Gedanken über die nächste Motorsport-Zukunft von Porsche und erste Infos über neue Modelle

In Rennen um die GT-Weltmeisterschaft spielt der Porsche GT 1 nicht gerade die "erste Geige". Im Klassement der GT 2 stellt Porsche zwar die größte Anzahl der Teilnehmer, aber - siegverdächtig ist Porsche da nicht. Und was ist mit einem GT 3? - Was wird Porsche in der nächsten Saison machen? - Wichtig für Firmenchef Wiedeking ist, daß alles möglichst wenig Geld kostet, der Effekt dagegen groß ist. Wäre nicht der Sieg in Le Mans gewesen - der glückliche Sieg - das Unglück hätte damals schon seinen Lauf genommen. In diesen Tagen wird in Stuttgart so manche grundsätzliche Entscheidung fallen, die die Motorsport-Saison 1999 betrifft. Motor-KRITIK schreibt nachstehend nieder, was wohl zu erwarten ist. Zum Beispiel ein komplett neuer GT 2. Ein Mittelmotor-Sportwagen! - Aber:

Zufalls-Erfolg in Le Mans verfälscht das Bild

98-09-28/01. Es gibt viele, die haben den Porsche-Erfolg in Le Mans hingenommen wie selbstverständlich. Schließlich war Porsche dort schon oft erfolgreich. Aber inzwischen müßte auch diesen Leuten klar geworden sein, daß der Sieg in Le Mans 1998 ein Zufallserfolg war.

Für Motor-KRITIK war er eine absolute Überraschung, weil - in Kenntnis der Sachlage - eigentlich klar war, daß der Porsche GT 1 mit allergrößter Wahrscheinlichkeit mit einem Getriebeschaden ausfallen würde. Aber dann scheiterte der (eigentlich verdiente) Toyota-Sieg ausgerechnet an einem Getriebeschaden, während das Porsche-Getriebe - für Motor-KRITIK unverständlich - durchhielt. Das Porsche-Horoskop war günstig und Porsche gewann.

Der Chronist hat damals die Welt nicht mehr verstanden und sich selbst zum "Vollidioten" erklärt. Bis vor ein paar Wochen. Da gab es dann die Erklärung: Porsche ist in Le Mans nicht mit dem dem eigentlich im GT 1 verbauten Getriebe gefahren, auch nicht mit einer alten (bei Porsche vorhandenen) Version eines Getriebes, wie Motor-KRITIK dann annehmen mußte, sondern Porsche hat für den Le Mans-Einsatz ein komplett neues Getriebe, klauengeschaltet, (bei einer deutschen Firma) bauen lassen.

Exakt 4,5 Wochen vor Le Mans erging der Auftrag durch Porsche an diese Firma. Und weil man in Zeitdruck (und unter Erfolgsdruck) war - und ganz sichergehen wollte - hat man gleichzeitig noch einen Auftrag für bestimmte "Innereien" des bestellten Getriebes parallel in England in Auftrag gegeben. Was die Ingenieure der deutschen Firma wurmte, als sie davon erfuhren.

Das Getriebe - es wurden exakt vier Stück gefertigt - wurde aber dann in Le Mans in der "rein deutschen" Version gefahren. Es kam also nicht das Porsche-Getriebe zum Einsatz, das von Motor-KRITIK im Vorfeld von Le Mans kritisiert worden war. Und die Stückzahl "vier" beim Getriebeauftrag signalisiert auch, warum die Zakspeed-Fahrzeuge in der Le Mans-Vorqualifikation "durchs Zeitraster fallen" mußten: es gab nicht genügend Teile für vier Einsatzfahrzeuge.

Natürlich ist bei einer solchen Entscheidung viel Politik im Spiel und Porsche (exakt: Rennleiter Ampferer) hat die Motor-KRITIK-Berichterstattung überhaupt nicht gepaßt. Da auch bei intelligenten Leuten ein "Primitivdenken" nicht ausgeschlossen werden kann, wurde wohl damals als die "undichte Stelle" (die, die mich mit Informationen versorgte) direkt nach meiner ersten Le Mans-Geschichte, mein Bruder Armin ausgeguckt. Offensichtlich hat er Ärger bekommen. Oder warum hat mein Bruder seit der Vorqualifikation (Mai 1998) mit mir kein Wort mehr gesprochen? Er war auch - direkt nach meiner Geschichte - telefonisch nicht mehr zu erreichen. - Inzwischen habe ich auch alle Kontakversuche eingestellt.

