Was Motor-KRITIK an der Mercedes A-Klasse als Fahrschulwagen stört

Die Mercedes A-Klasse ist nun im Markt. Und sie ist - scheinbar - gut angelaufen. Wie man aber inzwischen mehr als ahnen kann: es klemmt schon im Verkauf. Klar, daß da alle Register gezogen werden. Und natürlich versucht Mercedes auch da dieses Fahrzeug zu plazieren, wo man ein Autofahrerleben eigentlich erst beginnt: in den Fahrschulen. Wer mal auf der A-Klasse seinen Führerschein gemacht hat, der wird auch geneigt sein... . Klar! - Motor-KRITIK hat jedoch da einige Vorbehalte, die nachstehend zur Diskussion gestellt werden sollen. - Wie denken Sie darüber?

Wenn die menschliche durch die elektronische Sensorik Schaden nimmt

98-09-28/07. Ob die Mercedes A-Klasse durch die Ergebnisse des "Elchtests" Schaden genommen hat, ist umstritten. Es gibt nicht wenige Insider des Marktes, die das ganze Getöse um den "Elchtest" als ideal für die Einführung einer neuen Art von Automobil bezeichnen. Es gibt - aufgrund des "Elchtest"-Theaters wohl kaum einen Menschen im Führerscheinalter, dem die Mercedes A-Klasse nicht zum Begriff geworden ist.

Wenn man also das "Elchtestergebnis" auf der einen Seiten den positiven Werbemaßnahmen zuordnen kann (natürlich kann man auch anders), dann ist die Entscheidung des Pkw-Vorstandes von Mercedes (Daimler-Benz), die A-Klasse serienmäßig zu einer knallharten "Hüpfdohle" auf den Land- und Stadtstraßen zu machen, eher als eine Negativ-Maßnahme zu bezeichnen. Und die Entscheidung, das ESP, jene Schutzeinrichtung, die den Fahrer vor seinen eigenen Entscheidungen schützen soll, zusätzlich serienmäßig einzubauen, zählt zu den noch negativeren. (Im A-Klasse-Zusammenhang!)

Verdirbt die eigentlich unmögliche Fahrwerkabstimmung schon den meisten Fahrern schnell die Freude am A-Klasse-Fahren, so wird die durchs ESP schnell noch weiter gedämpft, weil das ESP selbst in normalen Verkehrssituationen den Fahrer maßregelt, nach einem von Mercedes-Ingenieuren vorgegebenem Maß regelt.Trost: der normale Autofahrer wird's nicht immer merken.

Dabei gilt das ESP, das elektrornische Stabilitäts-Programm, als die vielleicht wichtigste Innovation im Bereich der aktiven Sicherheit beim Autofahren. ESP bewirkt, daß das Auto genau dorthin fährt, wohin man lenkt. Alle Tendenzen zur Eigendynamik werden schon im Ansatz verhindert. Ein Fahrschüler, mit einem A-Klasse Fahrschulwagen unterwegs, wird sie also niemals kennenlernen. Die jedem Menschen mitgegebenen Sensorik wird also von Anfang an nicht trainiert, geschult; der Fahrschüler wird niemals eigene Reaktionen auf eigendynamische Reaktionen eines Automobils entwickeln lernen.

 Logischerweise stellt das dann nämlich eine Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer dar, wenn ein solcher - nennen wir ihn mal - "ESP-Fahrschüler" auf ein Fahrzeug ohne ESP kommt. Da mit den normalen Reaktionen eines normalen Automobils (ohne ESP) nicht vertraut, könnte es leicht zu Fehlern kommen, die unfallauslösend sind. Im schlimmsten Falle können da sogar andere Verkehrsteilnehmer betroffen werden.

Bisher waren die zuständigen Behörden in einem solchen Falle sehr vorsichtig. Schließlich müssen sie sogar mit Regreßansprüchen der Betroffenen rechnen. Darum ist z.B. der Führerschein eines Autofahrers, der seine Fahrerlaubnis auf einem Fahrschulwagen mit Automatikgetriebe erlangte, auch auf Fahrzeuge mit Automomatikgetriebe beschränkt. Wer die manuelle Bedienung eines Automobils nicht umfassend kennenlernen konnte, sollte eben auch nicht jedes Automobil fahren dürfen.

