Wie die Presseabteilungen die Journalisten "an der Nase herumführen"

Bei jedem Automobilhändler jeder Marke liegen heute in den Verkaufsräumen Nachdrucke von Tests oder Zeitschriften mit Tests von Modellen der jeweiligen Marke aus. Klar, daß es nicht die Tests sind, die den Kunden evtl. von seinen Kaufabsichten abbringen könnten. Es sind "gute Tests". Und daß sie gut sind, dafür werden dann schon bei den Firmen selbst, in den jeweiligen Presseabteilungen, die Voraussetzungen geschaffen. Durch gutes Vorbereiten der Testfahrzeuge. Worüber nachstehend berichtet wird.

Da wird selbst Gutes noch besser

98-09-28/02. Es stand im "stern": Als ein Mitarbeiter des Hamburger Magazins einem "Smart"-Verkäufer vorhält, daß die Federung des Smart in ersten Fahrberichten als "zu hart" kritisiert worden wäre, "raunt der Verkäufer" ihm zu: "Nur zur Erklärung, die Presse- und Marketingjungs hatten Panik. Daß bloß kein Journalist den Smart aufs Dach legt. Die hatten härtere Federn drin. Deshalb meckern die an der Härte rum. Die wir bekommen, werden weicher sein."

Auch "auto motor und sport" hat jetzt offensichtlich - wenn es denn richtig ist, was der "Smart"-Verkäufer sagte - die "harte Version" für einen Test bekommen. O-Ton "ams": "Auf holpriger Fahrbahn hüpft der Smart wie ein Ping-pong-Ball, und auf Bodenwellen hoppelt er wie ein Hase." Beim Testwagen konnten die Redakteure aber feststellen: "...die Verarbeitung erscheint sauber bis ins Detail. Karosseriegeräusche sind auch auf holprigen Straßen nicht zu hören."

Aber eine solche Aussage ist bei Testwagen, gerade wenn sie aus dem Mercedes-Umfeld kommen, eigentlich ohne Wert, weil, wie jeder gute Motor-Journalist weiß, es wohl kaum eine Testwagenabteilung gibt, wo die Testwagen so optimal vorbereitet werden wie bei Mercedes-Benz.

Eine Frage von Motor-KRITIK an den Mitarbeiter einer Presseabteilung (nicht der von Smart oder Mercedes!): "Was halten Sie von der Aussage des "Smart"-Verkäufers im "stern"? - "Aber Herr Hahne", sagt er mit dem Unterton der Entrüstung und "streichelt" mich gleichzeitig wenn er dann unterstellt, "das müßten Sie doch wissen. Verkäufer sind Schwätzer." - Na ja, vielleicht kennt unser Pressemann die Verkäufer seiner Marke so gut. Ich habe in meinem Leben auch gute Verkäufer kennengelernt. Und ich weiß zu viel von der Vorbereitung von Pressefahrzeugen.

Was glauben Sie, was Mercedes für einen Aufwand betreibt, um z.B. einen Dauertestwagen für "auto motor und sport" vorzubereiten? Das Fahrzeug wird eigentlich ein zweites Mal produziert. Aber nun richtig. Und das dann daraus entstehendes Testergebnisse sagt sicherlich etwas darüber aus, wie gut der entsprechende Mercedes sein könnte, wenn... -

Aber das ist nicht etwas mercedes-typisches. Das gibt es bei Opel, bei Ford... - Dabei fällt mir ein, daß z.B. - es muß Anfang der 70er Jahre gewesen sein - der 1,7 Liter V4 der Kölner Ford-Werke AG in den Fahrzeugpapieren eine Leistung von 75 PS aufwies. Aber die stand nur in den Papieren. Tatsächlich waren bei den meisten Motoren nur unter 70 PS vorhanden. Bis auf die Motoren der Testwagen. Dort stimmte alles.

Die Leistung war auch bei den Motoren vorhanden, die für die Typprüfung vorbereitet waren. Und da das Kraftfahrtbundesamt bei der Leistung in der Serie ein Plus (oder Minus) von 5 Prozent toleriert... -

Oder: die Auto-Zeitung stellte - auch vor vielen Jahren - einmal fest, daß bei einem Test-Audi eine andere Nockenwelle als serienmäßig verbaut - natürlich rein irrtümlich - zum Einbau gekommen war.

