Wie man den 1. Formel 1-Lauf dieser Saison in Australien in der Eifel gesehen hat

Ehrlich, ich kann Norbert Haug verstehen, wenn der sich darüber beklagt, daß sich Leute darüber beklagen, daß McLaren mit seinem MP 4 mit Mercedes-Motor (aus dem Hause Ilmor) so schnell ist. Deutlich schneller als alle anderen. Im Training. Das Renn im Albert-Park von Melbourne war zwar kein Langstreckenrennen (es ging über 58 Runden á 5,302 km = 307,516 km), aber für einen Hundert-Meter-Läufer... - Und wenn man einmal überlegt, wie es Ford erging - und so andere Ereignisse im Kopf Revue passieren läßt... - Kein Wunder, daß man sich an Zeiten erinnert, in denen nur kleine Bastelwerkstätten in der Formel 1 vertreten waren. Jetzt machen sich immer mehr große Werke und Konzerne breit. Und damit kommt es dann auch zu den aus der Großindustrie bekannten Abläufen. Kurze, kürzeste Entwicklungszeiten, natürlich computergestützt, es wird sogar getestet, aber... - Die Frage sei gestattet:

Gibt es bald in der Formel 1 auch Rückrufaktionen?

99-03-08/02. Ich finde es wirklich begeisternd, wie es die Automobilhersteller schaffen, eine gleichbleibende Qualität herzustellen. Natürlich gibt es schon mal Ausreißer, aber grundsätzlich... - Entweder sind alle Fahrzeuge perfekt, oder es sind alle nicht perfekt. Dann gibt es eine Rückrufaktion, die die Perfektion sicherstellt.

Es war wirklich außerordentlich eindrucksvoll, wenn beim ersten Formel 1-Rennen dieser Saison immer gleich zwei von zwei Fahrzeugen ausfielen. Und dann noch fast zeitgleich. Besonders eindrucksvoll bei Ford zu sehen.

Da gehen in der Startaufstellung exakt zum gleichen Zeitpunkt beide Stewart SF-3-Ford in Rauch auf. Sicherlich war es nur eine Kleinigkeit, aber sie verhinderte, daß Ford beim ersten Rennen ganz weit vorne war. Rubens Barrichello hätte bei diesem Rennen mit um den Sieg fahren können. Obwohl er mit einem Ersatzwagen aus der Boxengasse starten mußte, dann noch eine Zeitstrafe von 10 sec. erhielt, kam er nur gut 54 sec. hinter dem Sieger ins Ziel, auf Platz 5.

Rechnet man einmal das "Pech" heraus, dann sieht das so aus: aus der Boxengasse nachstarten, sich von hinten durchs Feld pressen, bedeutet einen Nachteil von um 25 - 30 sec. Die Zeitstrafe von 10 sec. addiert sich mit den Verlusten bei An- und Abfahrt ebenfalls auf rd. 25 sec., so daß Rubens Barrichello insgesamt um 55 sec verlor. Da sein Rückstand auf den Sieger aber nur exakt 54,697 sec betrug... -

Mit Rubens Barrichello ist also in Brasilien zu rechnen. Der neue Ford-Motor scheint hervorragend zu gehen; hinzu kommt, daß er wohl der leichteste Motor im ganzen Feld ist. Außerdem scheint Gary Anderson, der Mann der von Jordan kam, nun am Stewart SF-3 hervorragende Arbeit geleistet zu haben. Dieser "Sprung" nach vorne ist fast unheimlich. - Mal sehen, ob dieser Stand in Brasilien zu halten ist.

