Wenn Daimler-Benz Vorstand Jürgen Hubbert Entscheidungen erklärt

Immer wieder werden Vorstände zu Meinungsäußerungen veranlaßt. Und sie äußern Meinungen, argumentieren eigene Entscheidungen. Solche von gestern, von heute, aber auch solche, die in der Zukunft liegen. Manchmal gelingt das auch: die Herren können sich verständlich machen. - Aber nicht immer werden sie verstanden. Nachstehend ein kleines Beispiel aus einem Interview, das Jürgen Hubbert (Daimler-Benz) der "Stuttgarter Zeitung" gewährte und das am 7. November 1998 veröffentlicht wurde. - Aber es gab auch - prompt - eine Reaktion.

Immer wieder kleine Mißverständnisse

98-11-13/03. Immer wieder hat Jürgen Hubbert in der Vergangenheit erklären müssen, warum Mercedes nicht Michael Schumacher für den eigenen Formel 1 verpflichtet hat. Und es wurde als Argument publiziert - Jürgen Hubbert in den Mund gelegt - Michael Schumacher habe zuviel Geld verlangt.

Das hat Michael Schumacher seinerseits dazu gebracht darauf hinzuweisen, daß Jürgen Hubbert offensichtlich nicht in alle Details der tatsächlich geführten Verhandlungen eingeweiht sei, wenn er so etwas behaupten würde. Er, Michael Schumacher, habe nämlich keine Geldforderungen gestellt, sondern man habe auf der Basis des Mercedes-Angebots verhandelt.

Nun sagt Jürgen Hubbert erklärend in seinem Interview mit der "Stuttgarter Zeitung:

"In einem Interview habe ich erklärt, es habe einen Forderungskatalog gegeben, der uns zu hoch erschien. Das ist auf die Aussage verkürzt worden, Schumacher habe zuviel Geld gewollt. Das ist Unsinn. Seine Forderung bewegte sich im normalen Rahmen. Wir konnten uns auf die anderen Bedingungen nicht einlassen, und die hießen: Nur einer hat das Sagen im Team, alle anderen arbeiten zu, und es gibt eine eigene Vermarktung. Das paßt nicht in unser Konzept. Daimler promotet nicht einen Fahrer, wir brauchen ein Team, das die Marke Mercedes nach vorne bringt."
Damit wäre diese Angelegenheit geklärt. Zur Beantwortung einer anderen Frage hat Jürgen Hubbert dann wieder ein Argument verwendet, das den Daimler-Betriebsrat "auf die Palme" gebracht hat.

Die Frage der Stuttgarter Zeitung an Jürgen Hubbert war:
 

"Der reinrassige Silberpfeil bleibt also ein Traum?"

Jürgen Hubbert: "Selbst wenn wir ihn wollten - das ist nicht zu schaffen, weil wir in Deutschland ganz andere Rahmenbedingungen haben. Wenn Sie in Japan feststellen, daß Sie ein Problem haben, dann arbeiten die Teams in England Tag und Nacht daran, auch am Wochenende. Bei uns müßte ich den Betriebsrat vier Wochen vorher fragen, ob ich eine Sonderschicht am Sonntag fahren darf."

Diese Aussage hat den Betriebsrat "mit großer Verwunderung" erfüllt. Und so schrieb Dipl.-Ing. Klaus Flaig, unabhängiger Betriebsrat der Daimler-Benz AG, Untertürkheim, nur wenige Tage später einen Leserbrief  folgenden Inhalts an die "Stuttgarter Zeitung":
 
"Mit großer Verwunderung habe ich die Aussage des Daimler-Vorstands Jürgen Hubbert gelesen, ein reinrassiger Silberpfeil wäre wegen der notwendigen Überstundengenehmigung durch den Betriebsrat in Deutschland nicht zu schaffen.

Der Betriebsrat hat im Zusammenhang mit dem Motorsport noch nie Überstunden verweigert. Überstunden - auch an Samstagen und Sonntagen - wurden und werden nicht nur für den Rennsport, sondern auch für andere Anlässe wie zum Beispiel Versuchsfahrten, Ausstellungen, Messen, Pressetermine usw. immer vom Betriebsrat genehmigt. Dabei besteht der Betriebsrat nicht darauf, daß diese Überstunden vier Wochen im voraus beantragt werden, sondern genehmigt sie, wenn notwendig auch im nachhinein.

Wenn der Vorstand keinen reinrassigen Silberpfeil bauen läßt, und die wahren Gründe dafür nicht nennen will, dann sollte er besser schweigen und nicht den Betriebsrat dafür verantwortlich machen."

Das ist klar und unmißverständlich. Manchmal macht es sich Jürgen Hubbert eben zu leicht. Und anderen damit schwer. Erinnert man sich noch der herablassenden Aussagen des Herrn Vorstandes zu den kleinen englischen Formel 1-Teams, die von Sponsorgengeldern - oft Tabakwerbung - abhängig sind?

Heute rast ein Mercedes Silberpfeil selbst als Werbesäule um die Rennkurse dieser Welt. Sponsorengeld wird also auch von Mercedes immer wieder gerne genommen. Auch die Gelder von Tabakkonzernen.

Und was heißt das, wenn sich Jürgen Hubbert über F 1-Konkurrenzteams so äußert:

"Ich sehe niemanden, der alles alleine machen könnte. Auch Ferrari nicht, und BMW engagiert sich nicht von ungefähr bei Williams."
Motor-KRITIK dachte immer, Ferrari würde nicht nur einen eigenen, bei Ferrari selbst entwickelten Formel 1-Motor einsetzen und auch das Chassis selber entwickeln und bauen. Jürgen Hubbert weiß es sicherlich besser. - Nur weil es gerade so in seine Argumentation paßt?

Und was wird Honda mit seinem neuen Formel 1 machen? - Kann Jürgen Hubbert nicht akzeptieren, daß andere Firmen vielleicht zwar über weniger Geld, dafür aber über mehr "manpower", ein risikobereiteres Management verfügen? - Mercedes mußte sich - zumindest in der Formel 1 - alles kaufen. Das begann beim Motor und endet beim Chassis - und natürlich beim Team. - Gut angelegtes Geld. Nach dem Gewinn der F 1-WM 1998 ist das klar. Man muß sich deswegen nicht schämen. - Aber andere, wie z.B. Ferrari erarbeiten sich die Voraussetzungen zu einem F 1-Erfolg selber. Und nehmen auch in Kauf, daß man evtl. 19 Jahre lang keine WM gewinnt.

Jürgen Hubbert zur Dauer des Mercedes-Engagements: "Klar ist aber auch, daß wir nicht 20 Jahre Formel 1 fahren werden." Er hatte vorher schon gesagt: "Im Moment lautet der Beschluß: wir fahren bis 2002."

Na, denn... - Bis dahin gute Fahrt!

MK/Wilhelm Hahne