Über die feine Art der Journalistenbeeinflussung

Jetzt, zur IAA der Nutzfahrzeuge, konnte man es erleben. Zum Pariser Salon wird es wieder passieren. Aber es ist nichts Neues. Wer so lange in der Branche unterwegs ist wie der Chronist, kann so manche - passende - Geschichte erzählen. Und das will ich denn auch tun. Und ein paar Beispiele aufzeigen. Und dabei deutlich machen, was gerade in Hannover passierte. Und was in Paris passieren wird. Und was schon "Bob" Lutz - auch dank der kundigen Beratung durch seinen damaligen PR-Chef - so wunderbar beherrschte. Es ist das Gebiet der:

Exklusiv-Informationen

98-09-11/01. Es gibt tatsächlich keine subtilere Art der Beeinflussung (oder Bestechung) von Journalisten, als die der Exklusiv-Information. Man kann sich ihrer Wirkung kaum entziehen. Aber es kommt natürlich auch darauf an, wie man die Sache anpackt. - Lassen Sie mich zunächst ein - allerdings schon lange - zurückliegendes Beispiel erzählen.

Da gab es irgendwann eine Ford-Veranstaltung. Auch der damalige Vorstandsvorsitzende "Bob" Lutz (einer der besten, die Ford je hatte) war vor Ort. Und irgendwann nahm er mich zur Seite, setzte sich mit mir abseits, um mich mit seinen Gedanken über den neuen Ford Escort bekannt zu machen. Natürlich war - und ist - der Escort ein wichtiges Auto für Ford. Und natürlich macht man sich als Vorstandsvorsitzender auch Gedanken. Und darum wollte mich "Bob" Lutz nun mit dem "Neuen" bekanntmachen. Per Foto. Und mich um meine Meinung bitten. Weil ihm gerade an meiner Meinung besonders gelegen war. (Wer hört das nicht gern?)

"Bob" Lutz machte mir gegenüber kein Hehl daraus, daß er den neuen Escort - der natürlich noch absolut geheim war - besonders toll finden würde. Er würde mir das Fahrzeug gerne einmal zeigen - auf einem Foto - um meine Meinung zu hören, die hoffentlich auch seiner Meinung entsprechen würde. - Weil dieses Fahrzeug natürlich für die Ford Werke AG in Köln so besonders wichtig wäre. Und da ich sowieso einer der Besten der Branche wäre... und, und, und.

Und er überhöhte seine Empfindungen für diesen neuen Escort geradezu, wenn er dann ausführte: "Also eigentlich hatte ich bisher nur das Bild meiner Freundin in der Brieftasche. Aber seitdem es nun den neuen Escort - zumindest als Prototypen gibt..." - Und er öffnete seine Brieftasche, zeigte mir das Bild seiner Freundin und dann das des neuen Escort. Natürlich vertraulich. Und nur um meine Meinung zu hören.

Da mir das alles ein wenig "zu optimal" war, verhielt ich mich ein wenig zurückhaltend. Aber ich kann nicht abstreiten, daß mich diese Art des "Bob" Lutz, mich sozusagen ins Vertrauen zu ziehen, schon berührte. Aber ich war vorsichtig, habe nicht Ah und Oh geschrien, als ich das Foto sah.- Das vom neuen Escort. ("Bob" Lutz´s Freundin hatte ich auch schon im Original gesehen.)

Wir haben also ein wenig über den neuen Escort gesprochen - und ich bin doch beeindruckt von dem großen Vertrauen des "Bob" Lutz nach Hause gefahren. - Aber da überkamen mich dann Bedenken. Und je länger ich über die Sache nachdachte... -

Also habe ich dann zwei oder drei Kollegen, die ich für "wichtig" hielt - und von denen ich wußte, daß sie auch auf dem Ford-Termin waren - angerufen. Ich habe sie gefragt, ob ihnen "Bob" Lutz das Foto seiner Freundin gezeigt habe.

Die Kollegen waren verblüfft, daß ich dieses Geheimnis kannte. Sie haben es bestätigt. Und auch, daß Bob Lutz sie natürlich nach ihrer Meinung zum neuen Ford Escort gefragt habe. Nachdem er ihnen die Fotos gezeigt hatte. - Natürlich streng vertraulich.

