Was haben der Ford "Focus" und der VW "Lupo" gemeinsam?

Natürlich den Ärger um das Namensrecht. - Ach, Sie haben im Falle "Lupo" noch nichts davon gehört? - Das kann sein. Sie haben im Falle "Focus" auch bestimmt noch nicht alles gehört. Nachstehend können Sie es aber lesen, wobei leider immer noch (kleine) Lücken bleiben. An den zwei Fällen läßt sich auch verdeutlichen, daß die Öffentlichkeitsarbeit bei den Großen der Automobilindustrie mal so und mal so betrieben werden kann. Und oft sogar funktioniert, weil verborgen bleibt, was man gerne verborgen halten möchte. Und so ist die Geschichte um die Namensrechte von "Focus" und "Lupo" auch eine Geschichte über offene und ehrliche Pressearbeit. (Wer lacht da?) - Sie werden dann auch verstehen, warum der "mitunter eitle und selbstherrliche Focus-Chefredakteur... "der selbsternannte ´Fakten´-Macher" (O-Ton "Kölner Stadt-Anzeiger") trotz Kenntnis aller Fakten den "glorreichen Sieg" (auch "Kölner Stadt-Anzeiger") nicht seinen 5.750.000 wöchentlichen Lesern (lt. Media-Analyse) im Detail verkündete, sondern nur das verbreitete, was alle Beteiligten für die richtige Art von Öffentlichkeitsarbeit hielten. "An die denken wir, wenn wir Fakten sammeln", war von Helmut Markwort gerade noch (am 3.8., Heft 32) zu lesen. Er meinte seine 3.720.000 männlichen und 2.030.000 weiblichen Leser. Und woran hat er gedacht, als ihm einige Fakten im Zusammenhang mit der "Focus"-Namensrecht-Auseinandersetzung entfallen sind?

Über "Focus"-Pokus und wie "Lupo" fast lupös erkrankt wäre

98-08-10/02. Der VW-Pressesprecher wußte von nichts. "Nein, die Namensrechte für "Lupo" liegen bei uns", sagte er. Er gab im übrigen vor, von nichts zu wissen. Er hatte rein gar nichts gehört. Man merkte, wie er versuchte, Zeit zu gewinnen. Er wolle das mal überprüfen. Und er wolle sich melden.

Das tat er dann auch. Man merkte seiner "Sprachregelung" an, daß man sich bei VW intern darüber klar geworden war, daß es wenig Zweck hatte, alles zu bestreiten, man wollte aber nur eine Minimum-Aussage machen und die dann psychologisch geschickt verpacken. Also begann der VW-Pressesprecher seinen Rückruf mit dem eindrucksvollen Spruch: "Herr Hahne, Sie hatten natürlich wie immer recht." - Es hätte da tatsächlich - wie von mir vorgetragen - Ansprüche von Fiat, "aber nur für den italienischen Markt" am Namen "Lupo" gegeben. Aber das sei lange geregelt. Über das Wie wußte er natürlich nichts. Und auch sonst... - Eigentlich könne er mir nur mein Recherergebnis bestätigen und noch einmal betonen, daß das neue Modell nun überall als VW "Lupo" eingeführt würde.

Motor-KRITIK war auf die Unstimmigkeiten um die Rechte an "Lupo" gestoßen, als ihm bekannt wurde, daß VW schon vor einiger Zeit die Pressevorstellung des Fahrzeugs in Berlin nicht nur geplant, sondern auch angekündigt hatte. Und dann wurde dieser Termin abgesagt. - Was war der Hintergrund?

Kollegen wurden bei einer Rückfrage mit dem Argument zufrieden gestellt, daß man zu dem gewünschten Termin keine geschlossene Unterbringungsmöglichkeit für die vielen Teilnehmer in Berlin gefunden habe. - Na sowas!

Und so bin ich dann darauf gestoßen, daß wohl der tatsächliche Hintergrund für die Absage in der Frage um das Namensrecht begründet war. Zunächst hatte ich Walt Disney in Verdacht. Wer Comics liest, kennt Lupo. - Aber dieser Verdacht war falsch. Es war eine Automobilfirma, die sich den Namen, "aber nur für den italienischen Markt" (?) gesichert hatte: Fiat. Um genau zu sein: es war eine Fiat-Tochter. (Ich komme noch mal am Schluß der Geschichte darauf zurück.)

Und nun, nachdem alles - wie auch immer - geregelt ist, kann die Vorstellung des "Lupo" über die Bühne gehen. In Genf. Berlin konnte man nun nicht mehr nehmen. Wegen der Glaubwürdigkeit?

Aber bei Ford verlief die Geschichte um das Namensrecht an "Focus" noch spannender. Aber als die Öffentlichkeit davon erfuhr, hatte dieser Streit nach Motor-KRITIK-Recherchen schon eine Vorgeschichte.