Damit ist hoffentlich klar: Armin Hahne gehörte damals und gehört heute nicht zu meinen Informanten, wenn ich heute über den Porsche Motorsport schreibe, ein wenig zurück und voraus blicke. - Warum kann sich eigentlich kaum jemand vorstellen, daß es in der heutigen Zeit noch Menschen gibt, die sich in ihren Handlungen an den grundsätzlichen Auftragstellungen ihres Berufes orientieren? Mein Bruder Armin erfüllt konsequent seine Aufgaben als Profi-Rennfahrer; ich arbeite konsequent als Journalist. Und ich lasse mich nicht in meiner Berichterstattung davon beeinflussen, daß mein Bruder zufällig für Porsche fährt. - Er macht seine Arbeit, ich mache meine. Ist eine solche Einstellung  heute so selten geworden? Andere wägen wohl die Vor- und Nachteile für sich und Freunde (oder Verwandte) ab, verhalten sich jeweils der Situation "angepaßt". Und schließen dann von sich auf andere.

Ich mußte meine Leser mit dieser "Familiengeschichte" langweilen, da es nicht das erste Mal ist, daß "Primitivdenker" Zusammenhänge herstellen, nur weil sie in ihre Art zu Denken (und Handeln) passen. Und das soll es ja auch tatsächlich geben: Journalisten, die sich in ihrer Berichterstattung durch vorhandene freundschaftliche Kontakte beeinflussen lassen. (Manchmal können das auch Beraterverträge sein.) - Für mich - und für das was  in Motor-KRITIK erscheint - gelten nur Recherche-Ergebnisse. - Und die sehen im Falle Porsche z.B. so aus:
 
Der Porsche GT 1 ´98 hat gute Anlagen, aber er wurde (wegen Geldmangel?) nicht weiter entwickelt. Am Fahrwerk hätte man etwas tun müssen, an der (Differential-) Sperre, schlummernde Reserven hätte man in Motor wecken können, wenn man getestet, getestet, getestet hätte. Und natürlich das Getriebe... -

Eigenartig, daß das alles erst einen spürbaren Schritt voran kam, als Porsche eine Reihe von Neuzugängen von AMG (Mercedes) zu verzeichnen hatte. Die Ex-AMG-Leute brachten das Getriebe auf Vordermann, kümmerten sich um den Motor, sorgten für die Schaffung eines Testteams. Aber - da man erst sehr spät in der Saison damit begann - kann man den Vorsprung der Mercedes-Teams kaum aufholen. Dort hat man zu keinem Zeitpunkt geschlafen.

Natürlich weiß der nun für Porsche tätige Ex-AMG-Mann sehr gut, daß der Porsche-Motor nicht gerade "das Gelbe vom Ei" ist. Schließlich ist es der gleiche Mann, der vorher gerade noch den V8-Motor für die siegreichen Mercedes CLK GT entwickelt hatte. Und andere Fehler des Porsche-Rennleiters (z.B. bei der Fahrerbesetzung) können diese Ex-AMG-Leute auch nicht ausgleichen.

Und wenn jetzt auch Michelin aus der GT-Serie aussteigt (was wahrscheinlich ist), dann hat Porsche ein weiteres Problem. Es könnte eigentlich schon ausgeräumt sein, wenn das Zakspeed-Team zusammen mit Pirelli richtige Entwicklungsarbeit betrieben hätte. Aber die Vorderachsentwicklung z.B., die in "eurosport" dem Team aus Niederzissen durch Manfred Jantke (Ex-Porsche-Pressesprecher) zugeschrieben wurde, hat niemals stattgefunden. Wie übrigens die ganze Berichterstattung auf "Eurosport" (vom letzten Lauf in Österreich) den Eindruck erweckte, als stünde Manfred Jantke wieder auf der Porsche-Lohnliste.

Nach dem Rennen in Österreich führte Porsche übrigens noch mit Pirelli-Reifen Testfahrten durch. Und zur Überraschung mancher Leute (z.B. des Porsche-Rennleiters) war der "Wunderknabe" McNish nicht so schnell wie man gedacht hätte und Bartels war schneller als es für McNish gut war. - Für den aufmerksamen Beobachter war die Fahrerzusammensetzung im Porsche-Werksteam vorher schon unverständlich. Wenn man "Kinder" mit "Fremdenlegionären" mischt, ergibt das nicht unbedingt die Idealvoraussetzung für den Gewinn von Langstreckenrennen. Erst recht nicht dann, wenn man denen nicht überlegenes Material zur Verfügung stellen kann. - Wer nicht über das Geld verfügt, gute Fahrer einzukaufen, kann sich auch das Geld für Neukonstruktionen sparen.

