Code-Nr. A 91 Twin: Mercedes springt mit der A-Klasse über den eigenen ESP-Schatten

Die A-Klasse in Großserien-Trimm, evtl. sogar mit lahmem Diesel und fahrleistungsvernichtendem ESP kann ihre Besitzer - so sie normale Menschen sind - wahnsinnig machen. Kein Wunder, daß Mercedes schon eine Anzeigenserie für gebrauchte A-Klasse-Fahrzeuge zum Preis unter 30.000 DM schalten kann. Es gibt nicht wenige Besitzer, die sich gerne wieder von der A-Klasse trennen würden, um sich "ein richtiges Automobil" zu kaufen. Die A-Klasse ist nicht konsequent gemacht. Ihr einziger Vorteil: man findet leicht einen Parkplatz. Aber die A-Klasse ist auch ein Schlaglochsuchgerät, ohne aber den Fahrspaß zu bieten, den dann andere brettharte - und gutliegenden (!) - Automobile als Gegenleistung bereithalten. Ferdinand Piech hat Daimler-Benz mit dem Lupo vorgemacht, wie man einen Kleinwagen aufwertet. Da gibt es zunächst eine Rennversion, dann eine High-Tech-Sparversion und dann kommt erst die eher nüchterne Normal-Ausführung. Aber zu einem vernünftigen Preis. - Nun reißt man auch bei Mercedes das Marketingsteuer herum.

Die Mercedes A-Klasse bald mit zwei Motoren und 250 PS

98-11-13/05. Es ist ruhig geworden in der Eifel. Eigentlich hatten die Testteams der Industrie auch schon zusammengepackt. Aber dann meldete Mercedes noch zwei Testwochen auf der Nürburgring-Nordschleife an. Aber die eigentliche Sensation wurde gar nicht auf der Nordschleife geprüft, sondern in einem direkten Vergleich zu einem Audi S 4 auf dem regennassen Grand Prix-Kurs noch einem letzten Vergleich unterzogen. Was dort zu beobachten war, wird in Zukunft eine Reihe von Mercedes-Fans nicht mehr ruhig schlafen lassen.

Wobei Mercedes (ab nächste Woche DaimlerChrysler) kein Risiko eingeht. Das, was Motor-KRITIK hier beobachten konnte, wird man als Geschenk - und kleines Dankeschön für den Gewinn der Formel 1-WM - den Rennfahrern Hakkinen und Coulthard überreichen. So kann die Öffentlichkeit den Mercedesleuten nicht vorwerfen, etwas Unvernünftiges zu tun. - Wenn aber dann alle Welt auch so ein Auto haben will - wie könnte sich dann Mercedes den Wünschen der Öffentlichkeit verschließen?

Dabei ist den Machern bei AMG und Mercedes heute schon klar, daß es zu einer kleinen Serie dieses Fahrzeugs kommen wird. Man ist auch auf die Fertigung einer kleinen Serie vorbereitet. Die Öffentlichkeit wird sie fordern. Und die DaimlerChrysler-Manager werden hilflos die Arme heben und auf die eventuell vorwurfsvollen Einwände der Politik mit einem "Was können wir dafür?" reagieren.

Und man wird auch alles tun, um die Kauflust der eventuellen Interessenten abzuschrecken. So wird man den Kaufpreis so irgendwo zwischen 120 - 150.000 DM plazieren. Weil dieses A-Klasse-Modell eben eine allerfeinste A-Klasse ist.

Ach, Sie wissen gar nicht worum es geht? - Um das Modell  "A 91 Twin". Das "A" bezieht sich auf die A-Klasse, die "91" auf die Leistung des Motors in kW und das "Twin" darauf, daß diese A-Klasse mit zwei dieser Motoren mit je 91 kW (also insgesamt rund 250 PS) ausgerüstet ist.

Wenn das beobachtete Modell eine A-Klasse ist, dann sind die bisherigen Versionen eigentlich bisher alle nur B-Klasse gewesen. Dieser "A 91 Twin" ist echt geil. (Entschuldigung!) Nicht nur von der Leistung her, sondern auch vom Aussehen. Dieses Modell kommt richtig "breitbeinig" daher. In der Spurweite hat das Fahrzeug um rund 10 Zentimeter vorne und hinten zugelegt. Natürlich sind dadurch die Räder aus der eigentlichen Karosse herausgewachsen. Und so machen jetzt aufgesetzte Kotflügelverbreiterungen auf die sportlichen Werte dieser neuen A-Klasse-Version aufmerksam.

Selbstverständlich ist die Karosse abgesenkt worden. Auch so um rund 10 cm. Die A-Klasse wirkt so - und in Verbindung mit den neuen 18 Zoll-Rädern, die mit 225/35-Reifen versehen sind, richtig erwachsen. Auch der Radstand scheint sich nach unseren Beobachtungen geringfügig verändert zu haben. Hinten arbeitet nun auch nicht mehr eine Starrachse, sondern eine Einzelradaufhängung. Der Einfachheit halber scheint man die Vorderachse - aber nun herumgedreht - hinten verwendet zu haben.

Die Karosse wirkt nicht nur durch die Kotflügelverbreiterungen etwas "fetter", sondern macht auch durch eine andere Front- und Heckschürze deutlich mehr Eindruck. Und seitlich betonen eindrucksvolle Tür- (oder Seiten-) Schweller eine scheinbare WespenTaille. Hinten lassen zwei kräftige Endrohre ahnen, daß sich unter der Karosseriehaut eine Menge Leistung versteckt. - Viele optische Andeutungen. - Aber was verbergen die?

