Noch einmal ein paar Worte zur Mercedes CLK-GTR Straßenversion

Es ist ein Unterschied, ob man von einer Dame oder von einem Mercedes-Sportcoupé als Straßenversion spricht. Aber in beiden Fällen kann es ein Millionen-Mißverständnis sein. Als Motor-KRITIK als einzige Informationsquelle den wirklichen Preis für ein Fahrzeug aus der kleinen Exklusiv-Serie schon im Frühjahr dieses Jahres nannte, da wurde überall nur mit dem Kopf geschüttelt und weiterhin - auch in seriösen Publikationen - der falsche Kaufpreis von um 1,5 Mio DM verbreitet. Was schon viel Geld ist. Aber zu wenig für einen Mercedes CLK-GTR. - Wir wollen nicht danach fragen, ob er das Geld wirklich wert ist, können aber feststellen: er ist schon ein besonderes Automobil. Es wurde zwischen 16. und 18. November jenen Journalisten exklusiv vorgeführt - und sie durften es sogar je 3 Runden fahren - die bisher den von Motor-KRITIK verkündeten Kaufpreis nicht glauben wollten. Und das waren viele. Und nun sprechen sie darüber, als hätten sie diesen Preis kalkuliert, hätten ihn schon immer gekannt.

Der Sportwagen mit drei Stempeln und zwei Wippen

98-11-30/07. DaimlerChrysler wird 25 Stück davon bauen; 21 Stück sind schon fest verkauft. Es gibt noch ein paar Optionen. Aber eigentlich kein Problem, die Fahrzeuge unters Volk zu bringen. Dabei hat der Scheich von Brunei dieses Mal kein Fahrzeug gekauft. Sagt man bei DaimlerChrysler.

Dabei erinnere ich mich noch gut, als der Geschäftsführer von AMG kurz vor Weihnachten in einem der letzten Jahre mit einem Modell des CLK-GTR nach Brunei flog, um "zur Sicherheit" schon mal dem Scheich von Brunei so ein Fahrzeug zu verkaufen. Weil damals der Mercedes-Vorstand (so etwas gab es damals noch) noch kein "grünes Licht" zum Bau des Super-Sportwagens mit Zwölfzylindermotor gegeben hatte. Aber bei AMG baute man schon am Fahrzeug. Sozusagen auf eigenes Risiko. Und der Scheich hat damals gekauft. Aber vielleicht hat er auch einen Ersatzkäufer - oder gar eine Ersatzkäuferin? - gestellt.

Heute jedenfalls sagt man bei DaimlerChrysler, der Scheich habe keinen gekauft. Immerhin hat seit damals der Preis auch saftig zugenommen. Vielleicht wollte man damals wirklich nur 1 Million Dollar haben. Inzwischen sind daraus aber 2,6 Mio DM + Mehrwertsteuer geworden, plus 300.000 DM für den Service. Plus Mehrwertsteuer, versteht sich.

Bis Herbst 1999 sollen alle Fahrzeuge ausgeliefert sein. Man baut bei AMG in 5 Wochen immer vier Stück. Drei Wochen braucht man für den Aufbau, zwei Wochen für die Endabnahme. Davon träumen Opel Astra-Käufer.

Aber trotzdem scheint das Fahrzeug nicht zuverlässig. Als ihn Malte Jürgens, eine der bedeutendsten Erscheinungen aus der Redaktion von "auto motor und sport" nun mehr als den anderen Kollegen zugesagten drei Runden an einem Stück (!) fahren wollte, da kam er so 12, 13 oder 14 Runden weit. Und dann war der 5. Gang defekt. Nichts ging mehr. Der Motor schaltete auf Notprogramm und waidwund kam der Minuten vorher stolz aus der Boxengasse gerollte Super-Sportwagen als röchelnde Schildkröte zurück.

Die AMG-Leute fragten sich, ob das Getriebe nun unter der Last des Fahrers oder der Last des Drehmoments (775 Nm bei 5250/min) seine Arbeit eingestellt hatte. Die Runden-"Sonderzuteilung" für "auto motor und sport" brachte aber einige Kollegen um den Reiz des eigenen Fahrerlebens. - Ach, fast hätte ich es vergessen. Diese Testtage fanden in Hockenheim statt. Kleiner Kurs.