Wenn Porsche-Chef Wiedeking etwas vom Motorsport verstehen würde, hätte er sicherlich schon im Vorfeld eingreifen müssen. Oder er hätte einen wirklichen Rennleiter einstellen sollen. Dann wäre sicherlich manches teurer geworden, aber das Porsche-Team auch erfolgreicher.

Wobei bei Porsche nicht etwa "billig" gearbeitet wurde. Wenn man einmal die Reisevorbereitung und die -Durchführung zum GT-Lauf in Japan betrachtet: allein an Reisekosten hätten sich da mit ein wenig "Kopfarbeit" gut 150.000 DM einsparen lassen; Geld, das man für Tests besser hätte verwenden können.

Läßt man einmal die fast abgelaufene Saison Revue passieren, ist eigentlich klar, zu welcher Entscheidung ein Porsche-Vorstand kommen muß, der nur die Kosten/Nutzen-Rechnung im Kopf hat und eigentlich nichts vom Motorsport (wenn man ihn als Sport sieht) versteht. Die Situation ist - im Hinblick auf die überlegene Konkurrenz von Mercedes - einfach aussichtslos. Hinzu kommt, daß Michelin sich wohl zurückziehen wird. Also: den Porsche GT 1 sieht Motor-KRITIK in der Saison 1999 nicht mehr in der GT-Weltmeisterschaft. Da Audi an einem WSC-Auto arbeitet, andere Konkurrenz auch ausbleibt, wird sich dann wohl auch Mercedes zurückziehen. - Das wäre dann das Ende der GT 1-Kategorie, die in diesem Jahr sowieso nur deshalb von der FIA geduldet wurde, weil durch den Einsatz von je vier Fahrzeugen durch Mercedes und Porsche das von der FIA geforderte Minimum-Starterfeld von 10 Sportwagen erreicht werden konnte.

Porsche wird sicherlich aber wieder 1999 in Le Mans starten. Und die GT 1 dann in Amerika (das ist auch ein wichtiger Markt) nutzen. Aber das Horoskop muß 1999 nicht so günstig sein wie 1998. Und mit "links" geht gar nichts. - Wie die Ergebnisse in der Saison 1998 bewiesen haben.

Bleibt die GT 2-Kategorie. - Auch hier kommt von Porsche nichts. Weil man nicht alles gleichzeitig machen kann, wird argumentiert. Wer´s glaubt... - Tatsache ist, daß man an einem neuen GT 2 arbeitet. Nein, nicht auf der Basis des 996, sondern als ein eigenständiges Fahrzeug. Mit Mittelmotor. Ein Achtzylinder. Das ergibt sich, weil man für den kommenden Geländewagen auch einen Achtzylinder braucht. (Denkt man.) Und so arbeitet man gleichzeitig an einem Sportmotor für einen neuen GT 2. - Es ist nicht auszuschließen, daß es sich bei dem Achtzylinder-V-Motor (kein Boxermotor!) um jene wassergekühlte Konstruktion handelt, die einmal für den 4/5-Sitzer-Porsche gedacht war, dessen Entwicklung dann aber  eingestellt wurde.Der neue GT2 soll nach den Motor-KRITIK vorliegenden Informationen nicht in großen Stückzahlen gebaut werden. Wendelin Wiedeking denkt so an eine Sonderserie von 100 Stück. Und er hat einen Preis von DM 500.000 (pro Stück) ins Auge gefaßt.

Aber bis daß das Fahrzeug dann im Markt ist, werden die bisherigen Porsche-Privatfahrer sicherlich längst alle eine Chrysler Viper fahren. Und die noch vorhandenen "alten" Porsche GT 2 werden errötend deren Spuren folgen. Auf der Rennstrecke.

Motor-KRITIK darf in diesem Zusammenhang an die Worte des großen Vorsitzenden auf der Porsche Cup-Feier am 29. November 1997 (17 Uhr) in Wiessach erinnern, wo Wendelin Wiedeking zur GT 2-Situation sagte: "...ist es nur selbstverständlich, daß Porsche auch an seine privaten Renn-Kunden denkt. Deshalb haben wir den 911 GT2 völlig überarbeitet und modifiziert. Wir glauben, mit diesem Fahrzeug ein siegfähiges Konzept für die GT2-Klasse anzubieten."