Tatsächlich haben die Macher von Mercedes in diesem A-Klasse-Knubbel nun zwei Motoren (á 1,9 Liter Hubraum) untergebracht. Einer sitzt vorne, exakt da, wo auch in der Serienversion der Motor untergebacht ist, der andere befindet sich im Bereich der hinteren Sitze. Dort geht dann zwar eine Sitzmöglichkeit verloren, aber es bleibt hinten immer noch Platz für zwei Personen.

Die Innenausstattung des Fahrzeugs ist in echtem Leder ausgeführt. Da mußte natürlich auch das Lenkrad angepaßt werden: ein Wildlederbezug macht es nicht nur ansehnlich, sondern auch griffreundlich. Natürlich stellt sich das beobachtete Fahrzeug - da für Hakkinen bestimmt - farblich als "Silberpfeil" dar.

Durch die Motorplazierung hinten ist natürlich ein wenig vom Kofferraum verloren gegangen, aber es sind immer noch 210 Liter an Volumen vorhanden. Zugenommen hat dieser "A 91 Twin" natürlich an Gewicht: durch die zusätzliche Motor/Getriebe-Einheit ist das Gewicht auf knapp 1200 Kilogramm angewachsen. Und das Fahrzeug darf auch nicht mehr für Anhängerbetrieb eingesetzt werden. - Schade, schade, schade!

Aber durchaus für normale Stadtfahrten. Da gibt es eine andere pfiffige Lösung: der Heckmotor ist komplett abschaltbar! Dieses Mal also keine Zylinder-, sondern eine Motor-Abschaltung. Im Stadtverkehr reichen ja auch gut 120 PS. Wer aber nun befürchtet, daß der "A 91 Twin" mit zwei Motoren betrieben zum Säufer wird, der irrt: es kann bei normalem Einsatz - sozusagen im Mischbetrieb von Autobahn, Landstraße und Stadtverkehr mit einem Verbrauch gerechnet werden, der nur knapp über dem Testverbrauch einer normalen 1,6 Liter-A Klasse liegt, um 9 Liter Superbenzin nämlich.

Und wenn man nun die synchronisierten Synchron-Fünfganggetriebe des "Twin" nun mal voll nutzt und das Gaspedal richtig durchtritt? - Sprechen wir dann bitte nicht vom Verbrauch, sondern dann von den Fahrleistungen. - Wie aus gut informierten Kreisen zu hören, beschleunigt der "A 91 Twin" in 5,1 sec von Null auf 100 km/h und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von gut 230 km/h. Auch uns bei Motor-KRITIK kam das zunächst "wenig" vor, aber eine Nachrechnung, basierend auf einer Formel, die ich einmal von Jürgen Stockmar übernommen habe ergab, daß eine Reihe von PS im zweiten Antriebsstrang verloren gehen. - Würde man sich bei Mercedes noch zu einer deutlichen Verlängerung des Heckspoilers entschließen können... - Aber warum?

Weil die Praxisfahrleistungen nicht unbedingt von den oben schon genannten Fahrleistungsdaten bestimmt werden, sondern auch von dem was man "Elastizität" nennt, sei hier verraten, daß der "A 91 Twin" z.B. für die Beschleunigungsphase von 80 auf 120 km/h im 5. Gang weniger als ein Drittel der Zeit braucht, die für die gleiche Disziplin die normale 102 PS-Version des A 160 benötigt. - Unter uns: es sind gut 7 Sekunden.

Um das Bild abzurunden: bei Kreisbahnversuchen erreichte der "A 91 Twin" eine Querbeschleunigung von mehr als 1 g - mit Serienbereifung (!). Und auch um die Verzögerung dieses A-Klasse-Modells braucht man sich keine Sorgen zu machen. Vorne sind jene Bremsen verbaut, die auch die AMG E-Klasse mit V8-Motor gut verzögern, hinten kommen die Bremsen (mit innenbelüfteten Bremsscheiben) zum Einsatz, die normalerweise beim Serienmodell gute Verzögerungswerte sicherstellen.

Übrigens: Erinnern Sie sich, daß auch einmal VW einen Golf mit zwei Motoren bauen ließ? - Für den Einsatz in einem amerikanischen Bergrennen. DaimlerChrysler ist also nicht der Erfinder eines Automobils mit zwei Motoren, aber gerade bei den Stuttgartern fehlte jetzt ein solche Modell noch: Nachdem man nun den Smart für zwei Personen fertigt, wird es bald auch die A-Klasse für zwei Motoren geben. - Das ist doch eine logische Entwicklung.

Und wenn Sie sich an der oben schon genannten Preisvorstellung der Daimler-Oberen stoßen sollten: die haben extra das teure ESP weggelassen. Wie hätte man auch sonst in der Kreisbahn den gemessenen Wert von 1,03 g (das ist exakt der Spitzenwert) erreichen können?

Bestellungen nimmt - auch nicht gegen Vorlage eines Ausdrucks dieser Seiten - ab sofort leider noch keine  Werksniederlassung entgegen. Aber wie wäre es, wenn Sie zunächst einmal eine Option zeichnen? (Aber den Preis immer schön im Hinterkopf behalten!)

MK/Wilhelm Hahne