VW, Wolfsburg, England und der Motorsport ganz allgemein

Wenn der Mensch über lange Zeit gesund bleiben will, muß er Sport betreiben. Das ist bei Automobilfirmen nicht anders. Und betrachtet man einmal den Zustand von Opel und Ford in Sachen Motorsport... - Aber man sieht auch an deren Zahlen, daß man dort nicht gesund ist. Anders VW. Dort stellt man ein Motorsport-Programm auf die Beine, das über viele Jahre die "Gesundheit" des Konzerns sicherstellen soll. Nachstehend finden Sie die letzten Informationen zu den Absichten des Konzernlenkers Ferdinand Piech. Der weiß, daß er - so schnell wie es geschehen muß - nicht alles selbst auf die Beine stellen kann. Und er kauft da ein, wo man in Sachen Motorsport erste Qualität zu liefern in der Lage ist: z.B. in England.

Demnächst in diesem Motorsport-Theater: die "tolle Lola" aus Wolfsburg

99-01-31/04. Eigentlich ist alles schon in "auto motor und sport" zu lesen. Danach hat Ferdinand Piech gesagt: "Der W12 läuft. Volkswagen wird Audi diesen Motor anbieten. Wenn die ihn nicht wollen, dann werden wir im nächsten Jahr mit Bentley in Le Mans fahren." - Aber die Journalisten-Kollegen bei "ams" scheinen nicht begriffen zu haben, was Ferdinand Piech da sagte.

Motor-KRITIK hat sofort mit den Recherchen begonnen und liefert nachstehend das Ergebnis. Denn die Aussage von VW-Lenker Piech beinhaltet eigentlich, daß der W12 von Audi nicht gebraucht wird.  Und in der gleichen Ausgabe von "ams", in der auch die Aussage des Herrn Piech zu lesen ist, wird von den Stuttgarter Redakteuren vermeldet: "Absatzeinbruch bei Rolls Royce/Bentley um 16 Prozent".

Volkswagen, als Eigner des britischen Unternehmens Rolls Royce, dem Hersteller auch von Bentley kann es nicht gleich sein, was mit der Marke geschieht. Sie muß aufgewertet werden. Gerade Bentley. Denn Rolls Royce wird man früher oder später an BMW verlieren. Bis dahin muß Bentley's Image verbessert, eindeutiger werden. Eindeutiger, bedeutet in diesem Falle: sportlicher. - Und das funktioniert nur über ein Engagement der Marke im Motorsport. Möglichst mit dem Motor, der auch später - nachdem Rolls Royce an BMW ging - nach den Plänen von Ferdinand Piech auch den Bentley in seiner Serienversion wirklich befeuern soll: den W12.

Ferdinand Piech sagt, daß dieser Motor nun fertig ist. Und er meint eine Motorsport-Version, wie man seiner Aussage in "ams" entnehmen kann. Und damit will er dann in 1999 in Le Mans starten. - Das macht Sinn.

Werfen wir doch einmal einen Blick auf das derzeitige Bentley-Programm.

Da wird der derzeitige Bentley Arnage von einem BMW 4,4 l-V 8-Motor (mit zwei Turboladern) befeuert. Diese Luxus-Limousine mit einem Gesamtgewicht von 2.750 Kilogramm wird damit in 6,8 sec von Null auf 100 km/h beschleunigt, durcheilt den "stehenden Kilometer" in 27,1 sec und erreicht einen Top-Speed von 242 Kilometer pro Stunde. - Wenn das nicht sportlich ist.

Ein Rolls Royce, der Silver Seraph, ist mehr auf Komfort abgestimmt und darum auch von einem Zwölfzylindermotor (BMW) angetrieben. Damit geht's etwas langsamer - aber komfortabler - voran: von Null auf 100 km/h in 7,8 sec und die Spitze liegt "nur" bei 220 km/h.

Da ist das Bentley-Coupé, das T-Modell von anderer Art. Mit dem guten alten 6,8 l (6.750 ccm) V 8-Motor, Nenndrehzal 4.000 Umdrehungen, wird das Bentley Coupé in 6,2 sec von Null auf 100 km/h gerissen und geht so um 270 km/h in der Spitze.Bentley hat also nicht etwas vorgetäuscht, wenn man eine Limousine in der Vergangenheit mit einem Modellnamen bezeichnet, den man vom 24-Stunden-Rennen in Le Mans kennt: Mulsanne. Beim neuesten Bentley muß nun eine Kurvenbezeichnung aus Le Mans als Modellnamen herhalten: Arnage.