Ich mußte daran denken, als ich jetzt von einer "Aktion" der Frau Dr. Wegerhoff erfuhr, die den Nachfolger des Ford Escort, den Ford Focus betrifft. Bei Ford hatte man sich geärgert, daß einige Publikationen, denen man - des "Vorlaufs" wegen - das Fahrzeug früher als anderen Medien zum Fahr-Erleben zur Verfügung gestellt hatte, darüber auch - ohne sich an Sperrfristen zu halten (!) - einfach sofort berichteten.

Und so war sie denn aufgebrochen, um jenen "bösen Buben" die Leviten zu lesen. Dabei lernte sie dann auch gleichzeitig ein paar wichtige Leute der Branche kennen, die sie bisher bestenfalls vom Telefon kannte. (Alles hat eben seine besondere Bedeutung.) - Nun, ihre Reise (sie ging übrigens nach Hamburg) hat eigentlich auch nichts gebracht. Bei Frau Dr. Wegerhoff höchstens nun die Einsicht, daß "Sperrfristen" in der heutigen Zeit eigentlich "von gestern" sind. - Aber das hätte sie auch durch einen Anruf bei Motor-KRITIK erfahren können.- Aber natürlich kennt sie jetzt einige wichtige Leute der Branche persönlich. (Dafür hat sie dann fast ein Jahr gebraucht!) - Was das nun mit dem ersten Teil meiner Geschichte zu tun hat? - Warten Sie doch mal ab!

Kurze Zeit später hörte ich dann von Kollegen, daß Frau Dr. Wegerhoff (und andere wichtige Ford-Mitarbeiter) den im schönen Frankreich gelegenen Präsentationsort für den neuen Focus für kurze Zeit verlassen hatten, um sich zur IAA (Nutzfahrzeuge) nach Hannover zu begeben. - Warum? - Gab es auch Lkw-Interessen?

Die Auflösung: Nach dem System der "alten Bob Lutz-Masche" (s.o.) war Ford folgendermaßen vorgegangen: Man hatte in Europa ein paar wichtige Journalisten angerufen und mit der Frage überrascht, ob sie zur IAA nach Hannover kommen würden. - Nein, das hatten die nicht vor. Weil sie doch eigentlich mehr Pkw-Leute sind und... -

Aber ob sie denn nicht Lust hätten nach Hannover zu kommen, wenn sie dort Gelegenheit hätten, einmal ihre Meinung über alle wichtigen Dinge des Automobilgeschäfts mit einem der bedeutendsten Manager des Ford Konzerns (aus den USA) auszutauschen? - Und man würde sie dann auch sicherlich bei dieser Gelegenheit einen tieferen Blick in die Modellentwicklung der Zukunft... -Und natürlich müßte das alles geheim bleiben. Das Treffen mit dem Ford-Manager könne natürlich nur - abseits des Ausstellungstrubels - in einem stillen Kämmerlein (Hotelzimmer) stattfinden. Und natürlich würde man auch ein Flugticket schicken.

Bingo! - Das zog. Und jeder der Angesprochenen (keiner wußte vom anderen!) sagte zu. Und so bekam dann jeder (auf seine Art) exklusiv den Nachfolger des Ford Transit (übrigens mit einer "Lenkradschaltung" besonderer Art: mit einer Wippe hinter dem Lenkrad, ähnlich einer Schaltbetätigung bei einem Formel 1-Fahrzeug) zu sehen. Und Fotos vom Nachfolger des Ford Mondeo. (Eine Stufenheck-Limousine herkömmlicher Art. - Nix New Age.)

Ich fand das alles sehr lustig. Denn außer mir weiß bis heute immer noch keiner der "Bevorzugten", daß man ihn eigentlich auf den Arm nahm. - Aber ist das nicht das gleiche System, mit dem damals Bob Lutz auch mich und andere Kollegen ködern wollte?

Und je länger man darüber nachdenkt, desto mehr Beifall muß man den Arrangeuren spenden, weil es immer noch ein sehr gut funktionierendes System ist.

Aber das weiß man nicht nur bei Ford. - Wie ich gerade feststellen konnte, bereitet man auch etwas ähnliches bei VW vor. Den Herrn Prof. Dr.Kocks muß man schon zu den Pfiffigen zählen. Darauf gekommen bin ich durch die etwas einfache "Strickart", mit der man die Kollegen zum Pariser Salon locken wollte.

