Kurzarbeit bei Ford in Köln und die Hintergründe

Wir bei Motor-KRITIK sind immer wieder erstaunt, wie schnell die Öffentlichkeit vergißt. Dazu gehören auch die Journalisten-Kollegen. Man braucht doch nur 1 + 1 zusammenzuzählen und... - Gestern hat Ford noch etwas anderes erzählt als heute. Und morgen? - Wer ist denn nun schuld, daß der Fiesta-Verkauf zusammenbrach? - Und warum brach er zusammen? - Und werden nun wirklich beim Puma die Lieferzeiten länger? - Und was macht der hochgelobte Ford Focus? - Und sind die Verkaufsziele, die Ford in Köln für 1999 anpeilt, eigentlich realistisch? - Werden jetzt durch die "Kurzarbeit" bei Ford wirklich nur 22.000 Automobile weniger gebaut? - All'  diese Fragen versucht Motor-KRITIK in nachstehender Geschichte zu beantworten. Auch die Frage: Was macht eigentlich die Ford-Öffentlichkeitsarbeit? - Der Kölner "Express" faßt die Situation bei Ford so zusammen:

"Krise bei Ford. Ganz Köln zittert mit."

98-12-12/07. Der "Kölner Stadt-Anzeiger" stellt sich vor das Ford-Management, wenn er schreibt: "Der frühe Absatz-Einbruch beim Fiesta im Ausland - in Deutschland ist das Geschäft (noch) einigermaßen stabil - trifft das Kölner Management unvorbereitet." Und vermeldet weiter: "Ein komplett neuer Fiesta ist erst für das Jahr 2002 geplant". - Warum erst für 2002?

Man sollte nicht vergessen: der Fiesta ist inzwischen 10 Jahre alt. Ford schaffte es,  in fünf Jahren vier neue Vorstandsvorsitzende aufzubauen und in 10 Jahren keinen neuen Fiesta? -

Es handelt sich hier um eine Fehlentscheidung des Ford-Spitzenmanagers Nasser. Nachdem nach dem letzten Facelift im Jahre 1995, das wirklich umfassend war, der Verkauf des Fiesta stark anzog, beschloß dieser Mann, die Entwicklung eines komplett neuen Fiesta um zwei Jahre nach hinten zu schieben. So konnte man richtig Geld sparen! - Ein Kölner Ford-Manager: "Nach dem ´95er Facelift lief der Verkauf auch geradezu granatenmäßig an. Was sollte da Nasser anderes beschließen?"

Wieso Nasser? - Hatte Ford Köln nicht ein eigenes Management, eine Reihe von Vorstandsmitgliedern (mit entsprechender Visitenkarte) die solche Entscheidungen treffen mußten? - Hat das deutsche Management nicht protestiert?

Einer der's wissen muß: "Warum sollte man sich gegen Nasser auflehnen? Das würde doch die eigene Karriere gefährden."

Nun ist das eingetreten, was intern so manche Ford-Mitarbeiter auf der mittleren Management-Ebene schon vorhersagten. Denn für den Fiesta gibt es z.B. bis heute keinen vernünftigen Diesel-Motor. Was man anbietet, ist mit dem Angebot der Konkuurenz verglichen, eben nicht konkurrenzfähig.Und wer hat die Entwicklung eines modernen Dieselmotors, eines Direkteinspritzers moderner Art, verhindert? - Das Spitzenmangement in Amerika. - Und wer hat sich das gefallen lassen? - Jene Vorstandsmitglieder der deutschen AG, die nur auf der Visitenkarte eine Funktion ausüben. Sie sind den Vorstandsflüsterern aus Detroit erlegen. Um die eigene Karriere nicht zu gefährden. Sie haben Wohlverhalten gezeigt. Und zeigen jetzt mit dem Finger nach Detroit.

Und was sagen die Arbeiter, die nun - gerade in der Weihnachtszeit - deutlich weniger Geld in der sogenannten Lohntüte haben? - Man ist erschrocken, man hat dem Management vertraut. Man versteht es nicht, da man doch gute Automobile baut. - Aber wer sagt das der Öffentlichkeit? - Frau Dr. Wegerhoff?

Die hat Wichtigeres zu tun, als sich an die Front zu begeben. Sie könnte verletzt werden. Oder besser: Ihre Karriere könnte leiden, Schaden nehmen. Was diese Dame perfekt beherrscht, ist die Darstellung der eigenen Leistungen nach innen. Und darauf kommt es bei Ford (aber auch Opel/GM) an.

Wann begreift man eigentlich in Amerika, daß Amerika Amerika ist und Europa Europa?

In Köln stehen nun ab Freitagabend, dem 11. Dezember die Bänder still. Und nach der offiziellen Darstellung sollen nun rund 22.000 Ford-Automobile nicht gebaut werden. - Da braucht man eigentlich keinen Computer, um diese Zahlen als Schwachsinn zu enttarnen. Rechnen Sie doch einmal nach:

Am 18. Januar 1999 wird die Fertigung wieder in Köln anlaufen. Und vom 8. - 19. Februar wird man noch einmal die Fertigung einstellen. In den letzten Tagen vor der Einstellung wurden in Köln täglich 950 Fiesta und 200 Puma gefertigt. (Maximal wären 1050 Fiesta und 200 Puma möglich gewesen.) Rechnet man das einmal nach, dann ergibt sich ein Produktionsausfall von mehr als 40.000 Fahrzeugen.

