Von Händlersorgen, Importeur-Absichten und dem "ersten Steinwurf" in Richtung "Mondpreise"

Es genügt nicht Automobile zu entwickeln und zu fertigen. Sie müssen auch vertrieben werden. Das möglichst von durchtriebenen Spezialisten. Die sollten den Markt, das Geschäft mit dem Automobil kennen. Das ist nicht immer der Fall. Wie Vorstandsvorsitzende großer Automobilhersteller heute nicht mehr Automobilfachleute sein müssen (sagt man), so sind heutige Vertriebsvorstände nicht unbedingt mehr Vertriebsfachleute. Aber solche, die sich dafür halten, weil sie... - Und damit sind wir bei den Geschehnissen, die in den nächsten Monaten den Automobilmarkt in Deutschland verändern werden. Das ist eine Einschätzung von Motor-KRITIK. Weil sich in den Handelsorganisationen so mancher Firmen (z.B. Fiat, Ford, Honda, Opel) einiges verändert. Womit "die Großen" nicht rechnen (und was auch von ihnen nicht so gedacht war), wird bald von einem "kleinen Importeur" eingeläutet:

Honda kratzt am bundesdeutschen Sockel der Automobil-"Mondpreise"

98-10-31/02. Es gärt in den Handelsorganisationen einer Reihe von Automobilfirmen. Da hat Opel die Händlerverträge gekündigt. Da will Ford durch eine kräftige Umorganisation der Handelsorganisation Vorteile für sich verbuchen. Da arbeitet man bei DaimlerChrysler an neuen Organisations-Strukturen. Warum sollten da die Importeure abseits stehen?

Honda Deutschland, einer der kleineren Importeure, hat sich die Mitarbeit eines Vertriebsmannes gesichert, der aus der Mercedes-Organisation kommt. Ein Honda-Händler: "Der weiß gar nicht was Verkaufen ist. Was versteht der schon vom wirklichen Automobilgeschäft?" - Vorurteile?

Was nicht nur diesen Honda-Händler aufregt, sind die drastischen Veränderungen im Rabatt- und Bonus-System des japanischen Importeurs, wie sie vom neuen Vertriebschef geplant sind. Die Honda-Händler haben es auf einer Händlertagung (auch die Frauen der Händler waren eingeladen!) vor Wochen erfahren. Und nun gärt es. - Wobei die Händler vordergründig nur die Änderungen im Rabatt- und Bonus-System stört. Vor allen Dingen dann, wenn es sich um große Honda-Händler handelt. Denn die waren bisher bevorzugt.

Da konnte es schon mal passieren, daß ein kleiner Händler ein Honda-Automobil auf der Basis des "unverbindlichen Preisempfehlung" mit einem kleinen Nachlaß zum Preise von 26.500 verkaufte, während in einer Zeitungsanzeige in einer vielleicht nur 50 Kilometer entfernten Großstadt das gleiche Fahrzeug, in der gleichen Ausstattung - aber als "Tageszulassung" - zum Preise von DM 19.900 angeboten wurde.

Dabei liegt der Händler-Einkaufspreis für ein solches Fahrzeug deutlich über 20.000 DM. - Wie ist, wie war (!) das möglich?

Durch das bisherige Honda-Rabatt- und Bonussystem. Danach erhielt der Händler bei Überschreiten seiner Festauftragszahlen im Monat, im Quartal, im Jahr nicht nur einen festen Rabatt, sondern auch noch jeweils einen Bonus, dessen Größe sich nach den Verkaufszahlen richtete, mit denen man die vorgesehenen Festauftragszahlen überschritt. Im Monat, im Quartal, im Jahr. - Und es gab noch Sonderprämien für die sogenannten Tageszulassungen.

Große Händler (mit ausreichender Eigenkapitaldecke) nutzen dieses System, um z.B. in bestimmten Monaten schlagartig -zig Automobile eines bestimmten Honda-Modells mit dem verkaufspreissenkenden Argument der Tageszulassung zu versehen. Das brachte denen nicht nur die Tageszulassungsprämie ein, sondern in dem Monat auch einen Zusatzbonus, weil sie die gedachten (und festgeschriebenen!) Monatszulassungszahlen überschritten. Und da sie das nicht nur in einem Monat machten, wurden auch ein hoher Quartalsbonus erreicht. Und natürlich am Ende des Jahres so auch ein Jahresbonus eingestrichen.

Und so gab es halt die Mischkalkulation der "Hauspreise", die es  z.B. möglich machten, daß zwischen der unverbindlichen Preisempfehlung von Honda und dem tatsächlichen Verkaufspreis eine Lücke von mehreren Tausend Mark klaffen konnte.

Damit ist nun Schluß! - Bei Honda gibt es nur noch einen festen, unverrückbaren Rabatt, den es ohne jeden Abzug aber nur dann gibt, wenn der Händler einen gewissen Werbeaufwand treibt und die für ihn vorgesehene Anzahl von Automobilverkäufern beschäftigt. Zusatz-Rabatte oder irgendeinen Bonus gibt es nicht mehr. Es gibt auch keine am Jahresanfang festgeschriebenen Verkaufszahlen für das laufende Jahr. So soll sichergestellt werden, daß die Rabattschleuderei bei Honda-Händlern aufhört. Man soll Automobile, keine Preise verkaufen.

