Nachtrag zum Mercedes A-Klasse 190 Twin

Motor-KRITIK war mit seiner Veröffentlichung schneller als die Pressemitteilung von DaimlerChrysler. Als wir unsere Recherche-Ergebnisse mit den veröffentlichten Daten verglichen, entstanden einige Fragen. Die haben wir versucht mit einer Anfrage bei DaimlerChrysler (Presse Pkw Europa Mercedes-Benz) beantwortet zu bekommen. Und versucht, auch noch ein paar zusätzliche Daten zu erhalten, die vielleicht auch unsere Leser interessieren. Das Ergebnis finden Sie nachstehend

DaimlerChrysler sagt: "Theoretisch gibt es ihn in einer Kleinserie"

98-11-30/05. "Dank zweier Motoren verbindet diese neueste Interpretation des innovativen A-Klasse-Konzepts perfekt Emotion mit überlegener Kraftentfaltung, ohne die Vorteile der Kompaktheit und Flexibilität zu vernachlässigen", schreibt Daimler-Benz zu den neuen Dienstwagen für seine Formel 1-Stars.

Ein wunderschöner Satz, der die "seriennahe Allradstudie mit emotionaler Ausstrahlung" ins richtige Licht stellen soll. Da stand sie aber zu diesem Zeitpunkt schon. Dank einer Motor-KRITIK-Veröffentlichung. Wir waren "auto motor und sport" zuvorgekommen. - Sorry!

Aber wenn wir unsere Informationen mit denen von Daimler-Benz, Abteilung Mercedes-Benz, vergleichen, dann gab es Abweichungen. Und so haben wir in der Presseabteilung angefragt. Bei Daimler-Benz. Und dann später von DaimlerChrysler Antwort erhalten.

Unsere erste Frage beschäftigte sich mit der offiziellen Darstellung, nach der "nur das gleichermaßen innovative und variable Konzept" des A-Klasse Mercedes den Einbau zweier Motoren möglich gemacht habe. Und wir erinnerten die Herren in Stuttgart: "Haben Sie VW (den alten Golf) und den noch älteren Citroen vergessen? - Zwei synchron laufende Motoren sind so neu nicht. Auch in 'alten Konzepten' gab es sie schon. Und funktionierten!"

Darauf antwortet DaimlerChrysler: "Anerkanntermaßen gab es in der Automobil-Geschichte Modelle anderer Hersteller mit ähnlicher Antriebskonstellation, doch waren unseres Wissens hierfür von der Idee bis zur Realisation sehr viel aufwendigere Maßnahmen in vielerlei Hinsicht notwendig. Lediglich das intelligente Chassis-Konzept der Mercedes-Benz A-Klasse mit Sandwichboden sowie die einzigartige Auslegung des Motors (kompakt, flachbauend) bieten in Summe von ihren Grundvoraussetzungen ausgezeichnete Möglichkeiten zur Umsetzung des Zwei-Motoren-Antriebs unter Beibehaltung wesentlicher Komponenten der Serientechnik, und unter Beibehaltung der A-Klasse-Vorteile (z.B. Variabilität und Kofferraum bei kompakten Außenabmessungen)."

Unsere Anmerkung dazu: Der Sandwichboden war kein "intelligentes Chassis-Konzept", sondern da man eigentlich zunächst einen Elektroautomobil bauen wollte, eine zwingende Notwendigkeit, um die Batterien unterzubringen. Als man erkannte, daß ein Elektrofahrzeug in Großserie derzeit noch nicht zu verwirklichen war, hat man es schon aus Kostengründen unterlassen, das Elektrowagen-Konzept zu verändern, zumal es im zugedachten Einsatzgebiet des Fahrzeugs, dem Stadtverkehr nämlich, eine von ungeübten Fahrern (und Fahrerinnen) als angenehm empfundene hohe Sitzposition möglich machte. Die dann allerdings auch den hohen Schwerpunkt ergab, der mit zum "Elchtest-Debakel" der A-Klasse beitrug.