Der "Kölner Stadt-Anzeiger" bedauert auf der Titelseite: "Dadurch auch längeres Warten auf den 'Puma'." - So ein Blödsinn! - Warum fragt man denn nicht mal beim Handel nach. Ford Puma sind beim Ford-Händler ab Lager lieferbar, wenn man nicht gerade auf einer ausgefallenen Farbe und einer besonders exklusiven Ausstattung besteht. Und das nicht nur bei einem Ford-Händler. Auch beim Puma-Verkauf ist die Luft raus. - Das ist die Realität!

Natürlich gibt es eine Reihe von Gründen für den Einbruch beim Fiesta. In Italien ist die Abwrakprämie weggefallen, Ford bietet im Fiesta - gerade für die südlichen Länder - keinen akzeptabelen Dieselmotor. Und der Fiesta ist von der Anmutung her eben ein altes Auto. Er ist 10 Jahre alt. Und die Verkaufszahlen der letzten Zeit wären schon nicht möglich gewesen, hätte Ford nicht Sonderaktioen gefahren. Man wußte also in Köln nicht seit gestern, was auf einen zukam. Aber man hatte keine Lösung. Weil - wie schon geschrieben - von Firmenchef Nasser (Detroit) die Entwicklung eines komplett neuen Fiesta um zwei Jahre nach hinten verschoben wurde. Weil man glaubte, so Geld sparen zu können.

Die Ford-Situation wirkt aus Motor-KRITIK-Sicht im Hinblick auf die Möglichkeiten in 1999 nicht gut: Fiesta  = schlecht; Puma = schwierig, Escort Classik (aus heutiger Sicht) = unbefriedigend; Focus = läuft jetzt schon nicht wie erhofft. - Lassen wir's ab hier im Modellprogramm der Kölner bleiben, denn der Mondeo wird in Belgien gefertigt.

Die Fiesta-Situation hatten wir schon beschrieben, die des Puma schon erklärt; kommen wir also jetzt zum Ford Escort. - Der ist immer noch als Ford Classic, in einer 90 PS-Version um 25.000 DM kostend, lieferbar. 20.000 Stück will Ford davon in 1999 verkaufen. Aber derzeit ist er nicht lieferbar - überhaupt nicht lieferbar! - weil die Qualität der nujn in England gefertigten Fahrzeuge so schlecht ist, daß er in Deutschland zu keinem Preis zu verkaufen wäre. Aber man hofft diese Qualitätsprobleme in den Griff zu bekommen. Aber auch die erträumten Verkaufszahlen zu erzielen?

Auch der Ford Focus läuft nicht so, wie sich das - vor allen Dingen die Händler - erhofft hatten. Die hatten zum Teil sehr großzügig disponiert, weil sie das erste, das eigentlich leichtere Geschäft, mitnehmen wollten. Und nun füllen unverkaufte Ford Focus die Händler-Lager. Der Ford Focus ist ab Händler-Hof lieferbar. Und hört man beim Ford-Vertrieb in Köln nach, so verzieht man auch dort die Gesichter, als hätte man in eine Zitrone gebissen, wenn vom "Verkaufserfolg" des Ford Focus die Rede ist. In den ersten 6 Verkaufswochen konnte man in Köln rund 18.000 Verkaufsabschlüsse registrieren. Das ist weit weniger, als man erwartet hatte. Es sollten zu diesem Zeitpunkt nach der eigenen Vertriebsplanung deutlich über 20.000 sein.

Und in 1999 hat man 130.000 Ford Focus-Verkäufe eingeplant. Motor-KRITIK-Vorhersage: In Köln sitzen Träumer. Wir dürfen daran erinnern, daß Ford in seinem besten Escort-Jahr 102.000 Ford Escort verkaufen konnte. Und nun in 1999 dann 130.000 Focus? - Lächerlich! - Denn es sollen dazu (!) noch 20.000 Ford Escort an den Mann gebracht werden, also insgesamt 150.000 Einheiten  in dieser Kategorie.

Der neue Ford Vorstandsvorsitzender - aus Motor-KRITIK-Sicht ein fähiger Mann - ist nicht zu beneiden. Seine Vorgänger legen ihm nun die Probleme gebündelt auf den Tisch. Von welcher Qualität seine Vorgänger waren, kann man z.B. gut am Beispiel eines Herrn Caspers aufzeigen, der gerade seine Mangement-Qualitäten beim 1.FC Köln verdeutlicht. (Für die, die das vorher noch nicht begriffen hatten.)

Für Montag, dem 14. Dezember hat Ford in Köln nun eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung einberufen. Dafür gibt es nur zwei Gründe: Entweder werden dort dringend notwendige Personalentscheidungen getroffen, oder es wird dort die Gründung einer Holding beschlossen.

Der Zug für Ford in Köln ist abgefahren. Ford in Köln als Automobilhersteller hat seine Bedeutung längst verloren. Detroit hat den Kölner Automobilhersteller durch falsche Personal- aber auch Sachentscheidungen in diese Situation gebracht. Mit Absicht? - Um nun die GmbH, die neue Holding, durchsetzen zu können, eine Firmenentscheidung der amerikanischen Firmenzentrale, deren Umsetzung schon seit Jahren überfällig war?

"Krise bei Ford. Ganz Köln zittert mit", schreibt der Kölner "Express".

Wie sehr man in Köln zittern muß, hat man aber noch gar nicht begriffen, da man bisher den Angaben aus der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit  vertraute. - Doch die Realität ist weitaus schrecklicher.

MK/Wilhelm Hahne