Hans Wilhelm Gäb verläßt die im stürmischen Marktsee taumelnde Opel-Fregatte...

...nur mit dem Rettungsring einer noch schnell vereinbarten Vorruhestandsregelung versehen. Er hat es aufgegeben, das führerlos gewordene Opel-Boot in ein ruhigeres Fahrwasser zu steuern zu versuchen. Inzwischen waren an Bord des Rüsselsheimer Dampfers sogar ein paar wichtige Navigationsinstrumente ausgefallen. Und es war kein Leuchtturm in Sicht. Und auf das Nebelhorn von Motor-KRITIK mochte der Käpitän nun nicht mehr hören. Zumal sein Admiral so tat, als gäbe es ihn schon lange nicht mehr in seiner Funktion. Es gab keine Funkverbindung mehr zur Kommandozentrale. Das einzige was Gäb noch tun konnte, hatte er getan bzw. tun lassen: die Rettungswacht (die Presse) informieren. - Wilhelm Hahne kennt Hans Wilhelm Gäb seit Jahrzehnten. Lassen Sie ihn nachstehend aufschreiben, wie das alles aus seiner Sicht und Beobachtung der Abläufe vor sich ging. Es muß nicht tatsächlich so gewesen sein. Wenn Hans Wilhelm Gäb an einer anderen Darstellung interessiert ist, wird Motor-KRITIK seine Art der Darstellung gerne - unkommentiert - ins Internet stellen. (Natürlich kostenlos für Hans Wilhelm Gäb.) - Geben wir der Geschichte einfach den kurzen und prägnanten Titel:

Die Inszenierung

98-10-31/04. Eines muß man Hans Wilhelm Gäb lassen: er hatte immer schon ein Gefühl für die richtige Art der Darstellung im richtigen Moment. Seine absoluten Höhepunkte hatte er sicherlich zur Zeit der Lopez-Affäre. Das Bild von Opel wurde in dieser Zeit von ihm geprägt. Und auch die Ereignisse durch sein kluges Handeln. Das auch bestimmt wurde durch die richtige - geradezu optimale - Auswahl seiner Mitarbeiter. Nicht nur in seinem direkten Umfeld, sondern auch derer, die er "zukaufte".

Wenn im richtigen Moment irgendwo die Fernsehteams auftauchten, wenn im richtigen Moment die richtige Geschichte im genau dem Medium erschien, das genau die Meinungsbildner erreichte, die dann - jeder auf seine Art, aber in richtiger Weise - "den Rest" der Öffentlichkeit informierte, dann war das immer eine "reife Leistung".

Aber Hans Wilhelm Gäb blieb eigentlich bei seinen ganzen Aktionen immer im Hintergrund. Natürlich hatte er den einen oder anderen Fernsehauftritt. Aber was war das im Verhältnis zu dem, was er an Arbeit "hinter den Kulissen" leisten mußte? Ich habe ihn damals wirklich bewundert.

Natürlich hatte er sich auch mit den richtigen Beratern umgeben. Einer sei hier nur - stellvertretend für die anderen - genannt: Volker H. Hoffmann, Rechtsanwalt aus Mainz (zu erreichen in der Kanzlei Hoffmann & Knieriem, Hindemithstraße 29, 55127 Mainz, Tel. 06131-9354, privat: Veronastraße 6, 55411 Bingen, Tel. 06721-991150). Dieser Mann beriet Hans Wilhelm Gäb nicht nur in der Lopez-Sache optimal, wobei ihm - nicht nur da - seine umfassenden Kenntnisse, gewonnen als Rechtsanwalt, Staatsanwalt, Geschäftsführer einer Unternehmervereinigung, einer Leasinggesellschaft usw. eine große Hilfe waren. Denn aus diesen Tätigkeiten kannte er auch die richtigen Leute in den richtigen Positionen, an den strategisch wichtigen Orten. Pech, wenn dann ein Beamter... - Aber lassen wir das, ergänzen wir nur noch die Angaben zu RA Hoffmann durch die Information, daß er einmal Staatsanwalt in Koblenz war, sich auch durch seinen Einsatz in Sachen "Investitionszulagen" (Sie erinnern sich noch an diese Affäre, die vor allen Dingen Kfz.-Hersteller betraf?) in juristischen Kreisen einen Namen machte. - Und er hat seine alten Verbindungen nicht abreißen lassen. (Fällt mir gerade ein: Ist das nicht auch eine interessante Information für "Focus"?)

