Roman Herzog: "Bedeutende Dichter machen mitunter Ärger"

Nein, es ist nicht, weil ich mich für einen bedeutenden Dichter halte. Trotzdem möchte ich - praktisch zum Jahrestag einer Rede von Roman Herzog - die er zum Festakt anläßlich des 200. Geburtstages von Heinrich Heine, am 13. Dezember 1997 in der Deutschen Oper am Rhein, in Düsseldorf hielt, ein paar Sätze zitieren. Ohne jede Anmerkung. Einfach so. Weil die Rede - zumindest in "unseren Kreisen" - auch kaum wahrgenommen worden ist.

"Schriftsteller ... dienen ihrem Land oft auch mit ätzender Kritik"

98-12-12/08. Roman Herzog über Heinrich Heine:

"Heine wollte wachtrommeln, den Zustand der Welt zeigen, wie sie ist. ...

Bei aller Unabhängigkeit scheute er sich allerdings auch nicht, sich von seinem wohlhabenden Onkel Salomon, oder später vom französischen Innenministerium oder vom Hause Rothschild finanzieren zu lassen. Nicht wegen einzelner Aussagen, wohl aber weil er weder finanziell noch ideologisch korrumpierbar war, konnte Heine vielen Intellektuellen zum nicht immer erreichten Vorbild werden. ...

Schriftsteller und Intellektuelle, für deren Typus Heine noch heute ein Modell ist, dienen ihrem Land oft auch mit ätzender Kritik. Darauf gelassen zu hören, sich selber zu befragen und eventuell umzudenken, müssen wir zu jeder Zeit neu lernen.

Schriftsteller und Intellektuelle haben keineswegs die Wahrheit gepachtet, schon gar nicht, wenn sie sich auf das Feld des Politischen begeben. Doch ist die Wahrheit auch nicht automatisch bei der Mehrheit oder den jeweils Herrschenden. Deshalb will ich gerade beim heutigen Anlaß festhalten:

Ohne kritischen Einspruch, ohne das Engagement unbequemer Denker verkümmert die Gesellschaft. Wir brauchen Streit und Widerspruch, wir brauchen die Zumutungen und Fragen unabhängiger Köpfe. Man kann sogar sagen: Nie ist der sperrige Individualist wichtiger gewesen als heute, besonders wenn er mit Ironie, Witz und Eigensinn die am laufenden Band produzierten intellektuellen, kulturellen und politischen Moden auf ihren tatsächlichen Gehalt prüft."

MK/Wilhelm Hahne