Paul Frére, alter Rennstratege und international gefragter Journalistenkollege, unterschätzte die Kraft der zwölf Kolben, überschätzte den Grip der 345/35 ZR 18 Bridgestone Expedia auf 12,5 J x 18-Felgen hinten, und beschädigte die vordere Haube ein wenig. Kaum der Rede wert, dieser Schaden. - Ruckzuck, war eine neue Haube montiert. Das hat vielleicht lächerliche 150.000 Mark gekostet. Oder so. - Wer würde sich über solche Kleinigkeiten aufhalten?

Toll die Schaltung, anders als beim Rennfahrzeug. Da müssen die Rennfahrer (schließlich werden sie auch dafür bezahlt) noch mit einem richtigen Schalthebel schalten. In der Straßenversion schaltet man durch kurzes Antippen (Ziehen) an einer hinter dem Lenkrad liegenden Schaltwippe (rechts) hoch und links runter.

Und die armen Journalisten-Kollegen mußten sich zum Teil sehr quälen. Weil die Sitzposition nicht ihrer Größe entsprach. Nur wer einen solchen Wagen wirklich gekauft hat, hat Anspruch auf eine optimale Sitzposition. Beim Mercedes CLK-GTR läßt sich nämlich nichts verstellen. Weder Sitz noch die Pedalerie. Wer ein solches Fahrzeug gekauft hat, kommt zur Anprobe bei AMG vorbei. Und dann paßt das Auto. Und dann paßt der Fahrer hinein. Und kein anderer soll den Wagen fahren. Ist doch klar. Bei diesem Preis!

Die zwei Personen, die in einem CLK-GTR unterwegs sein können (eigentlich ist also dieser Sportwagen eine Alternative zum Smart!) sind (anders als die Rennfahrer in der Rennversion) optimal geschützt. Da sorgen nicht nur die Monocoquebauweise und besonders energieabsorbierende Sandwichstrukturen für eine hohe passive Insassensicherheit, sondern die wird noch unterstützt durch speziell auf den Innenraum des CLK-GTR angepaßte Fahrer- und Beifahrer-Airbags. Und die Vierpunkt-Sicherheitsgurte sind mit einem Anti-Submarining-System ausgerüstet, das verhindert, daß die Herrschaften bei einem Aufprall unter dem Gurt "wegtauchen". Es gibt sogar eine fest installierte Bordfeuerlöschanlage. Die hat noch nicht mal ein Rolls-Royce.

Auch sonst hat DaimlerChrysler an der Detailausstattung des Fahrzeugs nicht gespart. Serienmäßig (ohne Aufpreis!) verfügt dieser Straßen-Sportwagen über eine Parktronic, die Außenspiegel sind elektrisch von innen verstellbar, eine Temperaturautomatik (andere nennen sie Klimaanlage) sorgt für Innentemperaturen, die sich ertragen lassen. Was das serienmäßig verbaute Audio-System mit CD-Wechsler soll, ist nach dem Fahren des Wagens nicht ganz klar.

Denn natürlich macht der mächtige Mittelmotor (6,9 Liter, 12-Zylinder V-Motor mit 60 Grad Zylinderwinkel) schon wahrnehmbare Geräusche. Die werden aber praktisch verdeckt, nachdem man die Dreischeiben-Hochleistungskupplung hereinkommen ließ und angerollt ist, vom Heulen und Mahlen des geradverzahnten, unsynchronisierten (quer eingebauten) Sechsganggetriebes Was soll da das teure Audiosystem?

Natürlich verlangt das Fahrzeug nach kundiger Hand und einfühlsamen Gasfuß. Die Fahrermöglichkeiten werden aber aufgewertet durch eine lastabhängige Visko-Differentialsperre und eine serienmäßig vorhandene Anti-Schlupf-Regelung (ASR). Und natürlich gibt es ein ABS. Aber die Bremsscheiben sind nicht - wie bei der Rennversion - aus Kohlefaser, sondern es handelt sich hier um innenbelüftete Grauguß-Bremsscheiben mit thermisch entkoppelten Aluminiumtöpfen. In den 18-Zoll-Rädern sind vorne Sechskolben-Festsättel, hinten solche mit vier Kolben verbaut.