Hans Wilhelm Gäb hatte immer "ein Näs'chen" für die für seine Pläne richtigen Leute an den richtigen Stellen. Horst Borghs verdankt z.B. seine Karriere Hans Wilhelm Gäb. Gäb stellt ihn damals bei Ford ein und... -

Wir sollten nicht vergessen: Gäb war nicht immer ein GM- oder Opel-Mann. Er war zunächst einmal - als er mir auffiel - ein Tischtennisspieler. Natürlich ein erfolgreicher. Später schrieb er dann als freier Mitarbeiter für den Düsseldorfer "Mittag". Ich habe zu dieser Zeit den Düsseldorfer "Mittag" wegen seiner Motorsportberichte gekauft. Aber er schrieb - wenn ich mich richtig erinnere - auch für andere Publikationen.

Und dann war er - für mich plötzlich und übergangslos - Chefredakteur der Kölner "Auto-Zeitung". Da ich ihn kannte, schon immer in der Automobilbranche unterwegs war, konnte ich ihm und seiner Redaktion so manch kleinen Gefallen tun. Wenn die "Auto-Zeitung" den luftgekühlten 1300er Honda Wochen vor "auto motor und sport" in einem Fahrbericht vorstellen konnte, so verdankte das Hans Wilhelm Gäb mir. Und wenn Clauspeter Becker (jawohl, der war auch mal bei der "Auto-Zeitung") damals den Inhalt der Zeitschrift durch einen Motorradtest aufwerten wollte, dann war ich es, der ihm (und damit der "Auo-Zeitung") eine Testmaschine besorgte. Und wenn die "Auto-Zeitung" den Matra M 530... -Na, ja - das war nicht schwer, denn ich war damals der Importeur. Und da ich mich immer gerne auf der Seite der Schwachen bewegte, bekam das Fahrzeug eben nicht "auto mtor und sport" zuerst.

Dann kam es bei der "Auto-Zeitung" zum Knall und Gäb ging zu Ford. Und damit wären wir dann wieder bei Horst Borghs, den Hans Wilhelm Gäb nicht nur in Köln einstellte, sondern dann wieder für sich arbeiten ließ, als er 1981 zu Opel wechselte. In seinem "Sog" fanden weitere ehemalige Ford-Mitarbeiter zu Opel. So auch Borghs.

Als Gäb dann - ich glaube es war 1986 - zu GM nach Zürich wechselte (berufen wurde), da rutschte dann Horst Borghs auf den Gäb-Platz. (Wie es dazu kommen konnte, ist eine Geschichte für sich.)

Hans Wilhelm Gäb trug in Zürich den Titel "Vice President". Übrigens: Vizepräsident ist etwas anderes, was oft (meist) durcheinander gebracht wird. Aber schließlich sind nicht Titel wichtig, sondern die Arbeit die man tut. Und Hans Wilhelm Gäb leistete immer eine hervorragende Arbeit.

Ich lernte ihn immer besser kennen (und durchschauen) und die Erlebnisse in der Lopez-Affäre, in der Steffi Graf-Sache (und andere kleine Erlebnisse) trugen mit dazu bei, sein Bild in mir zu festigen. Ich habe immer offen und ehrlich mit ihm gesprochen und zu spät erkannt, daß er zwar interessiert und scheinbar selbst über allem stehend zuhören konnte, aber daß das nicht so war. Wenn Steffi Graf z.B. eine Pressekonferenz in New York absagte, zu der Hans Wilhelm Gäb der "armen Steffi" geraten hatte, dann hatte das bedeutenderen Einfluß auf die Verbindung Graf/Opel als die Steuer-Affäre von Vater Graf.

Ich habe dann Anfang der 90er Jahre dann den Fehler gemacht, Hans Wilhem Gäb "gute Ratschläge" (sie waren wirklich so gemeint) zu geben. Er hat sie kommentarlos hingenommen, hat sich - zumindest in einem Falle - auch daran gehalten. Aber es hat ihn wohl schon gewurmt.

Noch mehr hat es Horst Borghs gewurmt, daß immer ich es war, der als erster auf Opel-Schwächen hinwies, auf fehlerhaftes Verhalten von Opel-Mitarbeitern (auch von Horst Borghs). (Aber ich habe auch über Ford, Mercedes, und, und, und die handelnden Personen dort geschrieben.) Aber da Borghs nach meiner Einschätzung eigentlich gar nicht weiß was Journalismus ist, selbst auch keine journalistische Einstellung, journalistisches Denken mitbringt, war er schon lange auf der Suche "nach der undichten Stelle" in der Rüsselsheimer Firma. Er glaubte sie dann zu kennen.

Inzwischen hat er wohl einsehen müssen, daß das wohl ein Satz mit "nix" war. Denn auch, nachdem er alle Kanäle, Kabel und Drähte zwischen Opel und mir gekappt hatte (mit Zustimmung von Hans Wilhelm Gäb natürlich), war es doch immer wieder Wilhelm Hahne, der über Opel das publizierte, was man eigentlich "unter der Decke halten" wollte.

