Alle Jahre wieder: der OPEL/GM-Weihnachtsbrief an seine Lieferanten

Dieses Mal hat Motor-KRITIK den Brief in zwei Sprachen, in Deutsch und Englisch, vorliegen. Es ein Brief völler einfühlsamer Worte. Nachstehend soll daraus zitiert werden. Und manchmal kommt auch ein kleiner Kommentar hinzu. Es ist eben unmöglich, vom Verhalten von GM/Opel nicht gefesselt zu sein. Und beim Vergleich der Texte fällt auch auf, daß nicht immer alles gleich ist. Wird in der englischen Anrede "Dear Madam or Sir" geschrieben, so heißt es in der deutschen Version, "Sehr geehrte Damen und Herren". Auch der verwendete Briefbogen ist interessant: oben GM, unten Opel. - Genug der Vorrede.

"As 1998 draws to a close"

98-12-20/02. Auch Motor-KRITIK hat von vielen Firmen, den Lieferanten von Informationen, Weihnachtspost bekommen. Es waren ganz ausgefallene Weihnachtskarten dabei. Wie z.B. die von VW, die von keiner Unterschrift, keinem persönlichen Wort verunstaltet wurde. So etwas scheint anzukommen.

Bei Opel (oder GM?) ist man da schon weiter. Man füllt rund 1,5 DIN A 4-Seiten mit einer Menge Worte. Absender ist laut Briefbogen "General Motors European Operations - Worldwide Purchasing", wie es im Briefkopf heißt, während im Fuß des Bogens Namen und Anschrift der Adam Opel AG, Rüsselsheim, einschl. aller Vorstände usw. angegeben ist. Unterzeichnet sind die Briefe von Bo I. Andersson, einem Opel-Vorstandsmitglied.

Abgesendet wurde dieser Feiertagsbrief schon im November. Er beginnt in der englischen Version mit den im Titel dieser Geschichte angegebenen Worte, die sich in der deutschen Version - und in der Fortsetzung - so lesen:

"Schon wieder neigt sich ein Jahr dem Ende zu. Wir blicken zurück auf ein weiteres Jahr voller Veränderungen für die europäische Automobilindustrie, ein Jahr mit neuen Herausforderungen für Hersteller und Zulieferer gleichermaßen. Bei OPEL/GM Europe, hat die partnerschaftliche Beziehung zu den Lieferanten unter anderem dazu beigetragen, daß der neue Astra einen guten Start hatte."

So wissen wir nun, was - trotz "Retrofit 2000" - OPEL/GM als guten Start empfinden. Aber nur dort kann man ja wissen, wie die anderen Serienanläufe vorher aussahen. Wenn wir z.B. an den Omega denken... -

In dem weihnachtlichen Brief von OPEL/GM geht es so weiter im Text:

"Wir wissen, daß wir auch im neuen Jahr weiteren Herausforderungen gegenüberstehen werden, die uns im Augenblick unüberwindbar erscheinen."

Oha! - Weiß man bei Opel/GM nicht mehr wie's weitergehen soll? - Warum? - Unüberwindbar? - Aber dann erfährt der geneigte Leser, daß man bei OPEL/GM schon mehr  weiß:

"Wir wissen auch, daß wir gemeinsam mit Ihnen durch eine offene und ehrliche Zusammenarbeit diese Herausforderungen meistern werden."

Na, ja - wunderbar! "Durch eine offene und ehrliche Zusammenarbeit." - Und weil das wohl so ist,  heißt es dann im Brief weiter:

"Aus diesem Grund...." - Aus diesem Grund? - Aber lesen wir doch einfach weiter:

"Aus diesem Grund möchten wir - gerade jetzt in der bevorstehenden Weihnachtszeit - einen unserer wichtigen OPEL/GM-Grundsätze nochmals betonen:"

Wer jetzt so Worte wie, "Gemeinheit geht vor Eigensinn" erwartet, oder "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst", der wird enttäuscht werden. Gerade im Hinblick auf die "bevorstehende Weihnachtszeit". Denn nun folgt:

"Keinem der Repräsentanten von OPEL/GM Europe oder seiner/ihrer direkten Angehörigen ist es erlaubt, Bargeld, Geschenke oder besondere Entgegenkommen, Begünstigungen oder Nutzung von Eigentum oder Einrichtung denjenigen anzubieten oder von denjenigen anzunehmen, mit dem er/sie Geschäftsbeziehungen unterhält oder geschäftliche Verhandlungen im Namen von OPEL/General Motors führt."
Ist das nicht schön formuliert? Und so klar. Opel-Mitarbeiter dürfen also auch keinen anderen "Begünstigungen oder Nutzung von Eigentum" anbieten. - Was ist das mit den Benzinkosten-Vergütungen für Testfahrten? - Was ist mit den sogenannten Dauer-Testwagen? - Oder was ist da mit den Einladungen zu Präsentationen, wo die gesamten Reisekosten übernommen werden, Übernachtungen gezahlt, auch das Essen? Und wo es noch kleine Geschenke dazu gibt. - Oder gilt für die OPEL/GM-Öffentlichkeitsarbeit eine Ausnahmeregelung dann, wenn Begünstigungen anderer zum Vorteil von OPEL/GM erfolgen?