Aber wann - unter welchen Umständen - reagiert denn nun ein ESP, ein elektronisches Stabilitätsprogramm? - Ist es ein System das nur in Extremsituationen eingreift, oder unterstützt es den Fahrer auch im normalen Alltagsverkehr. Motor-KRITIK stellte der Daimler-Benz AG folgende Fragen:

In der Antwort der Daimler-Benz AG wird zunächst klargestellt:
"ESP ist ein elektronisch gesteuertes Fahrdynamik-Assistenzsystem, das einen zusätzlichen Sicherheitsgewinn für jedes Fahrzeug bedeutet. Mit ESP werden keine Fahrwerkschwächen korrigiert, wie beispielsweise auch ABS, seit nun mehr 20 Jahren auf dem Markt, eine unzureichende Bremsanlage nicht optimieren kann. Die Aussage, ESP sei eine 'elektronische Krücke', wie von einigen wenigen, offenkundig nicht sachkundigen Journalisten behauptet, ist deshalb unzutreffend."
Und dann kommt man zur eigentlichen Beantwortung der Motor-KRITIK-Fragen:
"Die Vorteile von ESP werden in allen Geschwindigkeitsbereichen deutlich. Das System kann z.B. bei 30 km/h im Stadtverkehr ebenso hilfreich sein, wie bei 180 km/h auf der Autobahn. Maßgeblich für den ESP-Eingriff ist die jeweilige Fahrsituation als solche. ESP wird dann wirksam, wenn das Fahrzeug in eine instabile Lage zu kommen droht. Empfindliche Sensoren erkennen wesentlich und entscheidend früher, als der Fahrer selbst dazu in der Lage wäre, diese gefährlich zu werdende Situation und lösen innerhalb von Millisekunden die korrigierenden Motor- und/oder Bremseneingriffe aus."
Halten wir fest: ESP hilft nicht nur in extremen, sondern in allen Fahrsituationen.

Die Daimler-Benz AG beantwortet die weitere Frage von Motor-KRITIK wie folgt:

"Daraus geht hervor, und ich wiederhole mich hier gerne, daß der ESP-Eingriff nicht nur in extremen Fahrsituationen erfolgt, die normalerweise zu einem schlimmen Unfall, z.B. zum Verlassen der Fahrbahn führen würden. Vielmehr wirkt das ESP auch schon bei kleineren Rutschbewegungen z.B. auf Glatteis, stabilisiert das Fahrzeug und verhindert damit einen Bagatellschaden. Diese machen, wie wir alle wissen, in ihrer Summe ebenfalls einen erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden aus."
Motor-KRITIK sah sich mit dieser Antwort in der Meinung bestätigt, daß, wenn schon ein Automatikgetriebe in einem Fahrschulwagen genügt, um zu einer Beschränkung des Führerscheins auf ähnlich ausgestattete Automobile zu kommen, das erst recht dann passieren muß, wenn ein Fahrschulfahrzeug mit ESP ausgestattet ist.

Das ist im Moment zwar ausschließlich nur bei der Mercedes A-Klasse der Fall, aber andere Fabrikate und andere Modelle werden - evtl. auch erst später - auch (z.T. aber nur auf Wunsch) mit diesem "elektronisch gesteuerten Fahrdynamik-Assistenzsystem" ausgestattet werden. Und damit wird dieses System zu einer Gefahr werden, wenn das Bundesverkehrsministerium nicht im Hinblick auf den Einsatz des Systems in Fahrschulwagen reagiert.

Motor-KRITIK hat also das Bundesministerium für Verkehr wie folgt angeschrieben:
 

"Von Beginn des Verkaufs der Mercedes A-Klasse an hat sich der Stuttgarter Hersteller sehr bemüht, ins Fahrschulgeschäft zu kommen. Dagegen spricht auch nichts.

Das änderte sich jedoch ab dem Zeitpunkt, wo bekannt wurde, daß Mercedes grundsätzlich alle A-Klasse-Fahrzeuge mit der elektronischen Fahrhilfe ESP ausrüsten wird. Fahrschüler, die auf einem solchen Fahrzeug ihren Führerschein machen, werden also die physikbedingten normalen fahrdynamischen Reaktionen eines Automobils nie erleben und erlernen, eigene Reaktionen - und dazu noch die richtigen - dagegen zu setzen.

Damit sind sie dann besonders gefährdet, wenn sie normale Automobile ohne ESP fahren, bzw. es geht dann auch eine besondere Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer von ihnen aus.

Wird das Verkehrsministerium aus diesem Grund:

oder
Das Bundesministerium für Verkehr in Bonn beantwortete die obige Anfrage wie folgt:
"Zu einer Sonderregelung für Fahrschulfahrzeuge mit ESP besteht kein Anlaß. ESP dient der Fahrzeugstabilisierung in fahrdynamischen Grenzbereichen, wie plötzliche Richtungsänderung bei relativ hoher Fahrgeschwindigkeit. Solche Grenzbereiche sind in der Regel nicht Gegenstand der Fahrschulausbildung, bei der aus pädagogischen Gründen eher vorausschauendes Fahren und Vermeiden risikoreicher Verkehrssituationen im Vordergrund stehen."
Eine klare Aussage, die aber wohl zeigt, daß sich die Fachleute des Ministeriums noch nicht mit der Funktion und den Wirkungen des Systems eingehend beschäftigt haben. Lassen wir also einmal einen Fachmann seine Auffassung zur Arbeit und Funktion von ESP darlegen. Prof. Dr. Klaus Rompe, Geschäftsführer für Verkehrssicherheit der TÜV Rheinland Kraftfahrt GmbH, Köln, sagte in einem Interview gegenüber dem Informationsdienst "PS-report" zum ESP-System:
"Dieses System funktioniert nicht erst dann, wenn der Fahrer bestimmte Vorleistungen erbracht hat, sondern es arbeitet einfach alleine. Wird beispielsweise zu schnell in eine Kurve gefahren, so daß das Fahrzeug ins Schleudern kommen würde, bremst das ESP das Fahrzeug rechtzeitig an den einzelnen Rädern ab, das Fahrzeug wird stabilisiert. Der Fahrer merkt überhaupt nichts, außer daß sein Fahrzeug etwas langsamer wird. Er muß in keiner bestimmten Art und Weise handeln, die Technik nimmt ihm alles ab."
Prof. Rompe bezeichnet ESP als "ein Beispiel für anwenderfreundliche Technik" und fordert: "Ein System muß so ausgelegt sein, daß der Mensch keine Wahl hat, ob er etwas will oder nicht; er muß von der Gefahr ganz ferngehalten werden."

In einer Publikation des Volkswagenwerkes ist zum Thema ESP zu lesen:

"ESP darf weder zu früh noch zu oft eingreifen, um den Spaß am Fahren nicht zu schmälern. Es muß so unauffällig im Hintergrund arbeiten, daß der Fahrer im Normalfall davon nichts merkt und sich im Notfall darauf verlassen kann."
Wenn das aber bei ESP so ist, wenn der Mensch hier von allem ferngehalten wird, dann bedeutet das doch auf einen Fahrschüler bezogen, daß der in seiner Grundausbildung auch niemals nur eine Ahnung vom fahrdynamischen Verhalten eines Automobils erhalten wird, wenn sein Fahrschulfahrzeug mit ESP ausgestattet ist. - Und wenn er dann später ein Automobil ohne ESP fährt - oder fahren muß?
Motor-KRITIK-Meinung: Ein so ausgebildeter Fahrschüler stellt als Fahrer eines Automobils ohne ESP eine Gefahr für die Allgemeinheit dar.
Wir haben inzwischen - nicht zuletzt durch den immer größer werdenden Einfluß von elektronischen Hilfsmitteln - eine Situation  beim Automobil erreicht, die unsere normale, in vielen Jahrtausenden entwickelte menschliche Sensorik immer weiter verkümmern lassen wird. Es ist bezeichnend, wenn in diesen Wochen in einer international anerkannten Fachzeitschrift, der ersten europäischen Automobilzeitung (gegründet 1906), der Schweizer "Automobil Revue", in einem Test über den Mittelmotorsportwagen Lotus "Elise" der Satz zu lesen ist, die sich auf "die hohe Kunst des Fahrens" (O-Ton) eines solchen Fahrzeugs bezieht: "Und weil uns die hierfür notwendige Sensorik 'dank' der modernen Technik etwas abhanden gekommen ist, empfehlen wir, mit dem 'Elise' ein spezielles Fahrtraining zu besuchen. Das erhöht die Sicherheit und den Spass!"

Das ist dann eine Anregung für eine Lösung anderer Art. Sollte in Zukunft für jeden neuen Autotyp eine spezielle Fahrerlaubnis erforderlich werden, wie es auch bei Flugzeugen spezielle Schulungen für unterschiedliche Flugzeugtypen gib?

Natürlich ist diese Frage  ironisch gemeint. Aber gerade im Hinblick auf das immer massiver werdende Angebot von ESP-Fahrzeugen ist eine Regelung im Hinblick auf Fahrschulfahrzeuge erforderlich. Mercedes versucht mit Macht (Fahrschulrabatt, Sonderfinanzierungen usw.) in diesen Markt zu kommen, steht inzwischen selbst unter Druck. Der Verkauf der A-Klasse-Modelle "lahmt" insgesamt.

In diesen Tagen (am 25.9.1998) war z.B. in der "Bild"-Zeitung (Ausgabe Frankfurt) folgende Anzeige zu lesen:

"A) Klasse.
B) Sofort zum Mitnehmen.

Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Regel: Eine A-Klasse bekommt man nicht sofort. Die Ausnahme: In der Niederlassung Frankfurt/Offenbach gibt es einige Modelle (außer Turbodiesel und Automatik) für Besonders Schnelle. Zu ausnahmslos günstigen Leasing- oder Finanzierungskonditionen. Wenn Sie schnell in die Gänge kommen, können Sie Ihre A-Klasse sofort mitnehmen."

Vielleicht gibt es demnächst den Führerschein gratis dazu. - Aber dann bitte nur einen mit "Beschränkung".

Oder sind Sie anderer Meinung? - Wenn JA - warum?

MK/Wilhelm Hahne