Da kann Ferdinand Piech nun wunderschön anknüpfen. Es ist tatsächlich seine  Absicht, schon in Jahre 2000 einen Sportwagen (GT 1) beim Rennen in Le Mans einzusetzen. Als Bentley. Und mit jenem Motor ausgestattet, der dann einmal auch in der Serienlimousine Platz finden soll: der W12.

Damit ein Bentley W12 dann aber nicht "alt aussieht", muß man jetzt schon mit den Arbeiten beginnen. Der Motor ist (im Groben) fertig. Nun müssen die Abstimmungsarbeiten, die Harmonisierung mit Fahrwerk und Karosse erfolgen. In einem GT 1 also. - Aber es gibt bei VW ein solches Fahrzeug nicht.

Aber so ist es - zumindest für Motor-KRITIK- keine Überraschung, wenn man in diesen Wochen eine Abordnung aus Wolfsburg in England ausmachen konnte, die den bekannte Sportwagenhersteller besuchte. Schließlich braucht man sehr schnell das, was man dann als Aggregateträger bezeichnen könnte. Und das Volkswagenwerk hat ihn inzwischen sogar in Auftrag gegeben. Bei Lola, in England.

Lola baut gute Sportwagen, lieferte immer schon perfekte Qualität. Lola hat also den Auftrag, einen Bentley für Le Mans zu bauen. Oder zumindest das, was als Ausgangsbasis für das Endprodukt dienen kann. Es ist kein offener Sportwagen. Das ist eigentlich (für Motor-KRITIk) die Überraschung, sondern ein geschlossenes Coupé, ein GT 1. Aber eigentlich ist es doch keine Überraschung: auch ein Bentley-Sportwagen sollte nun schon ein Minimum an Komfort bieten. Und dazu gehört es eben, das der Fahrer im Trockenen sitzt.

Ein wenig verwirrt waren wir dann bei Motor-KRITIK schon, als wir uns entscheiden mußten: wird es nun ein Lola oder villeicht bdoch ein Reynard sein? - Aber dann konnten wir recherchieren:

Adrian Reynard, der Besitzer der anderen bekannten englischen Sport- und Rennwagen-Fertigungsstätte, war deshalb gute acht Tage später in Hannover, um - zusammen mit einem Mitarbeiter - die Vorstellungen des VW-Motorsportchefs, Andre van der Watt, zu hören, soweit sie die zwei Formelserien betreffen, deren Einsitzer möglichst schon ab dem Jahre 2000 für das Volkswagenwerk nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa als rollende Imageverbesserer unterwegs sein sollen. Natürlich mit VW-Power.

Adrian Reynard baut gute Formelfahrzeuge. Und hier geht es um insgesamt ca. 200 Fahrzeuge. Also schon ein Auftrag von wirtschaftlicher Bedeutung für eine kleine Formelwagen-Schmiede.

Nach den Vorstellungen von Ferdinand Piech soll eine Formel-Serie im nationalen Formelsport Furore machen, die andere in Europa für Stimmung an den Rennstrecken sorgen. Damit hätte VW dann drei Formel-Serien im Einsatz: die Formel König, "powered by Volkswagen", dann die deutsche Unterstufe zur Formel 3 und eine europäische Formel, die schon für die Formel 3 eine Konkurrenz sein könnte, da sie leistungsmäßig an sie heranreicht, aber kostenmäßig deutlich günstiger ist.

Die Formel 3 hat sich durch die unübersehbaren Kostensteigerungen selbst ins Abseits begeben. Wer heute 1 Million hat, um Formel 3 (ein Fahrzeug!) einzusetzen, kann auch gleich mit einem Formel 3000 (Mittelwert 1,5 Mio.) unterwegs sein. Wie es geht (und richtig ist) zeigt die Formel Fortuna in Spanien. Ein Dallara-Chassis ist dort mit einem Nissan-Motor bestückt, der so um 240-250 PS leistet. Und eine Saison kostet nur den Bruchteil einer deutschen Formel 3-Meisterschaft. Kein Wunder, daß Bertram Schäfer, Bitburg, mit seinem BSR-Team zu dieser spanischen Meisterschaft tendiert und nach unseren Informationen schon zwei Fahrzeuge gekauft hat - und sie wohl auch in Spanien (und in anderen Ländern, wo Rennen zu dieser Serie ausgetragen werden) einsetzen wird. Mit Fahrern, die wir eigentlich in der deutschen Formel 3 erwarteten.

Und wenn nun bald VW zwei neue Formel-Serien propagiert, natürlich auch mit entsprechenden Sieges-Prämien ausgestattet, da wird es der Formel 3 wohl an den Kragen gehen. Wer wird dann noch von Opel-Motoren sprechen? Honda- und Renault-Motoren lassen sich in der Formel 3 ja nicht einsetzen, da in Deutschland die Benzinqualität ungenügend für diese Super-Motoren ist.

