Motor-KRITIK hat manchmal eine andere Sicht der Dinge.Wenn zum Beispiel...

...die "Wirtschaftswoche" in einer Geschichte über "Schweres Versagen" des Herrn Piech (im Falle Rolls Royce) eine "weitere Schattenseite der Piech-Bilanz" so beschreibt: "Die Herstellungskosten steigen im VW-Reich schneller als der Umsatz", so spiegelt das sicherlich die Meinung der sogenannten Analysten wider. Aber deren Meinung orientiert sich am Kurzzeitergebnis, während Ferdinand Piech - das ist Motor-KRITIK-Meinung - ein gutes Langzeitergebnis anvisiert. Von diesen und anderen unterschiedlichen Philosophien und Auffassungen handelt nachfolgende Geschichte. Motor-KRITIK meint:

Viele sind auf dem falschen Weg.

Der Volkswagen-Konzern ist auf dem Richtigen.

98-08-10/01. Ich habe vor Jahren mit Werner Niefer über die Problematik diskutiert, die dann entsteht, wenn ein Hersteller einer relativ kleinen Stückzahl von hochwertigen Automobilen, durch Ausweitung seines Programms langsam aber sicher zu einem Großserienhersteller wird. Wie entwickelt sich das Image? - Kann man unter solchen Umständen das Qualitätsniveau halten? -Wird das Qualitätsniveau eigentlich mehr von der Produktions- oder mehr von der Konstruktionsseite her beeinflußt?

Damals peilte Mercedes-Benz eine Gesamtstückzahl von 600.000 Fahrzeugen jährlich an und Werner Niefer war der Meinung, man könne auch bei dieser Stückzahl eine "Edelmanufaktur, ein Hersteller von hochfeinen Automobilen bester Qualität bleiben". Und er erinnerte an das Motto seiner Firma: "Das Beste oder nichts."

Werner Niefer ist tot. Er war weniger jemand, der das Automobil und seinen Markt "mit dem Bauch" begriffen hatte, er war mehr ein Produktionsmann, ein Mann der Details. Heute herrschen bei Daimler, d.h. auch bei Mercedes-Benz, Manager, die sich den "Global Playern" zurechnen, für die Umsatzgröße und die daraus erzielte Rendite alles sind. Das Automobil selbst ist keine Größe mehr an sich, sondern nur noch Mittel zum Zweck, eine Ware. Mercedes-Benz ist auf dem Weg zum Großserienhersteller, begibt sich nicht nur stückzahlmäßig, sondern auch qualitätsmäßig auf deren Niveau. Und noch darunter!

Wer glaubt, daß eine A-Klasse, so wie sie im Moment produziert und ausgeliefert wird, bei Opel eine Produktionsfreigabe bekommen hätte, der unterschätzt Opel und die dort herrschenden Vorstellungen und selbst gesetzten Normen. Und ein Smart... - Oder man betrachte einmal die M-Klasse kritisch. - Bei Mercedes-Benz ist man auf dem Weg bergab.

Nach Einschätzung von Motor-KRITIK begann sich dieser Weg bei der E-Klasse abzuzeichnen. Dieses Automobil ist ohne Zweifel ein hervorragender Renditeträger für Mercedes. Die Auswirkungen werden aber wirklich erst in fünf bis zehn Jahren zu verspüren sein.

Oder man betrachte doch einmal den aktuellen V6-Motor von Mercedes-Benz. Ein solcher Motor wäre vor 20 Jahren bei Mercedes-Benz unmöglich gewesen. Ein solcher Motor i s t heute noch bei BMW unmöglich. Und wird es (hoffentlich!) auch weiter bleiben. Und wenn wir die Entwicklung an solchen Beispielen weiter betrachten, dann ist z.B. BMW auf dem richtigen Weg. Gemessen an Daimler-Benz-Chrysler wird BMW zwar klein - aber fein - bleiben, BMW-Automobile werden Langzeitqualität beweisen. Während die Daimler-Produkte sich - aus der Sicht der Kunden - in Richtung "zum alsbaldigen Gebrauch bestimmt" entwickeln.

