Kennen Sie einen Opel Mittelmotor-Spyder oder -Coupé?

Natürlich nicht. Es gibt ihn auch noch nicht zu kaufen. Aber so ein Fahrzeug rollt bereits über deutsche Straßen. Daß selbst Motor-KRITIK ihn so spät entdeckte, liegt wohl daran, daß eine japanische Firma (Isuzu) bei der Entwicklung mitbeteiligt war und darum die Testfahrzeuge erst recht spät zu uns kamen. Aber schauen wir uns das Fahrzeug doch einmal genauer an:

Ein neuer Opel mit stark negativem Sturz hinten

98-06-30/05. Wir begegneten uns am Vormittag. Und als der andere vorbei war, da klickte es erst bei mir: GG-Kennzeichen, sah aus wie ein Tigra, aber war kein Tigra. Der war doch breiter, länger, wirkte irgendwie erwachsener. Und beim schnellen Blick in den Rückspiegel: ...und negativer Sturz hinten?

Wenn das ein Versuchsfahrzeug war, wußte ich, wo ich ihm wieder begegnen würde. Es gibt zwar verschiedene Möglichkeiten, aber der Tag war ja noch lang. - Und so bin ich dem Fahrzeug nicht nur mehrfach begegnet, bin hinterhergefahren, habe ihn im Stand bewundert; ich habe auch mein Handy bemüht. Wenn man einmal eine Spur hat.... -

Ergebnis der Recherche: Basis scheint die Plattform des Tigra zu sein. Aber die Spurweiten, der Radstand haben zugenommen. Deutlich. Die Räder sind größer, die Reifen breiter; dieses Coupé macht wirklich etwas her. Und wenn man dann von hinten einen Blick drauf wirft, erkennt man oberhalb der hinteren Kotflügel die Luftaustrittsöffnungen für den Motorraum. Und der befindet sich hinter dem Fahrer. Dieses Coupé ist ein Mittelmotor-Coupé.

Wie zu hören, soll es allerdings für Europa zunächst als Spyder gebaut werden. Wie dem auch sei: die Motorisierung ist ein Zweiliter-Vierventiler, der um 160 PS leisten soll. Die Leistung, die bei rund 7.000 Umdrehungen anfällt, wird über ein eng abgestuftes Sechsganggetriebe an die Räder weitergegeben.

Nein, über einen richtigen Kofferraum verfügt das neue Opel-Mittelmotorfahrzeug nicht. Aber für kleines Gepäck hat er dafür gleich zwei Ablagemöglichkeiten: vorne und hinten. Fahrfertig soll dieser Opel-Sportwagen gut 1200 Kilogramm auf die Waage bringen, was in Verbindung mit seinen anderen technischen Voraussetzungen gute Fahrleistungen erlaubt.

Von Null auf 100 km/h sollte er schon in knapp unter 8 sec sprinten können, schon weil sich bei einem Fahrzeug mit Hinterradantrieb die Kraft sehr gut auf den Boden bringen läßt und sein Topspeed sollte bei 225 km/h liegen. Verbrauch: um 10 Liter, je nach Fahrweise.

Die Bremsen kommen aus einem vorhandenen Teilelager, das man z.B. auch unter der Rubrik Vectra finden könnten. Auch Zafira-Teile (das Fahrzeug gibt´s auch erst nächstes Jahr) werden mitverbaut. Das alles läßt darauf schließen, daß auch der Preis konkurrenzfähig sein wird, denn natürlich möchte Opel nicht nur die direkte Konkurrenz, also Ford mit dem Puma, sondern schon auch z.B. die Audi-Kunden ansprechen, die eigentlich mit dem TT liebäugeln.

Und ein Mittelmotorsportwagen ist immer noch die Sportwagenart schlechthin. Da macht ein Fronttriebler einfach keine gute Figur. (Wie z.B. auch der Puma.) Was hilft es da, wenn solche Fahrzeuge billiger sind. Mehr Fahrfreude wird es in jedem Falle mit einem Mittelmotor-Sportwagen geben.

Opel macht also etwas, was man nicht erwartete. Man kommt aus der Frontantriebsecke heraus. Und wie die Entwicklungsabteilung der Rüsselsheimer schon vorher oft beweisen konnte: sie kann auch Heckantrieb. Den Mannen um York Buchholz wird die Fahrwerkabstimmung Spaß machen. Sie hatten auch schon unter ihrem "alten" Chef, Dipl. Ing. Jürgen Stockmar, Gelegenheit, sich um die Abstimmung eines Mittelmotorfahrzeugs zu bemühen. Stockmar hatte sich einen Tigra mit Dreiliter-Mittelmotor bauen lassen. Und Stockmar weiß um die Geheimnisse eines Mittelmotor-Fahrwerks.

Ich erinnere mich noch sehr gut der gemeinsamen Diskussionen um das Fahrwerk eines Lancia Montecarlo, vom dem Stockmar - das war 1978 - sehr enttäuscht war, weil man auch dort die Problematik eines Mittelmotorfahrwerks nicht anders angegangen war, als bei anderen bis dahin bekannten Großserien-Lösungen. - Stockmar wußte und weiß - wie es besser geht. Und es ist zu hoffen, daß er noch eine Menge seiner Ideen in das neue Opel-Mittelmotorprojekt einbringen konnte.

Bis das Fahrzeug lieferbar wird, wird schon noch einiges Wasser durch den Main rinnen. Und wir werden dann einen anderen Technik-Vorstand bei Opel kennen, als den jetzt bekannten. - Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

MK/Wilhelm Hahne