Da wurde bei der Vorstellung des VW Lupo in Genf ganz geheimnisvoll getan. Prof. Dr.Kocks: "Ich rate zur Teilnahme, jedenfalls was uns angeht". Und alle denken nun, dort - in Paris - wird das neue Dreiliter-Auto präsentiert. - Aber das ist - zumindest nach meinen Recherchen - nicht so. Das Dreiliter-Auto, den Lupo als Leichtgewicht und mit Dreizylinder-Diesel-Direkteinspritzermotor, den werden nur Auserwählte - aber nicht nur - zu Gesicht bekommen, sondern auch fahren können. Aber das nicht an den Pressetagen, sondern danach. Abseits vom Ausstellungsrummel. Im östlichen Teil von Paris. - (Aber bitte nicht darüber reden, weil das ganz geheim ist.)

Die anderen Kollegen, die wegen des Dreiliter-Autos nach Paris kommen, und ihn dann nicht zu Gesicht bekommen, werden aber auch nicht enttäuscht werden, weil VW-Boß Piech den Pariser Salon dazu nutzen wird, eine kleine Sensation zu präsentieren. Nach Auffassung von Motor-KRITIK kann es sich hier nur um den neuen Bugatti mit 16-Zylinder-Motor handeln. (Bei meinen Recherchen versuchten mich Insider von dieser Meinung abzubringen, indem sie mich auf einen Horch mit 12-Zylinder-Motor zu bringen suchten. Aber ohne Namen und Zylinderzahl zu nennen. Wirklich "wohlmeinend", nur um mich vor einem (Denk-) Fehler zu bewahren.) - Schau´n mer mal!

Natürlich geht es auch hier um Beeinflussung. Nicht nur von mir. Sondern vor allem um die von Kollegen. Wer wird wohl negativ über den Dreiliter-Lupo schreiben, wenn er doch - sozusagen weltexklusiv - in Paris die Möglichkeit hatte, das Fahrzeug schon dynamisch zu erleben. Und natürlich wird man bei VW nur jenen Kollegen die Möglichkeit einer "Testfahrt" geben, die man den Meinungsbildnern zurechnet. - Weil auch die Auflagenzahlen stimmen. Die Kollegen müssen eben auch Multiplikatoren sein.

Und wenn die anderen dann richtig abschreiben... - Immerhin sind die dann auch mit dem Bugatti (ich bleibe dabei) getröstet. Das ist eigentlich noch cleverer, als es Ford zur Nutzfahrzeug-IAA in Hannover machte.

Und auch besser, als es "Bob" Lutz mit mir machte. Mich hatte er nicht festlegen können. Als ich nämlich dann den neuen Ford Escort bei der Vorstellung gefahren hatte und dazu noch das Ford Magazin mit einem Titelfoto erschien, daß die Fahrwerkschwäche des neuen Escort auch optisch verdeutlichte (die Vorderachse war genauso schlecht, wie die des damaligen Fiesta), da schrieb ich dem Chef der Öffentlichkeitsarbeit bei Ford einen entsprechenden Brief. Auf den er dann auch nie geantwortet hat.

Er war nämlich damals  in der gleichen Situation, wie heute bei Opel: Jede Antwort hätte gegen Ford verwendet werden können, wenn er die Wahrheit gesagt hätte. Und so hat er geschwiegen. Wie heute bei Opel. - So ist es doch, lieber Hans Wilhelm Gäb?

Was aber nicht gegen die "Masche" spricht - die auch Hans Wilhelm Gäb glänzend beherrschte - durch Exklusiv-Informationen Journalisten-Kollegen für sich und das gerade von ihm vertretene Fabrikat einzunehmen. - Was solange funktioniert, bis man das System durchschaut.

Und dann wird man für jene "Strategen" zum Gegner. In die Liste der Borghs und Gäb und des bei  Opel ausgebildeten Inhester, darf ich also nun auch Frau Dr. Wegerhoff und Prof. Dr. Klaus Kocks aufnehmen. - Die verhalten sich ja auch inzwischen entsprechend. - Jeder auf seine Art. - Was Motor-KRITIK aber nicht an einer umfassenden - und um Objektivität bemühten - Berichterstattung hindert.

MK/Wilhelm Hahne