BMW/Rover: Was wird denn nun mit dem "Mini"?

Da sollen sich die BMW- und die Rover-Verkaufsorganisationen schon heute um den Verkauf des neuen "Mini" schlagen. Dabei wird er erst im Jahre 2000 lieferbar sein. Und man kennt von ihm bisher nicht mehr, als BMW zur letzten IAA in einer Designstudie zeigte. Wie wird der "Mini" z.B. motorisiert sein? - Motor-KRITIK hat den "Mini" - mit falscher Karosserie-Fassade - schon bei Fahrversuchen beobachtet, blickt ein wenig in die Zukunft, berichtet von Marketingplänen und vergißt auch die "Mini"-Vergangenheit nicht. Aber heute ist schon ganz klar:

Der "Mini" verleiht dem BMW-Verkauf und dem BMW-Emblem Flügel

98-06-23/02. Letzte Woche Dienstag in der Eifel: Fast unauffällig drehen die Versuchsfahrzeuge der Automobilindustrie auf der Nürburgring-Nordschleife ihre Runden. Auffallend: zum ersten Male wird auch eine Rover-Abordnung gesichtet. Mit den unterschiedlichsten Modellen. Unter anderem sind auch zwei Rover 200 unterwegs. Mit englischen Kennzeichen. Was dazu nicht paßt: die Fahrer sprechen kein Oxford-Englisch, sondern bayrischen Dialekt. Und sie fahren auch "bayrisch", d.h. mit der ganzen Nürburgring-Erfahrung, die BMW-Versuchsfahrer nun einmal in langen Jahren erworben haben. Und englische Kollegen werden angelernt, mit den Schwierigkeiten der Nordschleife bekannt gemacht.

Wer aber zwischen Oxford-Englisch und Bayrisch-Deutsch unterscheiden kann, dem muß auch der Unterschied im Motorensound der beiden Rover-Versuchswagen vom Typ 200 auffallen. Zumindest einer der Motoren ist eine vollkommene Neuentwicklung. - Wofür? - Für den Rover 200? - Ab wann?

Und die Recherche beginnt. Ergebnis: was hier um den Eifelkurs geprügelt wird, ist eigentlich der neue "Mini", die Maxi-Karosse des Rover 200 gehört zur Tarnung. Tatsächlich kommen die Testfahrzeuge aus England, waren vorher im Gaydon Test Centre der Rover Group LTD (das an der Banbury Road, Lighthorne, Warwick) unterwegs. Pech für Rover und BMW, daß man den Motor-Sound nicht tarnen kann. Es ist einwandfrei ein Kompressor-Motor.

Und es beginnt die Recherchearbeit. Info-Splitter kommt zu Info-Splitter. Recherche-Ergebnis: Stimmt! - Es handelt sich um einen Kompressor-Motor. In der Spitzenmotorisierung wird der neue "Mini" mit einem 1,6 Liter Kompressor-Motor ausgerüstet sein, der satte 155 PS (115 kW) an die Vorderachse weitergibt. So wird der neue "Mini" an die gute alte "Mini-Cooper"-Zeit erinnern. - Wissen Sie, daß so ein "Mini-Cooper" einmal die Rallye Montecarlo gewonnen hat?

In jedem Falle wird ein so motorisierter "Mini" die Herzen der BMW-Käuferschicht gewinnen. Von Null auf 100 km/h in 8,5 sec, eine Spitze von 212 km/h. Das ergibt eine überschlägige Rechnung von Motor-KRITIK. Diese Fahrleistungen werden mit Verbrauchswerten im normalen Fahrbetrieb von um 7,5 Liter und Spitzenverbräuchen bei Autobahn-Vollgasfahrten erreicht werden, die 10 Liter pro 100 km kaum übersteigen werden.