Und bei den Honda-Händlern macht sich Frust breit. Wie soll man da gegen VW, Ford und Opel bestehen? Dort wird doch auch geschleudert. Man verkauft dort Rabatte oder "Sondermodelle". Die Zeitschrift "Capital" schreibt z.B. über die "Verkaufserfolge" des Kölner Herstellers Ford und seines Modells "Escort" in 1998: "Angelockt von Werbung und Sonderrabatten griffen knapp 170.000 Käufer zu. Ein Plus von 15 Prozent."

Trotzdem - und gerade deshalb - hat Ford in diesem Jahr bedeutend mehr verdient! - Mit Nachlässen und Sonderrabatten?

Bei "Capital" wird das so erklärt: "Jedes Auto, das Ford hierzulande verkauft, bringt einen höheren Deckungsbeitrag als im Ausland. Im Extremfall ist er doppelt so hoch. Der Escort bringt zwischen Flensburg und Passau fast 9000 Mark, jenseits der Grenze sind es nur 4500 Mark."

Was eigentlich nichts anderes bedeutet, daß auf dem deutschen Automobilmarkt noch "Mondpreise" möglich sind. Die werden zwar durch den Verkauf von "Sondermodellen" und durch die Gewährung von Sonderrabatten ein wenig gemindert, aber tatsächlich zahlt der deutsche Kunde für sein Fahrzeug immer noch mehr, als es eigentlich kosten könnte.

Natürlich denken die Automobilhersteller nicht daran, auf die "Preisvorteile" (und damit Mehrverdienst-Möglichkeiten!) zu verzichten die ihnen der bundesdeutsche Markt derzeit noch bietet. Aber ein Ende dieser Situation ist in Sicht und wird ab 1. Januar 1999 durch den kleinen Importeur Honda eingeläutet.

Dort ist man sich nämlich darüber im klaren, daß, so man nun das bisherige Rabatt- und Bonus-System aufgibt, die daraus entstehenden Kostenvorteile an den Kunden weitergeben muß. Durch eine Preissenkung der Modelle. Und die wird - nach Informationen von Motor-KRITIK - zum Teil (abhängig von den Fahrzeugkategorien) kräftig ausfallen.

Als Käufer kann man damit rechnen, daß z.B. ein Honda Legend um zwischen 15 - 20.000 DM billiger zu kaufen sein wird als bisher. Und ein Honda Shuttle wird so zwischen 4 und 6.000 Mark billiger zu haben sein. Und so weiter. - Das kann nicht ohne Auswirkungen auf den Markt bleiben.

Trugen bisher die großen Automobilhersteller den Kampf um Marktanteile praktisch auf dem Rücken des Automobilhandels aus, so wird man jetzt wohl mal in die eigene Tasche greifen müssen. In Zukunft wird der Handel nichts mehr zu verschenken haben. Die Hersteller haben diese Situation herbeigeführt, indem sie bisher die Abhängigkeit des Handels von ihnen ein wenig überstrapazierten. Man hat nicht mit dem Handel zusammengearbeitet, partnerschaftlich, sondern eine Reihe von Firmen haben den Handel praktisch vergewaltigt.

Der hatte sich damit abgefunden und entsprechend reagiert. Und er wird auf eine neue Situation reagieren müssen. Wenn er überleben will.. Wie Gespräche von Motor-KRITIK mit den unterschiedlichsten Händlern ergaben, kann die sich nun abzeichnende Neuordnung von Handel, Vertrieb, Rabattsystemen zunächst einmal negativ auf den Neuwagenverkauf auswirken. Jene Automobilhändler können sich glücklich schätzen, die sich durch ein gesundes Gebrauchtwagengeschäft vom Neuwagenverkauf unabhängig machen können.

Fahrzeuge mit Tageszulassungen, die "Dienstwagen" aus der jeweiligen Handelsorganisation, waren ja schon bisher nichts anderes als Gebrauchtwagen, die z.T. sogar "künstlich" erzeugt wurden, um in der Statistik öffentlichkeitswirksame Marktanteile darstellen zu können. Diese "Gebrauchtwagen" waren schon bisher für die jeweiligen Handelsorganisationen das bessere Geschäft als die eigentlichen "Neuwagen". BMW-Händler verkaufen z.B. lieber "Werkswagen" zu "vernünftigen" Preisen und einer "vernünftigen" Rendite als Neuwagen mit so hohem Rabatt, daß nichts übrig bleibt.

Wußten Sie übrigens, daß um 40 Prozent der Neuwagenzulassungen in Deutschland inzwischen ohne Einschaltung des Kraftfahrzeughandels zustande kommen? - Avis, Sixt, Hertz u.a. lassen grüßen! - Und wo bleiben deren Gebrauchtwagen?

Aber wenn jetzt wirklich die "Mondpreise" für Automobile in Deutschland ins Wanken kommen sollten... - Honda kratzt am Sandsteinsockel des bundesdeutschen Preisdenkmals für Automobile. - Es hätte so ein schönes Jahr 1999 geben können... - wird so mancher Automobilhersteller in ein paar Monaten stöhnen. Aber trösten wir uns damit, was sich ebenfalls zu jeder Situation sagen läßt: Es hätte auch schlimmer kommen können.

MK/Wilhelm Hahne