Daß mit dem Glauben hat nicht funktioniert. Nun möchte man es richtig machen. - Warum nicht gleich konsequent, Herr Wiedeking?

Und was ist mit einem GT 3. - Nun der kommt im nächsten Jahr. Gerade wurde noch einmal die Fahrwerkabstimmung auf der Nürburgring-Nordschleife überprüft. Von Walter Röhrl. Der das Fahrzeug übrigens auch im strömenden Regen bewegte. Und wie! - Immerhin fuhr er um 9:30 min; bei trockener Strecke verpaßte er um einen Hauch die 8 min-Grenze. - Das ist nicht schlecht, zeigt aber auch, daß der Porsche durch seine ganzen Sicherheitseinbauten fett und (zu ) schwer geworden ist. Mit einem BMW-Renndiesel (fahrfertig 1100 kg) fährt man z.B. schneller um die Nordschleife. Deutlich schneller. Auch wenn nicht Walter Röhrl am Steuer sitzt.

Weil die wesentlichen Veränderung am GT3 gegenüber dem normalen 996 vielleicht interessieren: Natürlich hat der Motor mehr Leistung, der Vorderwagen wurde verstärkt (!), am Unterboden wurde gearbeitet, der Heckflügel wurde (um den Auftrieb zu mindern) verlängert, es gibt eine andere Gesamtübersetzung, aber auch eine gegenüber dem normalen Serienmodell geänderte Getriebeeabstufung. - Fast hätte ich es vergessen: dieser neue "RS" erhält auch serienmäßig einen 90 Liter-Tank. - Das wär's. - Da in dieser Woche erst die Höchstgeschwindigkeitsmessungen vorgenommen werden, kann ich auch erst in den nächsten Wochen die genaue Höchstgeschwindigkeit des neuen GT3 (oder "RS") vermelden. Sie wird aber nach mir vorliegenden ersten Informationen über 300 km/h liegen!

Wer genau hingeschaut hat, wird begreifen, daß von den bei der Entwicklung dieses Fahrzeug gewonnenen Erkenntnissen (die auch auf Erfahrungen mit dem diesjährigen Super-Cup Porsche beruhen) das diesjährige Super-Cup-Fahrzeug in der nächsten Saison nicht mehr eingesetzt wird. Es werden zwar Nachrüst-Kits lieferbar werden, aber - der Veedol-Langstreckenpokal braucht auch Nachschub an neueren Porsche-Modellen. Für 1999 wird eine neue Generation von Super-Cup-Fahrzeugen zum Einsatz kommen. Mit verstärktem Vorderwagen. Und sicher wird auch die normale Serie von den im Rennbetrieb gewonnenen Erfahrungen profitieren.

Und noch etwas grundsätzliches zum 996 insgesamt, die Meinung von Motor-KRITIK: Der Porsche 996 ist jetzt zwar insgesamt ein alltagstauglicher GT geworden, aber ein Sportwagen-Abenteuer ist er nicht mehr. Das unberechenbare, das katzenhafte,  - leider auch das einmalige - ist ihm verlorengegangen. Was geblieben ist, ist seine porsche-triste Innenraumgestaltung. Man denke nur mal an die Entwicklung (?) des Armaturenbretts (gute Bezeichnung!) vom Porsche 924 zum Porsche 968. - Manches hat bei Porsche eben Tradition. - Und werfen Sie dann einen Blick in den neuen 996. - Schade!

Ein anderer Ausruf bleibt einem auch nicht, wenn man die Entwicklung im Porsche-Motorsport beobachtet. Es gibt gute Ansätze, aber keine konsequente Weiterentwicklung. Manches wirkt wie erstarrt. Hoffnung entsteht erst wieder durch die Verpflichtung der AMG-Mannen, die schon wieder ein wenig "Wind in die Bude" bei Porsche-Motorsport gebracht haben. Aber eigentlich ist es schade, wenn inzwischen Porsche-Siege mit aktuellen Modellen (fast) nur noch da herausgefahren werden können, wo ausschließlich Porsche am Start sind: in den Porsche-Cup-Serien.

Aber wenn dann im Jahre 2001 die neuen GT 2 am Start sind... - Nicht nur in der Porsche-Firmengeschichte gibt es Höhen und Tiefen. Auch im Porsche-Motorsport. - Wir heißen Euch hoffen!

MK/Wilhelm Hahne