Wenn man nun um diese Details des neuen "Mini" weiß, versteht man auch die Entscheidung des BMW-Vorstandes, ein solches Fahrzeug überwiegend über die BMW-Verkaufsorganisaiton vertreiben zu lassen. (Ausnahme: Großbritannien und Irland.)

Wenn man diese Entscheidung nun für richtig hält und ein wenig die Mentalität der BMW-Käuferschicht kennt, dann weiß man, daß es damit nicht getan sein darf. Dem neuen "Mini" müßte schon irgendwie ein wenig BMW-Identität mit auf den Weg gegeben werden. Und das wäre auf verschiedene Art - die sich zu einem richtigen Gesamteindruck ergänzen müßte - möglich.

Wenn man die Entstehungsgeschichte des "Mini" kennt, weiß man: Es ist alles schon einmal da gewesen. Erinnern wir uns also noch einmal gemeinsam:

Der "Mini" wurde im "Morris"-Konstruktionsbüro entwickelt, wurde zunächst als "Austin", dann als "Austin-Mini" vermarktet. Ab 1970 wurde die geniale Schöpfung des Sir Alexander ("Alec") Issigonis dann unter dem Markenbegriff "Mini" verkauft. - Auch die Herstellernamen wechselten.

Zunächst wurde das Fahrzeug, das sich als "Mini" in unser Bewußtsein eingegraben hat, offiziell von der "Austin-Morris Division" der "British Leyland Corporation" gefertigt, später dann durch "BL Limited", dann durch "Austin Rover" gebaut. Heute, in seiner jetzigen - noch ursprünglichen - Form (und deren Maße) wird das Fahrzeug von Rover gebaut, einem Automobilhersteller, der von BMW übernommen wurde.

Das alles hat dem "Mini" nicht geschadet. Auch nicht seine verschiedenen Markenzeichen, unter denen er vertrieben wurde. Sein bekanntestes ist wohl das runde Emblem des seit 1991 gebauten "Mini-Cooper". Es zeigt einen grünen Lobeerkranz mit dem roten Markenzeichen "Mini-Cooper", beidseitig flankiert von stilisierten Flügeln.

Und jetzt kommt der Kunstgriff von BMW: Man wird dieses "geflügelte" Mini-Logo auf geschickte Art mit dem von BMW zu verbinden wissen und so auf einen wichtigen BMW-Anteil der Münchner am neuen "Mini" aufmerksam machen: den Motor.

Der wird übrigens im Gemeinschaftswerk von BMW und Chrysler in Südamerika entstehen. Wobei es für Motor-KRITIK bei den Recherchearbeiten zu dieser Geschichte interessant war zu erfahren, daß dieses Werk nicht Bestandteil der Vereinbarung sein soll, die Daimler-Benz und Chrysler zu einer Einheit werden lassen. Aber wie das nun exakt geregelt wurde, das konnte - oder wollte - man nicht unbedingt erzählen.

Der 1,6 Liter Kompressor-Motor ist also eine BMW-Entwicklung, wie sie den Bayern, die sich ja nicht nur Motoren-Werke nennen, sondern wirklich hier Tradition haben, gut zu Gesicht steht. Und der "Mini" als Ganzes paßt auch sehr gut zur Abrundung des Programms nach unten in die BMW-Palette. Also eigentlich ist die Entscheidung des BMW-Vorstandes nicht nur richtig, sondern auch schlüssig.

Die Verkaufszahlen des neuen "Mini" werden den BMW-Anteil an den Gesamtzulassungen überall deutlich ansteigen lassen, werden sie beflügeln. Genauso wie das neue"Mini"-Logo dem BMW-Emblem Flügel verleihen wird.

Es ist ja nicht das erste Mal, daß der "Mini" einen neuen Vater, eine neue Identität bekam. Aber er ist immer der "Mini" geblieben. Auch seinen neuen Vätern von BMW wird er viel Freude machen. Und seinen Besitzern eine neue Vorstellung von "Freude am Fahren" vermitteln.

MK/Wilhelm Hahne