Ich habe damals, 1994, als einziger (und erster) in Deutschland über die Anlaufschwierigkeiten bei der Serienproduktion des Opel Omega geschrieben. Und ich hatte Peter Hanenberger als den Verantwortlichen ausgemacht. Aber Hanenberger wurde mit allen Mitteln von Gäb und Borghs mir gegenüber verteidigt. Schließlich wurde ich praktisch bei Opel "zur unerwünschten Person" erklärt. Alle hielten sich daran, sogar ein Jürgen Stockmar sagte mir später mal, als wir uns zufällig trafen: "Eigentlich dürfte ich gar nicht mit Ihnen sprechen". Dabei mußte Stockmar mich eigentlich gut kennen. Schließlich war er einmal mein Chef. Er war Chefredakteur, ich war Ressortleiter bei der "Auto-Zeitung". - Stockmar, selbst "Steinbock", mußte wissen, daß ich mich nicht durch Drohungen, gleich welcher Art, in meiner journalistischen Arbeit beeinflussen lassen würde.

Hans Wilhelm Gäb war immer der Mann im Hintergrund. Aber auch er hat mir gegenüber in dieser Zeit deutlich Stellung für Peter Hanenberger bezogen. Für ihn war das ein fähiger Mann, der von mir vollkommen falsch beurteilt wurde.

Ich will nachstehend - sozusagen als Beweis - aus einem Brief an Hans Wilhelm Gäb zitieren, den ich am 30. April 1997 an seine Privatadresse richtete. Es war ein privater Brief. Gäb hat ihn nicht als privat empfunden, sondern ihn als Beweisstück sofort in einem Prozeß gegen mich verwenden lassen. Weshalb ich auch heute keine Bedenken habe, daraus zu zitieren. Ich schrieb also am 30. April 1997 u.a.:

"Die 'Capital'-Geschichte erscheint exakt zu einem passenden - wem wohl? - Zeitpunkt. Und es wird auffallend! - exakt jener Mann geschont, der eigentlich die Schlüsselfigur zur derzeitigen Situation beim Thema Opel-Qualität ist: Peter H. Hanenberger.

Ihre Meinung - oder exakter: die, die Sie vorgeben zu haben - haben Sie mir zuletzt persönlich Anfang März 1994 nahe gebracht. Meine Meinung kennen Sie. Sie hat sich nicht geändert. Nicht ändern können!"

Erinnern Sie sich: zu dieser Zeit war in "Capital" eine Geschichte erschienen, in der Hans Wilhelm Gäb als der kommende Retter von Opel dargestellt wurde. Zufällig wurde Gäb dann einige Monate später Aufsichtsratsvorsitzender des Rüsselheimer Automobilbauers. Solche Zufälle gibt eben schon mal.

Ich will es bei dem einen Beispiel aus meinem Brief (er war sieben Seiten lang) belassen. Ich erwähne ihn nur, weil "begleitende Maßnahmen" nach meinen Beobachtungen immer eine Spezialität bestimmter Leute waren. Und so habe ich nach Lesen der SPIEGEL-Geschichte vor Wochen (lesen Sie meine Geschichte vom 15. Oktober) genau gewußt, daß Hans Wilhelm Gäb nun sein berufliches Ende eingeläutet hatte, einläuten ließ.

Hans Wilhelm Gäb hatte in Zürich längst nicht mehr die Funktion, die er als oberster Öffentlichkeitsarbeiter, als Vordenker in der europäischen GM-Organisation einmal hatte. Da saß er in wichtigen Ausschüssen, bestimmte mit in Sachen Modellplanung, Motorsport, und, und, und.

Hans Wilhelm Gäb trug zwar nach wie vor den Titel eines Vice President, hatte aber keinerlei PR-Funktionen mehr, beschäftigte sich mit Planungen und Strategie und hatte ihn letzter Zeit wohl immer stärker das Gefühl, daß "die jungen Leute" in Zürich nicht mehr auf ihn hörten.

So wie ich die Dinge sehe, hat der dann eigentlich "die Vertrauensfrage" gestellt und - vielleicht doch ein wenig - darauf gehofft, daß sein großer Chef aus Detroit anruft um ihm zu sagen: Mensch Hans Wilhelm, mach doch keinen Mist!

Aber es kam kein Anruf aus Detroit. Und so konnte dpa dann an einem Oktobermorgen den wahrscheinlichen Rücktritt von Hans Wilhelm Gäb vermelden. (Da ich viele handelnde Personen seit Jahren kenne und beobachte, könnte ich sagen, wer wen mit welchen Worten wann angerufen hat.) Daß "auto motor und sport" in einem Editorial den Rücktritt rechtzeitig ankündigen konnte, war auch kein Zufall. - Nach meiner Meinung.