An anderer Stelle schreibe ich über den am Ende seiner Entwicklung eingestellten Mercedes-Vierzylinder-Motor. Die Entscheidung zu Einstellung war richtig. Denn das einzige was diesen Motor von seinem Vorgänger unterschied war: er war billiger zu produzieren. Das ist übrigens die bedeutendste Prämisse, unter der alle aktuellen Entwicklungen bei Meredes-Benz leiden. Man verwirklicht kurze Entwicklungszeiten. Aber zu wessen Gunsten? - Nicht zugunsten der künftigen Käufer, sondern nur zugunsten der Rendite.

Jürgen Schrempp ist sicherlich nicht klar, was er mit seiner überdeutlich zum Ausdruck gebrachten Maxime, seiner Ideal-Vorstellung von der Bruttoumsatzrendite, erreicht hat. Auf den unteren Ebenen hat man ihn verstanden. Und man verwirklicht Schrempps Renditevorstellungen.Die Gewinne explodieren. Leider geht das zu Lasten der Qualität. Und die Leute, die "früher" in der Entwicklungsabteilung dafür sorgten, daß die Lichter erst ausgingen, wenn ein Problem gelöst war, die sorgen jetzt dafür, daß keine Überstunden gemacht werden. Die Mitarbeiter können aber in den vorgegebenen Zeiten eine perfekte Entwicklungsarbeit nicht durchführen. Aber man lehnt sich - weil man um den eigenen Arbeitsplatz bangt - nicht gegen unsinnige Anweisungen auf.

Und so wurde die A-Klasse wie sie ist. So wurde der Smart wie er nun in Glastürmen steht. Und so erhielt die M-Klasse Bremsen, wie noch niemals ein Mercedes zuvor. (Bezogen auf den jeweiligen Stand der Technik.)

Nun ist Mercedes nicht das einzige Beispiel für eine Entwicklung in die falsche Richtung. Eine gleichartige Entwicklung findet derzeit bei Porsche statt. Der 996 ist nicht mehr der Porsche, wie früher einmal ein Porsche ein Porsche war. Auch im Hinblick auf die Qualität. Und selbst der heute noch gefertigte 993-Turbo, der "früher" einmal ein gutes Automobil war, ist nicht mehr belastbar. (Auch hier finden Sie an anderer Stelle ein Beispiel.) Und wenn sich die Einführung des Porsche 996 als GT 3-Version (= Carrera RS) verzögert, so hat das seinen Grund in grundsätzlichen Qualitätsschwächen des Porsche 996, der sich - und das ist eigentlich schon eine Verunglimpfung seines Vorgängers - immer noch Porsche 911 Carrera nennen darf.

Wendelin Wiedeking hat offensichtlich kaum die Auswirkungen bedacht, wenn er einseitig die Produktionskosten "dämpfte", die Entwicklungskosten kürzte, im Einkauf kräftig sparte. Auch hier, wie bei Mercedes, wird das gute Image der Marke nicht sofort, sondern langfristig geschädigt. Der Kunde kann und wird erst reagieren, wenn ihn die "Signale" erreicht haben. - Aber dann ist es für Porsche zu spät!

In Kenntnis dieser Fakten bekommt der "Vorwurf" in der "Wirtschaftswoche" an Ferdinand Piech gerichtet, doch einen ganz anderen Stellenwert: die Produktionskosten bei VW steigen. Ferdinand Piech hat eben die Chancen eines Großserienherstellers erkannt, den großen Imageträgern der Branche "an die Hose zu gehen", wie VW-Sprachrohr Prof. Dr. Kocks es ausdrückt. Piech hat den Großserienprodukten seiner Marken (VW, Audi, Seat, Skoda) ein neues Qualitätsniveau verordnet. Das kostet zunächst zwar Geld, belastet (kurzfristig) die Bruttoumsatzrendite, zahlt sich aber langfristig aus. Insofern ist Ferdinand Piech auf dem richtigen Weg. Wenn er ihn nicht schneller gehen kann, so liegt das daran, daß es im Volkswagenkonzern derzeit nur einen Ferdinand Piech gibt. Natürlich hat er beim Kauf von Rolls Royce Fehler gemacht. Aber so ist das nun mal beim Pokern und im Automobilgeschäft: jeder findet mal seinen Meister. Aber es ist nur ein einziges Spiel unter vielen, das Ferdinand Piech verloren hat. Jedoch die Richtung, die Ausrichtung seines Konzerns stimmt.