Da hatte der große Chefredakteur eines Montag-Magazins mit Namen "Focus" die große Sorge, daß die Öffentlichkeit etwaige negativen Eigenschaften eines evtl. am Montag gefertigten Ford-Automobils "Focus" auf die Wochenzeitschrift "Focus" übertragen würde, die immerhin einen Bekanntsheitsgrad von 88 Prozent habe.

Und er gab Ford so einen ersten Anstoß, einmal mit ihm und dem Burda-Verlag in Verhandlungen einzutreten. Schließlich müsse man zunächst mal miteinander reden. Das alles war schon im Wonnemonat Mai. - Doch diese Verhandlungen scheiterten. Die Ford-Manager wollten nicht auf die Vorschläge des Herrn Markwort und des Burda-Verlages eingehen.Schließlich ist man einer der größten und mächtigsten Automobilhersteller der Welt, verfügt über eine eigene Rechtsabteilung. Wer ist dagegen schon Burda?

Man nahm bei Ford also die Haltung ein, die z.B. Opel und GM gegenüber Wilhelm Hahne einnehmen. Aber anders als Wilhelm Hahne ist Burda ein Medienimperium, dessen Chef, Hubert Burda, über 105 Titel gebietet und 1997 weltweit einen Umsatz von 1,88 Milliarden DM erwirtschaftete. Auch mit eigener Rechtsabteilung. Und so sahen dann auch nicht wenige Zeitschriften einen langen, langen Rechtsstreit voraus. Dabei wäre im Mai eine Lösung für Ford recht billig gewesen. (Darüber später mehr.)

Ford wollte es jetzt wissen und strengte vor dem Kölner Landgericht ein Verfahren an, das man eine "negative Feststellungsklage" nennt. Ford wollte sich also vom Gericht bestätigen lassen, daß man sehr wohl das Recht habe, ein Automobil "Focus" zu nennen, obwohl es eine Zeitschrift mit gleichem Namen gibt. Außerdem wollte man so einer möglichen Unterlassungsklage des Burda-Verlages zuvor kommen.

Doch die Richter der ersten Kammer für Handelssachen am Landgericht Köln entschieden gegen Ford. Die Richter meinten, Ford versuche den von "Focus" geschaffenen hohen Werbewert des Markennamens "zur Förderung des eigenen Wettbewerbs zu Lasten der Beklagten", nämlich des Burda-Verlages, für sich zu nutzen. Die Wertschätzung, die der Verbraucher der "Marke" Focus entgegenbringe, werde durch den Autokonzern ausgenutzt.

Ford war also - um es platt zu formulieren - mit seiner negativen Feststellungsklage "auf den Bauch gefallen". Aber schon damals, direkt nach der Verkündung des Urteils verkündete Ford: man werde von der Planung, im Oktober ein Automobil mit dem Namen "Focus" auf den Markt zu bringen, nicht abrücken. Und weiter: Ford könne sich sowohl ein Berufungsverfahren, aber auch eine außergerichtliche Einigung vorstellen. - Ford war sich - und das war der Eindruck bei Motor-KRITIK - seiner Sache sehr sicher. Man würde zu einer Einigung kommen. Und das macht neugierig. Zumal dann, wenn man ein wenig vom Inhalt der ersten Verhandlungen im Mai weiß.

Bei Burda hatte man vor Gericht deutlich gemacht, "es sei die ureigenste Sache" des Verlages, "zu wessen Gunsten sie die wertvolle Bezeichnung lizensiert". Wie wertvoll war "Focus" denn nun eigentlich aus der Sicht des Verlages?

Nach Motor-KRITIK vorliegenden Informationen hatte sich Burda bei den Mai-Verhandlungen vorgestellt, daß Ford einfach das bisherige Anzeigenvolumen um drei Millionen zusätzlich auf zwei Jahre aufstocke. Das war den Ford-Managern zu viel. Darum die Klage. Man muß aber auch Hubert Burda verstehen, der noch vor kurzem (in anderem Zusammenhang) erklärte: "Wer den freien, privaten Medien ihre Werbemärkte beschneidet, zerstört ihre wirtschaftliche Basis. Er trifft dadurch die Pressefreiheit in ihrem Kern."

Wenn der Burda-Verlag also nun für "Focus" mehr Anzeigengelder für sich forderte, wollte man damit wohl die Pressefreiheit sichern. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

Weil man in der Öffentlichkeit die wirklichen Hintergründe (die wirtschaftlichen) nicht kannte, machte man sich so mancherorts über das Gezeter von "Focus"-Chefredakteur Markwort lustig. "Sollte Ford sein Modell ersatzweise Bingo nennen, sehe ich mich gezwungen, ebenfalls zu klagen, denn diesen Namen hat bereits der Papagei meiner Eltern", schrieb z.B. ein Leser von "Auto-Bild". Das Automagzin "auto motor und sport" nannte das Ganze "Locuspokus" und "Auto-Bild" erinnerte in einem Kommentar: "Wäre das Magazin Focus schon vor 40 Jahren erschienen, hätte womöglich Ford gegen Burda klagen können. Wegen des Globus im Focus-Titel. Denn bis 1958 führten die Kölner statt der Plaume die Weltkugel im Taunus-Grill."

