Wie verhindert man Straßenschäden durch den immer weiter ansteigenden Lkw-Verkehr?

Zufälle gibt's. - Da erinnerte sich Motor-KRITIK vor Wochen in einer Geschichte über die STW-Meisterschaft an persönliche Erlebnisse mit der sogenannten Hochschulterfelge. Kurze Zeit später treffe ich dann am Nürburgring auf ein Porsche-Team, das gerade Versuche mit einer 18-Zoll-Hochschulterfelge fährt. Und dann gibt es im Umfeld der IAA in Hannover einen Vortrag, bei dem auch die Hochschulterfelge (aber nicht nur) eine Rolle spielt. Dieses Mal aber nicht auf die Verwendung bei Renntourenwagen, sondern bei LKW bezogen. Da solche "Nebensächlichkeiten" meist übersehen werden. möchte Motor-KRITIK nachstehend ausdrücklich darauf hinweisen. Zumal sich unter Verwendung solcher "Nebensächlichkeiten" z.B. jährlich Straßenkosten in Milliardenhöhe vermeiden ließen. - Mehr nicht.

Mit neuartigem Kevlar-Gürtel und Hochschulter-Felge gegen "Rollende Hämmer"

98-09-28/08. Ich kenne im Moment niemand im Motorsport, der eine Hochschulterfelge verwenden würde. Ich kenne aber aus eigener Erfahrung - nicht nur im Motorsport, sondern auch mit ganz normalen Großserien-Automobilen, die ich im Test auf der Nürburgring-Nordschleife gefahren bin - ihre Vorzüge. Aber wer in der Industrie befaßt sich schon mit so einer - eigentlich "zu einfachen" Idee - schon unvoreingenommen? - Überall sind irgendwelche Firmen-, Branchen- oder persönlichen Interessen im Spiel.

Und dann treffe ich auf ein privates Porsche-Team, das auf dem GP-Kurs des Nürburgrings, im Rahmen des DMC/ADAC Sportwagen-Festival eine 18 Zoll-Hochschulterfelge testet. Das Fahrzeug ist ein alter (Bauj. 1992) Super Cup-Porsche, die 18-Zoll-Reifen sind von Pirelli. Ich hätte das Ergebnis vorhersagen können, habe aber Spaß an den verdutzten Gesichtern der Fahrer, die mit der Hochhornfelge dann einfach um gut 1 sec pro Runde schneller sind. Und weniger Untersteuern registrieren, ein besseres Handling, und, und, und.

Für Motor-KRITIK ist das nicht neu. Und natürlich bleiben auch die Reifentemperaturen niedriger, die Temperatur ist gleichmäßiger über die Lauffläche verteilt, der Reifen baut nicht spürbar von Runde zu Runde ab. - Alles normal für mich.

Leider bricht dem Team dann am Porsche ein Vorderrad weg, so daß sie nicht am Rennen teilnehmen können. Aber jetzt will man es natürlich mit der Hochschulterfelge weiter versuchen.

Nur wenige Tage später findet in Hannover im Rahmen der IAA (für Lkw) ein "Technical Congress" statt, "organised by VDA and SAE in Cooperation with VDI", wie das so schön betitelt ist. Es geht dort um "Innovations in the Commercial Vehicle Industry". Dort gibt es dann auch (u.a.) einen Vortrag von Prof. Dr. Friedrich Böhm, von der TU Berlin, der ganz unauffällig betitelt ist: "New belt design for truck tires".

Motor-KRITIK war zwar nicht vor Ort, aber hat sich aber den Vortrag besorgt, weil auch hier wieder von der Hochschulterfelge gesprochen wurde. Und weil ich mit ihr Erfahrung im Rennsport habe... - Was soll so eine Felge auf einem Lkw?

Und hier darf ich dann an eine gute Geschichte der Kollegen vom "Spiegel" erinnern, die am 7. Januar 1991 (ab Seite 69) erschien und sich mit den Straßenschäden durch Lkw-Verkehr beschäftigte. Diese Geschichte berichtete von Untersuchungen der britischen Cambridge University, die als "Faustregel für den Straßenfraß durch Lkw" das "Gesetz der vierten Potenz" ermittelt hatte. Der "Spiegel": "Danach zerstört ein einziger Laster jährlich soviel Straßenbelag wie der Pkw-Bestand einer mittleren Großstadt - genauer: Ein 40-Tonnen-Lastzug mit zehn Rädern entspricht in seinem Schadenspotential 163 840 vierrädrigen Mittelklassewagen von je einer Tonne Gewicht."