Für das Frühjahr 1999 hat Opel gerade wieder zwei Präsentationen vorangekündigt. Man möge sich bitte diese Termine freihalten. - Aber vielleicht handelt es sich ja auch bei den oben genannten "Grundsätzen" um eine zu freie Übersetzung aus dem im Original englischen Test. Zur Sicherheit geben wir ihn nachstehend wider:

"...it is important to re-emphasisse an important OPEL/General Motors policy:

'No representative of OPEL/GM Europe or member of his or her immediate family will give or accept any cash, gifts oder special accommodations favours or use of property or facilities to or from anyone with whom the representative does business or is negotiating business on behalf of the company.'"
Natürlich hat Opel Verständnis für vieles, aber... - Lassen wir den Originaltext sprechen:

"OPEL/General Motors versteht sehr gut, wie wichtig eine enge Zusammenarbeit mit den Lieferanten ist. Die bestehenden Beziehungen müssen intensiviert werden, damit wir Informationen austauschen und gemeinsame Zielsetzungen festlegen können. Geschenke oder Gratifikationen, auch wenn sie noch so gut gemeint sind, lenken dabei nur von dem Verdienst ab, den wir uns durch gemeinsame Leistungen und ehrliche Arbeit erworben haben."

Aber das ist ja genau der Grund, warum man nun einen Weihnachtsbrief schreibt. Und was der Lieferant da sparen kann! - Weiter im Opel-Text:

"Aus diesem Grund bitten wir Sie, OPEL/General Motors Mitarbeiter nicht auf Gratifikationslisten zu setzen. Sollten trotzdem Geschenke versandt werden, werden sie dem Absender auf dessen Kosten wieder zugestellt. Sollte ein OPEL/GM Angestellter einem Lieferanten nahelegen oder ihn dazu auffordern anders zu handeln, bitten wir Sie, die Einkaufsleitung entsprechend zu informieren."

Bo I. Andersson wird schon deutlicher. Im Interesse der Firma. Und zum Schutz seiner Mitarbeiter. - Aber wer schützt die Journalisten vor der Opel-Öffentlichkeitsarbeit? - Denn man muß sich vor Augen halten, was Bo I. Andersson dann weiter ausführt und was an Klarheit nicht zu wünschen übrig läßt. - Vor allen Dingen in einem Weihnachtsbrief:

"Aus jeder Verletzung dieser Grundsätze ziehen wir Konsequenzen: möglicherweise wird der Lieferant bei zukünftigen Geschäften nicht mehr berücksichtigt, unter Umständen werden bestehende vertragliche Beziehungen mit sofortiger Wirkung gekündigt. OPEL/General Motors wird gleichermaßen auch gegen seine eigenen Mitarbeiter vorgehen, die sich auf unerlaubte Geschäftspraktiken eingelassen haben. Sollten sie dabei gegen Gesetze verstoßen haben, müssen sie mit allen arbeitsrechtlichen Konsequenzen und schlimmstenfalls mit einem Strafverfahren rechnen."

Jetzt, spätestens, ist es doch wohl ganz klar. - Also schnell zurück mit den Dauertestwagen. Und keine Benzinkostenabrechnungen mehr für Testwagen. Nicht nur, daß man sich als Journalist selbst gefährdet, man gefährdet auch die Mitarbeiter der Opel-Presseabteilung. - Und Opel kann immer nachweisen, daß man - zumindest an der Firmenspitze - immer wieder an die "OPEL/GM -Grundsätze" ("important OPEL/General Motors policy") erinnert hat. - Aber bei Opel/Gm glaubt man auch, gibt es noch Glauben - und gute, versöhnliche Worte zum Fest. -

Motor-KRITIK wird jetzt zum Ende des OPEL/GM Weihnachtsbriefes ohne weiteren Zwischen-Kommentar finden:

"Wir glauben, daß diese ethischen Grundsätze im Interesse aller Beteiligten angewandt werden. Daher bitten wir Sie, alle betroffenen Personen in Ihrem Unternehmen auf diese Richtlinien aufmerksam zu machen und sie dazu aufzufordern, sich daran zu halten.

Wir wünschen Ihnen und Ihren Mitarbeitern ein friedvolles Weihnachtsfest sowie Glück und Erfolg im Neuen Jahr.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Bo I. Andersson"

General Motors und Opel wird Motor-KRITIK nicht vorwerfen können, nicht alle Kollegen eindringlich "auf diese Richtlinien aufmerksam" gemacht zu haben. Und bitte, halten Sie sich daran. Denn: Grundsätze sind Grundsätze. Vor allen Dingen für den, der sie aufstellt. Und damit alles nun zum Schluß einen etwas weihnachtlichen Glanz erhält, wollen wir den Schlußsatz aus diesem eindrucksvollen Weihnachtsbrief des größten Automobilkonzerns der Welt an seine Partner (!) noch einmal in einer Fremdsprache wiederholen, so "als wär's ein Stück von mir" und Motor-KRITIK:

"We wish you and your staff peace and happiness for the Christmas season as well as success and prosperity in the New Year."

MK/Wilhelm Hahne