Die zweite Frage von Motor-KRITIK beschäftigte sich mit der möglichen Querbeschleunigung des A 190 Twin: "Ich habe auch die 1,03 g in meiner 'A 91 Twin'-Geschichte erwähnt, aber geschrieben: er hat kein ESP. Nach meiner Logik kann er mit ESP keine 1,03 g erreichen. ... Sind die 1.03 g tatsächlich mit ESP möglich?

Daimler-Chrysler antwortete: "Die genannte Querbeschleunigung von maximal 1,03 g ist beim A 190 Twin aufgrund seiner technischen Konzeption sowie der Auslegung und Steuerung des ESP auch mit diesem System möglich."

Unsere Anmerkung dazu: Wir müssen es glauben, würden es uns aber gerne einmal in der Praxis vorführen lassen. Wenn mit dem A 190 Twin eine Querbeschleunigung von 1,03 g möglich ist, warum benötigt dann das Fahrzeug noch ein ESP? - Das ist, als würde man einen unbrennbaren Gegenstand zur Sicherheit mit einem Feuerlöscher ausstatten.

Wir können nach Gesprächen mit Besitzern von normalen A-Klasse-Fahrzeugen (serienmäßig mit nicht abschaltbarem ESP ausgestattet) sagen, daß diese Sicherheitseinrichtung jede Fahrfreude im Ansatz zerstört. Einer der uns bekannten Besitzer wird aus diesem Grunde z.B. seinen A-Klasse-Diesel nach einem nur wenige Wochen langen Fahrerleben schnellstens wieder verkaufen. Um sich, wie er sagt, "wieder ein richtiges Auto zu kaufen". ESP (oder ein in seinen Auswirkungen ähnliches System) gehört serienmäßig weder in einen Porsche (wo man es inzwischen auch finden kann) noch in ein Fahrzeug von der Auslegung eines A 190 Twin.

Wir haben uns aber auch noch von DaimlerChrysler einige exakte - bisher unbekannte - Fahrzeugdaten des A 190 Twin geben lassen. Hier sind sie:
 
Radstand
2.423 mm
Spurweite vorn
1.513 mm
Spurweite hinten
1.492 mm
Gewicht, fahrfertig
1.330 kg
Gewichtsverteilung
49,9% vorne
50,1% hinten
Tankinhalt
54 l
Bodenfreiheit
117 mm
Der A 190 Twin ist also schwerer geworden, als von uns gedacht. Das liegt auch an der gewählten Komfortausstattung. Die gut 1300 Kilogramm sind aus unserer Sicht ein Grenzwert für einen Sportwagen, der uns aber in diesem Falle weniger stört als das eingebaute ESP.

Darum war unsere weitere Frage auch sehr interessant: "Ist es theoretisch möglich, bei entsprechender Nachfrage, den 'Twin' in einer Kleinserie zu bauen?"

DaimlerChrysler antwortete: "Theoretisch ja, eine konkrete Entscheidung aber gibt es aktuell nicht."

Nach Motor-KRITIK-Informationen aber nun doch. Aber man hat noch keine Produktionsstätte auftreiben können, wo sich das Fahrzeug preisgünstig aufbauen ließe. Nach unseren Informationen denkt man bei DaimlerChrysler an eine limitierte Stückzahl von 300 Fahrzeugen, die dann zum Stückpreis von DM 98.000 in den Verkauf kommen sollen.

Das Ganze ist mehr eine Marketingmaßnahme, mit der das Image der A-Klasse positiv beeinflußt werden soll.

Nach Werksangaben wurde an der Realisation des Projekts von einem kleinen Team vier Monate gearbeitet. Nach unseren - uns vorher schon vorliegenden Informationen - waren es knapp acht Monate. Aber das ist eigentlich unwichtig, wie uns auch die Entwicklungs- und Herstellungskosten der beiden bis jetzt gefertigten A 190 Twin weniger interessieren, zu denen DaimlerChrysler bemerkt: "... machen wir keine detaillierten Angaben."

Entschuldigung, wenn in unserer Darstellung ein paar Details nicht exakt dargestellt waren. Was grundsätzlich beweist, daß man als guter Journalist in entscheidenden Dingen zwar auf den Goodwill einer Presseabteilung nicht angewiesen ist, aber ganz ohne kommt man doch schlecht aus.

MK/Wilhelm Hahne