Weil bei 8.500 in der STW-Meisterschaft die Drehzahlgrenze ist?

Wenn sich aber z.B. irgendein Monteur dann - irgendwann in der Saison - einmal beim Zusammenbau eines Motors "vergreifen" sollte und die "alte" Kurbelwelle einbaut... -

Jaja, die Leute in der Eifel haben schon Phantasie. Aber die ist durch die Erfahrungen geprägt. Und die besagen, daß man schon einen Motor aufmachen muß, wenn man einen Verstoß gegen das Reglement exakt nachweisen will. Aber das ist bei den modernen Doppel-Nockenwellen-Motoren auch kein Problem: in 15 Minuten sollte ein Zylinderkopf demontiert sein.

Nur mit der - theoretisch möglichen - Antischlupfregelung... - Ich würde im Moment keinen der hauptamtlichen Techniker der STW-Serie nennen können, der in der Lage wäre, auf diesem Gebiet einen Verstoß gegen das Reglement nachzuweisen.

Bei Recherchen zu dieser Geschichte ist mir dann auch aufgefallen, daß z.B. in England andere Automobile siegfähig sind als in Deutschland. Ich meine nicht Volvo und Renault, die in Deutschland nicht vertreten sind. Ein Honda ist in England z.B. immer weit vorne. So, wie ich den STW-Honda bei aktuellem Vortraining wahrgenommen habe, wird er sich in Deutschland aber nur mal gerade unter die ersten 10 plazieren können. Zuviel Schlupf, um unter die ersten Fünf zu kommen.

Als ich einen Kenner der englischen Motorsport-Szene um seine Meinung bitte, meint der: "Ja, in England ist man vielleicht fairer als in Deutschland. In England wird weniger gepfuscht." - Womit dieser "Kenner" eigentlich nur sagen wollte, daß in Deutschland verbissener um den Erfolg gerungen wird. Koste es was es wolle. Und ohne Rücksicht auf gute Sitten und Moral. Nur der Erfolg zählt. - Und: die Konkurrenz wird schon nicht aufmucken. - Weil doch eigentlich jeder "Dreck am Stecken" hat?

Der ADAC würde wirklich gut daran tun, die STW-Meisterschaft 1998 strenger als bisher üblich zu überwachen. Weil das die Kosten reduzieren hilft und die Automobile auch wieder fahrleistungsmäßig einander näher bringt. Was die Auseinandersetzungen auf der Strecke für den Zuschauer dann wieder attraktiver machen würde.

Denn nachdem Michelin praktisch die Alleinherrschaft auf dem Reifensektor in der STW-Meisterschaft übernommen hat und - ebenfalls aus Kostengründen - nun nur noch einen Einheitsreifen (in drei Variationen) anbietet, gibt es hier für bestimmte Teams kaum noch Vorteile.

Aber für alle Privatfahrer gegenüber den "Werkswagen" nur Nachteile. Weil sich Privatfahrer den High-Tech-Aufwand, den zur Zeit die Werke betreiben gar nicht leisten können. Wenn z.B. ein Marco Werner wirklich mit einem 97er Opel Vectra in die STW (eingesetzt von Bemani) nach Hockenheim einsteigen sollte, dann wird man den - obwohl Marco Werner zu den starken Fahrern gezählt werden muß - erst so ab Platz 15 finden. Unter den acht dann startenden Opel Vectra (Opel ist halt ein Großserienherteller), wird der von Marco Werner dann wohl auf Platz sieben liegen.

Aber Opel ist durch die Vielzahl der Starter auch ohne Marco Werner schon ein wunderbares Beispiel in Hockenheim: An den Unterschieden in der Rundenzeit zwischen dem erst- und letztplazierten Opel Vectra lassen sich die Auswirkungen der bisher unkontrollierten Wucherungen des technischen Fortschritts im Bereich der Vorderachse der Fronttriebler gut verdeutlichen. - Achten Sie mal darauf.

Wenn die Veranstalter alle Auswüchse unter Kontrolle halten, dann bleibt der Ausgang der Meisterschaft bis zum letzten Rennen offen. Es wird dann den Favoriten nicht geben.

Es wäre also eigentlich im Sinne des Sports, im Sinne der Zuschauer, im Sinne der angestrebten Kostensenkung, wenn der ADAC schon ab dem ersten Rennen wahrmachen würde, was er in seiner "Presse-Info" vom 8. April versprach: "In Hockenheim schlägt die Stunde der Wahrheit". - Schön wär´s!

MK/Wilhelm Hahne