Hier zeigt sich, daß es eigentlich im Motorsport auch immer weniger um den Sport geht, sondern das mehr und mehr die Politik Platz greift.Und gerade die Hersteller verhalten sich besonders "eindrucksvoll", die in ihren Modellreihen und -Serien besonders wenig zu bieten haben. Da wären z.B. Opel und Ford. Bei beiden Firmen gibt es keine langfristig angelegte Motorsport-Politik.

Nehmen wir doch einmal den ITC-Calibra von Opel. Zuletzt ein Siegerauto. Mit einem Motor von Isuzu. Mit einem Zylinderkopf von Cosworth. Mit einem (halbautomatischen) Getriebe von Williams. Oder betrachten wir einmal, wie Opel die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Einsetzen von Opel-Fahrzeugen durch Privatfahrer durch Übersehen (und Schaffen) von Modell-Lücken geschädigt hat.

Und nun träumt man - gerade bei Opel - von einer neuen Art Tourenwagensport im Jahre 2000. Mit Achtzylindermotoren (die man selbst nicht hat), und Rennfahrzeugen mit Hinterradantrieb (die es im eigenen Programm nicht mehr gibt). Bei Opel (aber nicht nur da) gibt es wohl Spezialisten, aber offensichtlich niemanden, der die Dinge insgesamt überblickt und richtig einordnet. Die Qualität eines Kindergartens wird eben nicht durch die Anzahl der Kinder, sondern die Qualität, die Ein- und Übersicht der leitenden Kindergärtnerin bestimmt. Die sollte von dem etwas verstehen, was sie anordnet.

Das ist - soweit es den Motorsport betrifft - zur Zeit nur bei VW der Fall. Dort wird es neben dem prestigeträchtigen Einsatz von Sportwagen (Audi schon 1999 in Le Mans, Bentley ab 2000) auch eine klare Unterstützung des Tourenwagensports geben. Da gibt es die Lupo-, die Beetle-Serie. Und auf der Basis der Renn-Lupo und des Renn-Beetle wird es Serienfahrzeuge geben. Und man wird die Qualitäten der hausgemachten Dieselmotoren durch Renneinsätze im Tourenwagen unterstreiche. In diesem Jahr werden - nach der vorläufigen Planung - drei VW Bora bei insgesamt drei Langstreckenrennen in Europa die Qualitäten eines Dieselmotors gegenüber einem Ottomotor deutlich machen. Bei BMW sind vergleichbare Aktivitäten nicht auszumachen, da es in der derzeitigen Motorsport-Leitung niemanden gibt, der wirklich das gesamte Gebiet des Motorsports überschauen würde und in der Lage ist, auch Marketinggesichtspunkte zu berücksichtigen. Gerhard Berger dürfte noch nicht einmal die Marke BMW richtig begriffen haben. Erst recht nicht die Bedeutung des Tourenwagensports für die Marke.

So wie es ausschaut, wird das Volkswagenwerk in den nächsten Jahren nicht nur den europäischen Automobilmarkt (s. 1998er-Statistik) beherrschen, sondern auch den europäischen Motorsport. Es muß kein Fehler sein, nicht in der Formel 1 vertreten zu sein, aber es ist sicherlich ein Fehler, nicht im Tourenwagenrennsport angemessen repräsentiert zu werden.

Daß es im Motorsport noch auf anderen Gebieten hapert, sollte davon nicht ablenken. Bei den meisten Automobilherstellern müssen zunächst einmal die eigenen Schularbeiten gemacht werden, dann kann man über andere lästern.

VW zeigt nun zunächst einmal, wie's gemacht wird. Eine "tolle Lola" ist immerhin eindrucksvoller wie ein eigentlich im Motorsport nicht lebensfähiger Opel Calibra, der nur durch Implantationen im sportlichen Leben erfolgreich dargestellt werden konnte. Die Opel-Serienfahrzeuge mußten ohne solche Organverpflanzungen auskommen und entsprechend oft in die Intensivstationen des Werkstättennetzes.

Auch Ford hat sich mit seinem "rein in den Motorsport, raus aus dem Motorsport" mehr geschadet als genutzt. Auch hier gibt es Opel-Symthome. Bei BMW übernimmt man sich zur Zeit mit der Formel 1. - Es sieht nicht gut aus im deutschen Tourenwagen-Rennsport, im Motorsport überhaupt. - Wenn es da nicht VW geben würde, mit einem Mann im Ruderstand, der nicht nur seine Ziele kennt, sondern offenbar auch den Weg dahin.

MK/Wilhelm Hahne