Und der "Spiegel" berichtete von den Vorschlägen, die aus den Ergebnissen der Untersuchungen resultierten: "Weiche Federungen, soviel wissen die Forscher bereits, schonen die malträtierten Fahrbahnen. Als probates Mittel gegen Straßenstreß gilt auch die Erhöhung der Achszahl je Lkw."

Erhöhung der Achszahl? - Unrealistisch. Höhere Fahrzeugpreise, höheres Eigengewicht, geringere Nutzlast. Aber "weiche Federungen"? - Hier hakt eigentlich die Idee ein, die von Prof. Böhm in Hannover präsentiert wurde: Es ist eine neue Konstruktion für den Lkw-Radialreifen.

Prof. Böhm stellte zunächst einmal den gegenwärtigen Stand der Reifenkonstruktion bei Lkw-Reifen dar.Daraus wird erscihtlich, daß die Reifenkonstruktion - aus welchen Gründen auch immer - noch deutlich hinter der moderner Pkw-Reifen hinterher hinkt. So kommt es durch den Aufbau eines Lkw-Reifens immer noch "zu Schwingungsvorgängen mit hohen Frequenzen und Lasten, die statisch bedeutend sind, besonders bei Kurvenfahrt und Überladung". Der Wissenschaftler der TU Berlin führt aus, daß "außerdem die statische Last" dadurch "dynamisch überhöht" wird. - Und so werden unsere Lastkraftwagen, besonders wenn sie "Super Single"-bereift sind (überbreit), eine besonders hohe dynamische Straßenbelastung hervorrufen.

Prof. Böhm macht dann im Verlauf seines Vortrages auf eine Reihe von Kompromissen aufmerksam, zu denen die Reifenindustrie im Laufe der letzten Jahre gefunden hat. Aber Kompromisse bedeuten, daß man für Vorzüge auch Nachteile hinnimmt. Und diese Nachteile sind oft von der Art, daß durch sie die Straßen mehr als eigentlich notwendig wäre, geschädigt werden.

Dann stellt er kurz das neue Konstruktionskonzept vor, das viele Nachteile vermeidet. Dabei kommt im Lkw-Reifen ein Kevlar-Gürtel aus dehnfestem Polymer zum Einsatz. Kevlar ist zwar drucknachgiebig aber zugsteif, so daß hierdurch automatisch eine Verformungsbegrenzung für die Dehnung des Reifens unter Innendruck erfolgt.

Und zur Erhöhung der seitlichen Stabilität der Karkasse, d.h., wie Prof. Böhm es darstellt, "zur Vermeidung des Verquetschungseffektes der Radialkarkasse im Kontaktbereich" könnte man nun die sogenannte Hochhornfelge verwenden. "Damit", sagt Prof. Böhm, könnten dann auch die dicken Gummiwülste entfallen, die derzeit noch notwendig sind".

Das Ergebnis all' dieser Überlegungen und Berechnungen: ein solcher Reifen würde nicht mehr so auf die Straße "trommeln", wie das bisher der Fall ist. Und aus "rollenden Hämmern" ("Spiegel") würden "Schonmatratzen", da die neue Reifenkonstruktion die bisherige hohe (zu hohe) Fahrbahnbelastung durch die größere und weichere Einfederung des Reifens deutlich reduzieren könnte, ohne daß es zu einem Verlust an Lenk- und Kurvenstabilität für das Fahrzeug kommt.

Mit diesem Reifen und der Hochschulterfelge könnte die Forderung der britischen Forscher der Cambridge Unversity nach "weichen Federungen" erfüllt werden, ohne daß sich für die Spediteure große Nachteile anderer Art - vor allen Dingen finanzieller Art - ergeben. Die Mehrkosten würden sich für sie im Rahmen halten. Und die Regierungen Europas würden Milliarden-Ausgaben (gleich ob in DM, Euro oder Dollar) für den Straßenbau einsparen können.

Noch ist das ein Stück Theorie, aber durch Detailversuche längst abgeklärt. Ich bin schon Pkw-Reifen mit dem oben beschriebenen Kevlar-Gürtel schon vor Jahren gefahren und habe damals davon geträumt, nach diesem System Rennreifen zu besitzen, die ich dann auf einer Hochhornfelge... - Aber zurück zum Lkw-Problem: Jetzt sollte man einmal diese praxisgerechte Lösung des Problems (im Unterschied zu anderen theoretischen Lösungen ist sie nicht weltfremd!) einmal in Angriff nehmen.

MK/Wilhelm Hahne