Mal anders betrachtet: Das BMW- und VW-Ringen um den Besitz von Rolls Royce

Für Motor-KRITIK war das VW-Mitbieten in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr als ein guter PR-Gag. Er kostete (fast) nichts und brachte VW pausenlos in die Medien. Und das immer in Verbindung mit Namen aus "besseren Autokreisen": BMW und Rolls Royce. Aber das aktuelle "Über-Angebot" von VW läßt den Verdacht aufkommen, VW habe wirklich etwas mit Rolls Royce vor. Aber will man wirklich kaufen? - Oder steckt eine andere Idee hinter dem jüngsten VW-Angebot?

Verschlimmbesserung

98-04-28/01. VW bietet also mehr Geld für Rolls Royce als BMW. Deutlich mehr Geld. - Wem nutzt das?

Den Vickers-Aktionären kurzfristig. Es schadet Rolls Royce aber langfristig. - Will VW das?

Mercedes-Benz, dem Daimler-Benz-Konzern wird das gefallen. Das Kratzen an den Fundamenten von Rolls Royce zeigt jetzt schon Wirkung: Es ist in den ersten drei Monaten dieses Jahres schon ein deutlicher Verkaufseinbruch bei Rolls Royce festzustellen. - Vielleicht ist der auch von VW beabsichtigt.

Steckt hinter dem scheinbar neurotisch ehrgeizigen Verhalten des VW-Chefs Piech eigentlich eine andere Absicht als der Kauf? - Will man Rolls Royce vielleicht durch das Wecken der niedrigen Instinkte bei den Vickers-Aktionären einen dauerhaften Schaden zufügen? - Es ist vorstellbar.

Denn eigentlich war die Schlacht um Rolls Royce schon vor Jahren entschieden. Und die Entscheidungsgründe lagen eigentlich auf einer Ebene, die Herrn Piech wohl fremd ist: Sie lagen im zwischenmenschlichen Bereich.

Nein, es war nicht Herr Bernd Pischetsrieder von Bedeutung, dessen englische Verwandtschaft schon in der deutschen Presse als Argumentation bemüht wurde. Es war - und ist - die Person des Dr. Wolfgang Reitzle, der die Entscheidungen um Rolls Royce wesentlich beeinflußte - und beeinflußt.

Als in den 80er Jahren eine erste Kontaktaufnahme zwischen Rolls Royce und BMW erfolgte, da war auf der BMW-Seite Dr. Wolfgang Reitzle der Gesprächs- und Verhandlungspartner für die Rolls-Manager. Und man hatte in England einen positiven Eindruck von ihm. Auch die Zusammenarbeit ließ sich gut an, so daß die Rolls Royce-Mannen überlegten, ob daraus wohl eine engere Zusammenarbeit entstehen könne. Der Garant für eine gute Zusammenarbeit konnten aber auf der BMW-Seite nicht die Aktionäre, nicht eine AG sein, sondern konnte nur durch eine Person sicher- und dargestellt werden: Dr. Wolfgang Reitzle.

Und so sammelte man Informationen, legte in England ein Dossier über diesen Mann an. Unter anderem bat man auch den Autor dieser Zeilen um eine kritische Beurteilung des Münchner Managers.

Und so kam es dann später sogar zum Bau einer Designstudie auf der Plattform des 5er BMW und anderen gemeinsamen Planspielen. Und alles entwickelte sich organisch hin auf einen harmonischen, noch engeren Zusammenschluß, wie er sich in jüngster Zeit abzeichnete. BMW-Motoren für Rolls Royce und Bentley und... -

Doch nun entzündet VW ein Störfeuer. Es schadet der Marke Rolls Royce (und Bentley) langfristig. Mehr wird (und will?) VW auch kaum erreichen, denn eine Übernahme durch VW wäre - und das ist Motor-KRITIK-Meinung - eigentlich das Ende von Rolls Royce. Langfristig betrachtet. Man wird sich jetzt in England entscheiden müssen, ob Aktionäre kurzfristig Gewinnmitnahmen realisieren sollten oder ob man langfristig zu einem konstant wachsenden Erfolg der renommierten englischen Marke durch eine BMW-Übernahme kommen will.

Der schon in den 80er Jahren als "Eckpfeiler" für eine Verbindung (gleich welcher Art) als gut befundene Dr. Reitzle hat inzwischen im Management von BMW eine deutliche Aufwertung erfahren, ist für Rolls Royce als Partner noch wertvoller geworden. Diesen Mehrwert wird auch ein Herr Piech nicht mit Geld ausgleichen können.

Aber tatsächlich - und das sei ihm hier bestätigt - hat er die Gesamtsituation durch sein aktuelles Über-Angebot für Rolls Royce verschlimmbessert. Was in jedem Falle nicht nur Mercedes-Benz nutzt, sondern auch VW.

Denn u.a. (!) hat der VW-Aufsichtsrat nun Ferdinand Piech "grünes Licht" für den Bau von Luxus-Automobilen im VW-Konzern unter den Markennamen "Horch" und Bugatti" gegeben. - Wenn Rolls Royce nicht an VW fällt. - Bingo! - So leicht hätte Piech ohne sein strategisches Spiel die Zusage des VW-Aufsichtsrats nicht bekommen. Aber er hat so auch - und das sollte man nicht vergessen - die Mercedes-Entscheidung um den Maybach erleichtert. Und gleichzeitig deutlich gemacht, daß Rolls Royce in der Vergangenheit schon richtig empfand, wenn man Menschen, deren Qualitäten und Charakter, für eine Zusammenarbeit von der Bedeutung, die ein Kauf des englischen Herstellers durch BMW hätte, höher einschätzt als die Größe einer Firma, einer AG - oder die Höhe des gebotenen Kaufpreises

Im Falle Rolls Royce fällt also eigentlich eine Entscheidung zwischen "Geld oder Liebe", eine Entscheidung für oder gegen kurzfristige Gewinne, für oder gegen Ferdinand Piech, für oder gegen Wolfgang Reitzle. Und damit eigentlich mehr zufällig für oder gegen Firmen, für die die beiden Herren tätig sind.

Aber sie fällt auch in jedem Falle für oder gegen das Überleben von Rolls Royce. Schau´n wir mal, wie "british" die Vickers-Aktionäre entscheiden.

MK/Wilhelm Hahne