Ein anderes Beispiel: bei einem Testmotorrad mit 27 PS fiel mir auf, daß es (viel) besser ging als andere 27 PS-Motorräder die ich vorher gefahren hatte. Also habe ich mein Gefühl überprüft, bin in eine Werkstatt gefahren und habe auf meine Kosten die Ventilzeiten nachmessen lassen. Natürlich stimmten die nicht, weil - natürlich irrtümlicherweise -gerade (und natürlich ausschließlich in meinem Testmotorrad) eine "Europa-Nockenwelle" verbaut worden war, die dem Motorrad dann dummerweise mehr Leistung einhauchte.

Ich habe damals den Motorrad-Importeur gebeten, diese Testmaschine schnellstens durch eine "ungetunte" zu ersetzen. Während ich mir sonst bei dieser Firma die Maschine abholen (und auch natürlich wieder hinbringen) konnte, wurde jetzt die Testmaschine mit einem Transporter abgeholt und mir die neue wieder zugestellt. - Das passierte übrigens bei Honda. (Weil ich auch die anderen Fabrikate genannt habe.)

Und ich kenne einen jungen Mann (jünger als ich), der sich in den Semesterferien ein paar Mark dazu verdiente, indem er er bei Ford in Köln bei der Vorbereitung der Pressefahrzeuge mithalf. Auch dort waren dann - nach der "Vorbereitung" - die Testwagen besser, als wie die, die frisch vom Band kamen. Was die Fahrzeuge dann in vielen Testberichten besser aussehen ließ, als sie eigentlich waren.

Erstaunlich, daß man - obwohl technisch auf alles geachtet wird - trotzdem oft Testwagen erhält, bei denen Details nicht stimmen. Da ist der Aschenbecher vom Vorgänger nicht geleert, da gibt es Autoschlüssel ohne Schlüsseltäschchen (Erinnern Sie sich noch an meine Demonstration "damals", Herr Gäb? - Was dann den Pressechef in Frühpension gehen ließ.) Da zeigen Uhren noch die Sommerzeit, wenn schon Winterzeit ist (und umgekehrt.). - Es gibt nicht nur bei der Serienfertigung Schlamperei. Auch bei der Testwagen-Vorbereitung.

Dabei wird in technischer Hinsicht - weil da die Arbeiten exakt vorgeschrieben sind - sehr genau gearbeitet. Da habe ich auf Testwagen schon Reifen einer Marke gefahren, obwohl die in der Serie überhaupt nicht verbaut wurden. Weil siedem Einkauf zu teuer waren. Aber die Fahrwerkabteilung hatte diese Reifenmarke in Fahrversuchen als die beste ermittelt. Also kamen die Tester der Presse auch in den Genuß, diese Idealbereifung erleben zu dürfen. Während der normale Käufer... -

Sind eigentlich Tests von Automobilen (oder Motorrädern) überhaupt noch ernst zu nehmen? - Das kommt auf die Art der Betrachtung an. Aber man sollte sie nicht zu ernst nehmen. Auch manche Tester nicht. Was soll man z.B. von einem Tester halten, der "pro Smart" argumentiert, indem er schreibt: "Denn wenn alle umsteigen (Anmerkung: er meint auf den Smart), ist der Stau nur noch halb so lang." - Frage: Wo stehe ich schöner? - In einem halb so langen oder doppel so langen Stau? - Titel der Meinungsäußerung: "Intelligenz schafft Image". - Eben!

Die Autofirmen meinen: Image schafft man nur durch perfekt vorbereitete Testwagen. Und darum geben Sie sich auch alle Mühe. Wieviel Mühe, das wurde mir z.B. erst lange Zeit später klar, nachdem ich etwas beobachtet hatte, was ich ganz anders zuordnete.

Wenn ich auf der A 61 Hockenheim passiere, dann fahre ich (meistens) mal kurz ab, um zu schauen, was dort gerade abläuft. Früher fuhr z.B. Mercedes noch dort eine ganze Reihe von Versuchen. Und da es Porsche von Stuttgart aus auch bis Hockenheim nicht weit hat... -

Und da sah ich - es ist schon einige Zeit her - einem Fahrwerkversuch einer koreanischen Automarke zu. Und dann erkannte ich in den Fahrzeugen Porsche-Mitarbeiter. Da die Karossen der Fahrzeuge mir aber bekannt waren, vermutete ich einen Fahrwerkversuch im Hinblick auf kommende Modelle. - Das hat Eindruck gemacht. Daewoo läßt also durch Porsche... - Toll! - Aber da Herr Beez (der war damals noch in Korea) vorher auch bei Porsche war... - Aber immerhin!