Das Fahrwerk entspricht grundsätzlich der Rennversion. Rundum sorgen Doppelquerlenker-Einzelradaufhängungen für eine präzise Radführung. Sie werden unterstützt durch in Zug- und Druckstufe unabhängig voneinander einstellbare Gasdruckstoßdämpfer mit depressiver Kennung. Die Federbeine sind über Zugstreben und Umlenkhebel angelenkt. Verstellbare Stabilisatoren sorgen an Vorder- und Hinterachse für eine Reduzierung der Wankneigung.

Und die Fahrleistungen? - Sie sind selbstverständlich so herausragend, daß wir sie bald vergessen hätten. Bei 320 km/h ist die Höchstgeschwindigkeit erreicht, weil die aerodynamischen Hilfen ab da praktisch als Bremse wirken. Aber bis dahin geht's ganz hurtig vorwärts. Von Null auf 100 km/h beschleunigt dieser Mercedes in 3,8 sec, aus dem Stand auf 200 km/h kommt man in 9,9 sec. - Wenn es dem Fahrer gelingt, die hinter ihm versammelten 450 kW (612 PS bei 6800/min) auch immer auf den Boden zu bringen.

Übrigens: man kann die Bodenfreiheit des Fahrzeugs individuell auf die vorgefundenen Fahrbahnverhältnisse anpassen. Mechanisch. Das bedeutet, daß man eine solche Einstellung nur dann vornimmt, wenn man das Fahrzeug auf einer Rennstrecke bewegt. Die serienmäßig mitgegebene Grundeinstellung der Bodenfreiheit beträgt 100 Millimeter. Auf dem Grand-Prix-Kurs des Nürburgrings würde ich wahrscheinlich mit weniger fahren. Auf der Nordschleife des Nürburgrings würde ich das Fahrzeug höher stellen müssen.

Und weil wir es im Titel angekündigt haben, wollen wir auch noch verraten, was es mit den Stempeln auf sich hat. Dieser Mercedes CLK-GTR verfügt praktisch über einen fest eingebauten Wagenheber. Will man z.B. den Wagen über den Winter (wegen des Salzes auf der Straße)  nicht fahren, empfiehlt es sich - um ein Abplatten der Reifen zu vermeiden - den Wagen aufzubocken. Beim CLK-GTR kein Problem. Auf Knopfdruck fahren drei Stempel aus, einer hinten, zwei vorne, und heben das Fahrzeug an. Mit einem Hebel läßt sich diese Position blockieren.

Irgendwie ist es schon faszinierend (und verrückt), wenn man in die Details dieses Fahrzeugs einsteigt. Alles vom Feinsten und Teuersten. Der integrierte Stahlüberrollbügel ist aus vergütetemEdelstahl. Da wurden in der Karosserie überwiegend die extrem leichten (aber hochfesten!) Carbonfaser-Verbundwerkstoffe verbaut. An manchen Stellen (der Torsions- und Biegesteifigkeit wegen) in Sandwichbauweise mit Aluminium-Waben. Und überall trifft man auf Aluminium, Magnesium, Titan. - Wahnsinn!

Aber es erklärt auch den Preis. Und zum Service kommt dann der Monteur ins Haus. Was dachten Sie denn? - Bei 300.000 DM Serviekosten + Mehrwertsteuer, die man vorab zu zahlen hat... - das kann man doch wohl verlangen!

Und da fällt mir dann auch ein, wozu man dem Fahrzeug serienmäßig ein Audio-System mit CD-Wechsler mitgegeben hat. Das ist Sozialismus der Tat! - Wenn sich der Monteur seine Lieblings-CD mitbringt, kann er die Servicearbeiten bei dezenter Musik durchführen.

Aber auch der Besitzer des einschl. Servicekosten 3,364 Millionen teuren Fahrzeugs hat etwas von der Anlage. - Wenn er im Stau steht.- Aber bitte nicht vergessen, das Autoradio anzumelden!

MK/Wilhelm Hahne