Bei Ford konnte man darüber nicht lachen. Man mußte nun schnellstens zu einer Lösung kommen und mußte dazu zunächst noch eine Brücke bauen. Und so drückte dann der neue Ford-Chef, James Donaldson, in einem persönlichen Brief an den Verleger Hubert Burda sein Bedauern aus, daß man die Bedeutung des Magazins auf dem deutschen Markt "nicht ausreichend berücksichtigt" habe. Und er bat um ein - erneutes - Gespräch.

Und dieses Mal einigte man sich. Und es wurde teurer für Ford, denn Burda war nun dank der Ford-Vorarbeit sogar gerichtlich abgesichert. Aber was sollte man nun gegenüber der Öffentlichkeit verlautbaren? - Motor-KRITIK weiß nicht von wem die Idee kam, aber sie ist geradezu genial. Ich möchte hier noch einmal die Formulierung wiederholen, mit der Chefredakteur Markwort die Einigung in seinem "Focus" (Heft 31/98, Seite 188) in einer unbedeutenden 21-Zeilen-Meldung verkündete:

"Optisch anders

Die Burda-Holding und der Autokonzern Ford haben ihren Rechtsstreit um den Markennamen Focus beigelegt. Beide Unternehmen einigten sich in der vergangenen Woche außergerichtlich, daß der Escort-Nachfolger den Namen Focus tragen darf, durch die optische Gestaltung und Vermarktungsstrategie aber jegliche Verwechslung mit dem gleichnamigen Nachrichtenmagaziun ausgeschlossen wird. Ford wird dafür das von Burda empfohlene Entwicklungsprojekt "Ärzte für die Dritte Welt" mit einer Spende in Höche von einer Million Mark unterstützen."

Das war´s in "Focus". Dabei hatte z.B. der "Kölner Stadt-Anzeiger" vermutet: "Den glorreichen Sieg im Namensstreit mit einem der größten Autohersteller der Welt wird der selbsternannte ´Fakten´-Macher (Anmerkung: gemeint ist Helmut Markwort) sicherlich groß ausschlachten." Und dann waren es nur 21 Zeilen. Und nur eine Million für einen karritativen Zweck. - War "die wertvolle Bezeichnung" nicht mehr Wert?

Nun kannten wir bei Motor-KRITIK den wesentlichen Inhalt der Mai-Verhandlungen und hatten auch gerade kein Taschentuch zur Hand. Also noch einmal recherchiert. Das Ergebnis: Nun stockt Ford das bisherige Anzeigenvolumen beim Burda-Verlag um sechs Millionen in drei Jahren auf. Die "Lizenz" der Namensrechte wurde also nun gegenüber den Mai-Verhandlungen bedeutend teurer. Aber genauso wie VW-Chef Piech seine Niederlage um Rolls Royce argumentieren konnte, ist auch Ford Chef Donaldson etwas "zum Gegenwert" seiner nun höheren Zahlung eingefallen. Im kleinen Kreis von leitenden Mitarbeitern machte er deutlich, daß er nun einen sehr guten persönlichen Kontakt zu Verleger Hubert Burda hergestellt habe. Man sei sich näher gekommen. Und er könne sich für die Zukunft... -

Wunderbar! - Motor-KRITIK wartet jetzt auf Ford-Fakten, Ford-Fakten, Ford-Fakten in "Focus" (oder "Bunte", "Freizeit-Revue", "Elle", usw.). Leider werden nicht alle der 5.750.000 "Focus"-Leser die Zusammenhänge begreifen.

Aber noch einmal zurück zu "Lupo". Zu der Übernahme der Namensrechte von VW hat Motor-KRITIK noch eine Vision: Bei der Fiat-Tochter handelt es sich um IVECO. Und da Ferdinand Piech immer schon noch mindestens eine Lkw-Firma zukaufen wollte... -

Irgendwann werden wir auch im Falle VW/IVECO wissen, was hinter den Kulissen wirklich vor sich ging, als man um die Namensrechte an "Lupo" rangelte. Diesen Namen buchstabiert man übrigens nach einer Darstellung von Prof. Dr. Klaus Kocks, dem Kommunikations-Genie der Volkswagen AG, so: Lifestyle, Undersstatement, Performance, Optimism.

Und Journalismus wahrscheinlich so: Markwort, Fakten, Markwort, Fakten, Markwort, Fakten,Focus-Fakten - Ach, Sie meinen, Journalismus hätte noch mehr Buchstaben? - Kann sein. Aber es reicht auch so. Und wenn die Buchstaben nicht so recht passen, dann ist das so, wie man das auch oft bei der Umsetzung von Fakten in Öffentlichkeitsarbeit erlebt: es stimmt nicht unbedingt alles. Aber es ist jedenfalls eine Information.

MK/Wilhelm Hahne