Und dann sah ich per Zufall (vor gar nicht so langer Zeit) eine Reihe von Daewoo-Fahrzeugen bei Irmscher. Sie kennen Irmscher? - Er ist als Opel-Tuner bekannt geworden. Und da Opel demnächst mit Suzuki-Fahrzeugen auf den Markt kommt (natürlich mit Opel-Emblem und Opel-getestet!) hatte ich den Verdacht... - Aber tatsächlich hat Irmscher den neuen Daewoo Matiz nur für die Pressevorstellung vorbereitet. Da wurden z.B. die Kofferräume ordentlich (ordentlicher als in der Serienversion) lackiert, ein optisch schöneres Auspuffendrohr montiert, usw., usw. -

Und ich habe dann in der Sache recherchiert. Und das ergab ein unglaubliches Ergebnis: "Damals", als ich die Daewoo´s noch in Hockenheim beobachtete, da ließ man die Testwagen noch bei Porsche vorbereiten. (Die Porsche-Mitarbeiter, die daran arbeiteten, wußten aber nicht, um was es eigentlich ging.) Diese - man muß es so nennen - Entwicklungsarbeiten z.B. am Fahrwerk der koreanischen Automobile, kostete den Importeur pro Fahrzeug manchmal eine fünfstellige (bis in die Nähe von sechsstellig!) Summe. - Und die deutsche Presse testete.

Inzwischen ist man aber bei Daewoo nicht mehr gewillt, solche Beträge zu bezahlen. Es muß gespart werden. Und da hat man einen neuen Daewoo-Testwagen-Veredler aufgetan: Irmscher. Dort läßt jetzt der koreanische Hersteller seine Testwagen vorbereiten. Immer gleich -zig Stück. Und da unter diesen Umständen jetzt nur noch vierstellige Kosten pro Fahrzeug anfallen... -

Das ist die Testwagen-Realität!

Oder ein anderes Stück davon: Ist denn niemandem von den lieben Kollegen aufgefallen, daß Porsche in der letzten Zeit vor Auslaufen des Modells 993 nur noch Automatik-Fahrzeuge (Tipomatic) des Porsche 911 vergab? - Und warum? - Vergessen Sie es. Es ist vorbei. Aber bei Motor-KRITIK registriert man es. Anderswo fällt man auf jeden Trick herein.

Aber es gibt auch Fahrzeuge, bei denen selbst die besten Tricks der Testwagenabteilungen nicht mehr helfen. Siehe "Smart" und den aktuellen Test in "auto motor und sport". Ein guter Test. Der eigentlich besagt, daß das Fahrzeug immer noch nicht fertig ist. Zum Beispiel, soweit es die Fahrwerkabstimmung betrifft. Was auch richtig ist. Denn zur Zeit ist gerade eine Gruppe von um 15 Fahrzeugen irgendwo in Europa unterwegs, um eine geänderte Vorderachse im Vergleich zur aktuell bekannten zu testen. Motor-KRITIK-Beobachtung: mit der neuen Vorderachse untersteuert der "Smart" deutlich weniger und... -

Aber irgendwann werden dann vielleicht sogar damit schon Testwagen ausgerüstet sein, wenn das Fahrzeug damit noch gar nicht in Serie ist. - Vielleicht, - vielleicht auch nicht.  Das entscheidet dann - vielleicht der ab 1. Oktober neue Geschäftsführer für Entwicklung bei der Micro Compact Car AG (MCC), Biel, Dr. Helmut Wawra, der aus der Pkw-Entwicklung des Hauses Daimler-Benz kommt. (Wenn nicht vorher jemand anders ganz anders über die Zukunft des "Smart" entscheidet.)

Klar ist aber - ganz allgemein auf Testwagen bezogen: Zum Testen eines Automobils sollte man nicht nur über den Führerschein der Klasse drei verfügen. Auch - neben Fachkenntnis - über ein wenig Lebenserfahrung, Menschenkenntnis und - Intelligenz. - Wie sagt doch Bernd Wieland in "ams" so schön: "Intelligenz schafft Image."

MK/Wilhelm Hahne