Nun gut, Mercedes würde über das Jahr betrachtet wohl mehr als 1 Million Fahrzeuge produzieren, aber würde das reichen um in Zukunft überlebensfähig zu sein?
Blickt man einmal auf den westeuropäischen Markt, der in naher Zukunft (zum großen Teil) durch den Euro weiter vereint werden soll, so stellt Mercedes z.B. im ersten Quartal dieses Jahres, gemessen an den Zulassungszahlen, das Schlußlicht unter den wichtigen Konzernen dar. Der Marktanteil beträgt nur 3,9 Prozent! - Zum Vergleich: die Volkswagen-Gruppe rangiert mit 16,6 Prozent ganz vorne. Selbst der BMW-Konzern liegt mit einem Marktanteil von 5,5 Prozent noch deutlich vor Mercedes.
Dabei wird Mercedes sogar schon in diesem Jahr die Produktionsgesamtzahl von mehr als 1 Million Automobilen vermelden können. - Aber reicht 1 Million?
Wir bei Motor-KRITIK empfanden: NEIN. - Und so beschäftigten wir uns mit der Frage: Was würden wir tun, wenn wir an der Stelle von Schrempp wären? - Wir empfanden Handlungsbedarf und machten uns gedanklich auf die Suche nach Kauf- oder Fusionspartnern.
So sind wir dann auf den Fiat-Konzern gestoßen. Wir empfanden Alfa, Ferrari, Fiat, Maserati als Abrundung des Mercedes-Programms. Fiat baut gute Kleinwagen, Alfa würde eine B-Klasse überflüssig machen, Ferrari würde Michael Schumacher "heim holen", mit Maserati könnte man Bentley ärgern, usw., usw. - Nur Lancia... - Zunächst mal einstellen. Den Markennamen könnte man später vielleicht einmal gut gebrauchen.
Und wir haben kurz gerechnet: Mercedes und Fiat, würden sie als Gesamtkonzern auftreten, würde den an die Spitze der westeuropäischen Zulassungsstatistik bringen. Im 1. Quartal 1998 hätte man so z.B. einen Marktanteil von 16,1 Prozent vermelden können, wäre nur knapp hinter dem VW-Konzern gelegen. Wir haben dann unsere Idee in den letzten Wochen mit netten Kollegen diskutiert. Fast immer großes Erstaunen: Wieso machst du dir über Mercedes Gedanken? - Denen geht es doch gut.
Am 1. Mai saß der Chronist dann mit einem bedeutenden Mananger eines Automobilkonzerns zusammen. Und wir diskutierten - bei ein paar Bier - viele Dinge rund ums Thema Automobil. Und natürlich habe ich die Mercedes-Problematik angesprochen. Aber auch hier die Frage: Warum?
Weil ich einfach versucht habe, wie Schrempp zu denken. Was mir nicht schwer fällt, da ich z.B. auch auf der Spanischen Treppe in Rom sitzen und Rotwein trinken könnte. Wer so was nicht kann, der kann auch nicht auf die Idee kommen Fiat zu kaufen.
Zugegeben: Meine Phantasie hat nicht gereicht. Schrempp hat sich mit Chrysler verbündet. Vielleicht trinke ich die falschen Rotweine. Aber grundsätzlich hat mich das was Schrempp nun gemacht hat, nicht überrascht. Schrempp handelt eben noch globaler, als es ein Journalist in der Eifel tun würde. Auch risikoreicher. Und profitorientierter. Denn machen wir uns nichts vor: der, der als erster einen riesigen Vorteil aus der Fusion von Daimler und Chrysler ziehen wird, ist Jürgen Schrempp. Sein persönliches Einkommen wird sich ganz, ganz kurzfristig verzehnfachen.
Aber wenn ich höre, daß man nun ganz schnell 5 Milliarden DM einsparen will, dadurch, daß man sich vereint... - Jede Vereinigung kostet zunächst einmal Geld. Weil ein Anpassen der Systeme verlangt ist. Ein Eaton regiert Chrysler z.B. ganz anders, als ein Schrempp den Daimler-Konzern. Die Chrysler-Mannen verbrauchen z.B. viel weniger Papier. (Anders als Ford und GM.) - Ein Eaton ist GM-erfahren. Er weiß eben, wie man etwas nicht machen sollte.
Und "Bob" Lutz wird sich ins Fäustchen lachen. Neben Eaton. Weil es eigentlich beide nun mal allen gezeigt haben. Eaton eben GM, Lutz Opel, Ford und BMW. Da überall wird es "lange Gesichter" gegeben haben, als der Deal durchsickerte. - Nicht zu früh und nicht zu spät. - Alle hatten bewundernswert dicht gehalten. - Und um es nicht zu vergessen: der Schrempp hat es nun auch dem Reuter gezeigt. - Und viele erschreckt.
Nun bricht überall die Hektik aus. Da werden sofort Fusionen von Ford und Fiat angedacht. Und Renault.... - Oh, was sind die arm dran. Und auch PSA... - Und nun sind wieder die fünf oder sechs Multi-Automobilkonzerne weltweit im Gespräch, mit denen früher schon immer gedroht wurde. - Muß das sein?
Hier zeigen sich die Grenzen der sogenannten freien Marktwirtschaft. Oder anders: So kann man die Schrecken des Kapitalismus verdeutlichen. Denn wer hat etwas von dem sich abzeichnenden Gigantismus? - Der Einzelne, der Mensch, der Verbraucher? - NEIN!
Die Multis werden ihre Gewinne maximieren, bedeutender, mächtiger werden. Sie werden als Übermächtige die Mächtigen der Politik zu Befehlsempfängern degradieren. - Kommt es zu einer Dikatur durch die freie Marktwirtschaft?
Ein dumme Frage? - Denken Sie einmal darüber nach. - Übrigens: Im neuen Daimler-Chrysler-Konzern ist Englisch die offizielle Firmensprache.