Kleine Vorschau auf die "North American International Auto Show" im Januar 1999

Veranstalter ist - wie immer - die Detroit-Autohändler-Vereinigung. Das erklärt auch den Termin. Die Ausstellung beginnt offiziell am 9. Januar; die Pressetage sind bereits ab 4. Januar geplant. Das ist die Zeit, in der im Automobilgeschäft wirklich nichts los ist. Also hat man als Händler - aber auch als Automobilverkäufer - viel Zeit, sich nach Detroit zu begeben. Wer fährt auch sonst wohl freiwillig nach Detroit? Eine schreckliche Stadt. (Das ist aber eine ganz private Wertung.) Von der Automobilindustrie (bzw. den -Händlern) richtig angeschoben (Journalisten werden seit Jahren von der Industrie hin- und zurückgeflogen), hat sich die  Auto-Show in Detroit zu einer wichtigen Ausstellung entwickelt. (Was immer das heißen mag.) - Und so finden sich in Detroit auch immer wieder attraktive Neuheiten ein. Nicht nur solche amerikanischer Hersteller. Motor-KRITIK schreibt nachstehend auf, was nach Eigenrecherchen in Detroit zu erwarten ist.

Ferdinand Piech ist mal wieder für eine Überraschung gut

98-11-30/02. Da Ford in Köln  und Opel in Rüsselsheim zwar vorgeben "Global Player" zu sein, aber es tatsächlich nicht sind (sondern nur die braven Kinder reicher Eltern), wird man von ihnen in Detroit auch wenig sehen. Höchstens als Firmen-Begleitpersonal von Journalisten, die man nicht alleine über den großen Teich schicken wollte, denen man aber einen Eindruck von der Allmacht ihrer Mütter vermitteln möchte.(Wenn für eine solche Aktion überhaupt noch Geld im Etat vorhanden ist.)

Aber natürlich ist DaimlerChrysler vertreten. Nicht nur mit Chrysler-Modellen, sondern auch mit solchen von Mercedes-Benz. Da wird man dem neuen Chrysler Grand Cherokee, der motorisch bis hin zu einem 4,7 Liter-V8 mit 236 PS reicht, eine AMG-Version der M-Klasse mit einem 5,5 Liter-V8-Motor mit rund 350 PS gegenüberstellen. Nur: der Chrysler ist serienfertig, an der AMG-Version der M-Klasse wird derzeit noch gebastelt.

In diesen Wochen finden z.B. noch Versuche im italienischen Nardo statt, die alles andere als erfolgreich verlaufen. Da gibt das derzeit verwendete Getriebe den Geist auf, da spielt die Motorelektronik nicht mit, kurzum: das Fahrzeug stand in den letzten Tagen mehr herum als es fuhr. Dabei ist es - wenn es läuft - schon granatenschnell. Seine Höchstgeschwindigkeit wurde mit 228 km/h gemessen.

Welchen Sinn es allerdings macht, mit so einer "Windbremse", wie es die M-Klasse nun mal ist, so schnell zu fahren... - Und das von Mercedes verwendete "Allradsystem" ist wohl auch nicht gerade "das Gelbe vom Ei". Wenn z.B. bei einem Reifenschaden das Notrad montiert wird, fühlt sich irgendeine Bremse immer wieder dazu animiert einzugreifen. - Eine heiße Sache! (Test-Tip: machen Sie mal mit einem einem normalen M-Klasse-Testwagen einen solchen "Notrad-Versuch".)

Es wird wohl Herbst 1999 werden, bevor Mercedes die AMG-Version der M-Klasse ausliefern kann. Aber sie wird wohl trotzdem - schon des neuen Chrysler Grand Cherokee wegen - in Detroit zu bewundern sein. - Der interne Konkurrenzkampf hat begonnen.

Wie hinter vorgehaltener Hand zu hören, wird in den USA auch ein Fahrzeug gezeigt werden, dessen Existenz  z.B. von Wolfgang Inhester (Mercedes-Pressechef) noch vor Monaten geleugnet wurde. Eine A_Klasse mit längerem Radstand. Oder anders formuliert: er hat bisher entweder Journalistenkollegen, die von der Existenz einer längeren A-Klasse erfuhren, bewußt belogen - oder er hat nichts gewußt. Manchmal sind Pressechefs eben bis zur Bewußtlosigkeit ahnungslos.

In diesem Fall soll es sich um die Mercedes A-Klasse handeln, die in der bisher gelieferten "kurzen Version" wohl in den USA überhaupt keine Chancen hätte. In Stuttgart hat man das auch begriffen und hat - vielleicht auch schon fürs erste Facelift - eine längere Version (aber natürlich unter vier Meter) in Vorbereitung. Dabei hatte man noch vor Monaten gegenüber dem Mann, der jetzt schon auf privater Basis eine Verlängerung der aktuellen A-Klasse auf 3,778 m realisierte erklärt (natürlich darf er die A-Klasse dann nicht mehr A-Klasse nennen, sondern nennt sie nun AXL), daß man bei Mercedes-Benz eine Verlängerung schon lange vorher angedacht habe. Aber man habe diese Idee dann wieder zurückgestellt und werde sie auch nicht mehr aufnehmen. - Nun doch?