Wenn man einmal durch eine moderne Produktionshalle geht, sich z.B. einmal die Produktion eines Opel Omega ansieht, dann fragt man sich, wieso in der Vergangenheit Mercedes z.B. in der Qualität gegenüber einem Omega A ein besseres Fahrzeug produzieren konnte. Die modernen Produktionsmethoden ähneln sich. Woraus entstehen die Unterschiede?- Eigentlich müßte ein Opel auch mit dem (bis heute!) sprichwörtlichen Mercedes-Qualitätsniveau zu fertigen sein.

Die Unterschiede liegen schon in der Konstruktion, in der Auslegung begründet. Für GM-Manager zählen (auch) nur die Zahlen. Sie haben (bisher) kaum begriffen, daß für den Kunden das Automobil zählt, seine Zuverlässigkeit, sein Werterhalt. Denn der normale Käufer eines Automobils - und man sollte sich bei der Automobilindustrie öfter daran erinnern - verfügt auch heute noch immer bei einem Autokauf über den größten Teil seines Vermögens!

Wenn sich die bekannten Großserienhersteller das klar machen und aus den Fehlern lernen, die derzeit - nach Meinung von Motor-KRITIK - z.B. die Firmen Mercedes-Benz und Porsche machen, dann müßten sie eigentlich erkennen, daß hier ihre Chance liegt. Nicht schneller, sondern besser entwickeln. Nicht ihn Richtung "billig" konstruieren, sondern in Richtung "höchster Gegenwert für den Käufer". Ford und Opel haben hier ganz aktuell eine große Chance. Aber sie müssen sie wahrnehmen!

Und so ganz nebenbei gesagt: die Zeit des"qualitativen Wachstums" beim Automobil ist vorbei. Es gibt Anzeichen dafür, daß der Kunde von morgen nicht mehr bereit ist das mitzukaufen,was er eigentlich gar nicht braucht, nur weil ihm die Werbung vorgaukelt, das wäre für´s Autofahren wichtig. Was braucht ein Automobil wirklich, mit dem man zuverlässig und sicher von A nach B kommen will?

Jeder Automobilhersteller der zukünftig überleben will, wird eine gut gemischte Palette von Modellen und deren Varianten anbieten müssen. Der Markt braucht keine "Alleskönner", wie sie heute von der Werbung immer wieder angepriesen werden, er braucht auf alle möglichen Ansprüche von Kunden gut ausgerichtete und ausgestattete Modelle. Zu vernünftigen Preisen.

Und damit bin ich noch einmal bei VW und Ferdinand Piech und darf daran erinnern, was der "Volkswagen" einmal sein sollte. Er sollte Luxus (und Autofahren war zu dieser Zeit, kurz vor dem zweiten Weltkrieg Luxus!) erschwinglich machen. Ferdinand Piech versucht das auf allen Preisebenen. Vom Lupo bis zum Bentley. Er versucht in seinem Unternehmen sicherzustellen, daß ein Lupo-Kunde qualitätsmäßig genauso gut bedient wird, wie der (zukünftige) Käufer eines Bentley. Und wenn man das über den Preis betrachtet, sogar noch besser. Insofern ist er auf dem richtigen Weg.

Wenn die Entwicklung bei Mercedes-Benz und Porsche dagegen so weitergeht wie bisher, dann wird - zu Recht - die "Wirtschaftwoche" in ein paar Jahren den Chefs dieser Firmen "Schweres Versagen" vorwerfen müssen, während man dann von Ferdinand Piech sagen kann, er habe zur Demokratisierung von Luxus entscheidend beigetragen.

MK/Wilhelm Hahne