Und dann war Hans Wilhelm Gäb am Morgen der dpa-Meldung nach Rüsselsheim geflogen, um über seinen Vorruhestand zu verhandeln. Darum konnte er auch nur zu diesem Zeitpunkt kommentieren lassen, daß er zur Zeit die Situation nicht kommentieren würde. Er hätte sich auch sonst in eine schlechtere Verhandlungsposition gebracht.

Und dann war alles vorbei. Und nichts ist erreicht. Peter Hanenberger ist nach wie vor als Vorstandsmitglied bei Opel verantwortlich für die Entwicklung und Produktionsvorbereitung der Fahrzeuge.

Natürlich hat er nun durch den Gäb-Angriff Schaden genommen. Eigentlich hatte ihm GM-Chef Smith die Position eines Vorstandsvorsitzenden nur zugedacht, weil die ein Ausgleich sein sollte für die Position, die Hanenberger durch die Auflösung GMIO in Zürich verloren hatte. - Aber nun?

Nun ist alles offen. GM hat die offenen Positionen bei Opel nun z.T. mit "Halbtagskräften" besetzt. Einige können eben nicht die Verantwortung für Opel mit beiden Schultern, sondern nur mit einer Schulter tragen. Was sich mir jetzt darstellt, ist eigentlich ein Provisorium. Und müßte ich mir zur Lösung der immer noch anstehenden Personalprobleme bei Opel eine Zeitgrenze setzen, dann würde ich die mit 1. Juli 1999 datieren. - Spätestens!

Wie ich bereits in meiner Geschichte vom 15. Oktober schrieb: es gibt bei Opel mehr als nur einen "Hanenberger".

Lassen Sie mich meine Geschichte doch noch mit dem Schluß aus meinem Brief vom 30. April 1997 an Hans Wilhelm Gäb beenden. Er hat eigentlich immer noch Gültigkeit. Ich schrieb damals:
 

"Ach - eigentlich tut mir Opel ein wenig leid. Da habe ich nun über Jahre versucht durch Vorwarnungen Schaden von dieser Firma fernzuhalten. Aber Sie und Ihre Kollegen haben das wohl falsch verstanden. Und aus falsch verstandener Loyalität Ihren Mitarbeitern gegenüber wurde dann immer aller Mist - den ich gerade deutlich gemacht hatte - unter den Teppich gekehrt. Und dann hängt inzwischen das gesamte Opel-Management am Teppich um nichts raus- und hochkommen zu lassen.

Und dann erscheint die Opel-Geschichte in 'Capital'. - Da hat jemand den Teppich losgelassen. Warum? - War sich da jemand selbst der Nächste, hat den Mist bewußt unter dem Teppich hochkommen lassen? - Und nun quillt und quillt es. Rechtzeitig vor dem 1. Juli 1997.

Es gibt schon Zufälle im Leben. Und ich glaube daran. Und auch an das Gute im Menschen. - Es ist nämlich der Glaube der selig macht. Und selig sind die Bekloppten. - Ich bin wohl einer von denen."

Dem ist auch heute, gut ein Jahr später nicht weiter hinzuzufügen als: Schade, daß Hans Wilhelm Gäb nicht mehr in der Szene ist. Er wird mir fehlen. Er war um Klassen besser als manche der Pfeifen, die heute noch bedeutende Positionen bekleiden. Aber ich habe ihn falsch eingeschätzt. Manche seiner frühen Inszenierungen habe ich nicht so empfunden und darum auch nichts - oder falsch - verstanden. Jetzt, wo ich ihn zu kennen glaube, läßt er mich alleine zurück. - Dabei bin ich sogar ein paar Jahre älter.

Nun muß ich also das weiterführen, was er - leider recht spät - begriffen hat. Das heißt: begriffen haben wird er's schon früher. Aber wie konnte Hans Wilhelm Gäb zugeben, daß ein Wilhelm Hahne in vielen Dingen (nicht allen!) beim Thema Opel recht behalten würde.

Aber dafür hat Hans Wilhelm Gäb ja auch ein "Schmerzensgeld" erhalten. - By, by, Hans Wilhelm Gäb. Sie waren schon eine einmalige Erscheinung in der deutschen Automobilindustrie. Ich kann stolz darauf sein, daß Sie mich - wie die Prozesse beweisen - wirklich ernst genommen haben.

Und herzliche Grüße an Ihre Frau. - Und vielleicht kommen Sie ja jetzt mal dazu, das Ihnen seinerzeit von mir empfohlene Goeudevert-Buch zu lesen.

MK/Wilhelm Hahne