Aber was schert diese Herren schon das eigene Geschwätz von gestern. So wird man wohl jetzt Anfang Januar in Detroit eine lange A-Klasse als Van-"Studie" mit hinteren Schiebetüren präsentieren. (Entwickler war nach unserer Kenntnis die Mercedes-Benz Forschungs- und Entwicklungsgruppe, 14974 Ludwigsfelde bei Berlin, Tel. 03378-832045. - Übrigens war Ludwigsfelde früher einmal "die Wiege der DDR-Lkw-Produktion".) Die neue Van-Version wird nach Motor-KRITIK-Schätzung mehr als 30 cm länger sein als die Ur-Version. Sie wird auch wohl als Serienversion nicht mehr lange auf sich warten lassen. - Dürfen! - Wenn man nicht die Wünsche des Marktes vollkommen vernachlässigen will. Rechnet man den Smart zu den Undingen, die aktuelle Version der A-Klasse den Dingern zu, dann wäre die verlängerte Forrm der A-Klasse ein Super-Ding.

Warten wir ab, was uns die North American International Auto Show beschert.

BMW wird neben Showobjekten (z.B. 7er in Digi-Top-Ausstattung) auch die Geländewagenvariante des 5er BMW, den X 5, offiziell vorstellen. Das X steht für Allradantrieb, der aber ebenso "schwach" ausgefallen ist, wie der beim Konkurrenten M-Klasse von Mercedes. - Warten wir da einmal die Praxiserfahrungen ab. - Bei einer Marketingveranstaltung vor Wochen in der Eifel trauten es jedenfalls die Münchner ihrem X 5 nicht zu, auch schwierigeres Gelände zu befahren. Es ging wohl in diesem Falle auch wohl nur darum, den Teilnehmern überwiegend positive Eindrücke (im Konkurrenzvergleich mit anderen Geländefahrzeugen) zu vermitteln.

Ärger um diesen X 5 hatte es vorher schon genug gegeben. So mußte die Presseabteilung von BMW die ersten offiziellen Bilder früher als gedacht an die Presse geben, nachdem "auto motor und sport" sie exklusiv vorab veröffentlicht hatte. Sie waren zwar als Comoputerbearbeitungen ausgegeben... - Aber wer hat das geglaubt? - Entsprechend groß war der Ärger und BMW mußte das erste Bildmaterial lange vor der Detroit Motor-Show verschicken.

Honda wird in Detroit seine deutlich überarbeitete Oberklassen-Limousine Legend zeigen, die von einem 3,5 Liter-V 6 angetrieben wird, der 205 PS an die Vorderräder bringt. Daß dieser neue Legend für Deutschland eine preisliche Überraschung bringen wird, war schon vor Wochen in Motor-KRITIK zu lesen.

Honda zeigt in den USA aber auch einen kleinen Geländewagen, der "nur" von einem Vierzylinder 1,6 Liter-Aggregat befeuert wird. Das Besondere an diesem Geländewagen, der wohl die Bezeichnung HR-V tragen wird, ist, daß er wahlweise sogar mit einem CVT-Getriebe ausgestattet werden kann.

Daneben wird Honda die sportlichste Accord-Version, mit der Bezeichnung Typ R vorstellen. Der "R" hat 2,1 Liter Hubraum, und 212 PS stellen sicher, daß diese Limousine genauso schnell läuft, wie die M-Klasse in der AMG-Version mit 5,5 Liter V 8-Motor: 228 km/h.

Porsche wird Detroit wohl nutzen, um die neue 3,0 Liter-Version des Porsche Boxster, die "S"-Version, zu präsentieren. Damit ist der Boxster dann so motorisiert, wie es Porsche-Fans eigentlich von Anfang an erwartet hatten. Und damit die "preisgünstige" Porsche-Einstiegsversion des Porsche nicht völlig unattraktiv wird, wird die durch einen 2,7 Liter-Motor (mehr Leistung und mehr Drehmoment) aufgewertet.

Das bringt nun (eventuell) den 911 (996 mit wassergekühltem Boxermotor) in Verlegenheit. Damit die Porsche-Verkäufer etwas zum Argumentieren haben, wird der bisher bekannten Version eine leistungsmäßig angehobene Version (ca. 320 PS und mehr Drehmoment) zur Seite gestellt. Gegen einen kleinen Aufpreis natürlich. (Solange das die Kundschaft mitmacht!)

Sicherlich wird Porsche wohl auch kaum versäumen, in Detroit in irgendeiner Form auf den kommenden Geländewagen hinzuweisen. Zumal Porsche-Chef Wendelin Wiedeking vom Sinn eines solchen Fahrzeugs für seine Firma mehr als überzeugt ist und auch um die Bedeutung des amerikanischen Marktes zum Erreichen der notwendigen Verkaufszahlen (beim angepeilten Preis!) weiß.
 
Die beste und überzeugendste Selbstdarstellung eines europäischen Automobilkonzerns wird aber in Detroit sicherlich durch VW erfolgen, wo man nicht nur die Marken VW und Audi präsentiert, sondern auch Bugatti, Lamborghini, Rolls-Royce und Bentley ausstellt. Da wird ein Super-Beetle mit Sechszylindermotor genausowenig fehlen, wie ein Lamborghini mit Zwölfzylinder oder der Bugatti mit Achtzehnzylindermotor. Aber - aus der Sicht von Motor-KRITIK - der besondere Knüller: Ferdinand Piech hat vor, schon in Detroit die Studie eines neuen Bentley vorzustellen!

Keine andere Firma, kein anderer Automobilkonzern stellt ein derart imageprägendes Modellprogramm vor. Nicht nur für jeden Bedarf etwas, sondern auch für jede Vorstellung, jeden Traum. Vergleiche man doch einmal diesen VW-Programm-Mix mit dem von DaimlerChrysler oder mit dem von General Motors, Ford, Toyota und man muß einfach zu der Feststellung kommen: VW ist Spitze.

Aber um zu dieser Feststellung zu kommen, muß man nicht nach Detroit fliegen und fahren.

MK/Wilhelm Hahne