Was auch auffiel - schon im Vorfeld des ersten Rennens, bei den Tests - ist, daß die 99er-F 1-Boliden nun die Heckflügel wegwerfen. Das passierte Michael Schumacher beim Ferrari, Johnny Herbert beim Stewart-Ford, und jetzt im Rennen Jacques Villeneuve beim BAR 01-Supertec. Da die Flügel insgesamt wegfliegen, scheint es sich um ein Vibrationsproblem zu handeln. Ich kann aber eigentlich nicht glauben, daß den Konstrukteuren unbekannt ist, daß Kohlefaser-Werkstoffe praktisch ein "totes Material" ist, das keine Schwingungen aufnehmen und absorbieren kann. Dazu braucht es praktisch eine Aufnahme aus einem "lebenden Material", wie z.B. Aluminium. Sonst zerreißt es das gut gebackene Carbon.

Und ob die Sicherung der Räder mit Drahtseilen (zum Schutz der Zuschauer) für den Fahrer eine gute Sache ist, muß sich noch beweisen. Die Räder reißen meist nicht alleine ab, sondern mit Streben. Und wenn die nun festgehalten werden, praktisch zum Auto zurückkommen. dann muß das nicht immer gut ausgehen. Die Streben sind z.T. wie Lanzen, die alles durchbohren, auf das sie treffen. Alexander Wurz hat aber - gleich ob mit oder ohne gesicherten Räder - bei dem Bruch der Hinterachse gewaltiges Glück gehabt.

Aber etwas anderes kann man sagen: der Benetton B199 mit dem Supertec-Motor wird in diesem Jahr keine Rolle spielen. Da ist schon der Supertec-Motor vor. Wie auch beim Williams. Ralf Schumacher wird mit dem Williams FW21 schon in Brasilien nicht mehr in die Punkte fahren.

Wirklich herausragend die Leistung der McLaren-Leute Adrian Newey (Techn. Direktor), Neil Oatley (Chefkonstrukteur) und Henri Durand (Aerodynamiker). Und natürlich baute Mario Illien wieder ein Wundertriebwerk. Aber erst die Kombination von guten Zutaten ergibt dieses brilliante Gesamtergebnis. Was mich besonders beeindruckte, war die Fahrwerkabstimmung, für die ich im Moment keine Erklärung finde. Der McLaren MP4/14-Mercedes schluckte die Curbs so weich, als hätte man unbegrenzt Federweg zur Verfügung. Man federte offensichtlich weich, dämpfte hart. Aber was passierte auf der Geraden bei vollem Abtrieb?

Die "Silberpfeile" waren die wohl bestabgestimmten Fahrzeuge im Renntrimm. Wenn es den Strategen des Teams gelingt, noch die Fehler auszusortieren, ist dieser McLaren das Fahrzeug, daß es in 1999 zu schlagen gilt. Scheitern könnte diese optimale Zusammenstellung von optimaler Technik nur an der Unzuverlässigkeit. Hier an der richtigen Stelle zurückzunehmen, wird das Kunststück sein.

Bei BAR (British American Racing) wird man sich zunächst mal in 1999 aufs Hinterherfahren einstellen können. Selbst unter den Teams die mit Supertec-Motoren ausgerüstet sind (Williams, Benetton, BAR) wird man nur den letzten Platz einnehmen. Und da selbst Williams mit diesem Jahr mit einem solchen Motor unter normalen Umständen nicht in der Lage sein wird in die Punkte zu fahren, wird nach der zur Schau getragenen Erwartungshaltung der Frust wohl groß sein.

Arrows war im ersten Rennen im Glück. Der herausgefahrene Punkt war Millionen wert (die man auch braucht). Sauber war zumindest in Australien eine Enttäuschung

Das Prost-Team sah mit Trulli zunächst so schlecht nicht aus. Aber am Ende wird zusammengerechnet. Aber hier scheint es in diesem Jahr trotzdem besser auszusehen, als im letzten Jahr.

Wer - zumindest meine - Erwartungen voll erfüllte, war das Jordan-Team. Heinz-Harald Frentzen bot über das ganze Rennwochenende mit seinem Jordan 199-Mugen/Honda eine makellose Leistung. Der Honda-Motor scheint gut in Form, der neue Chefkonstrukteur des Teams, Mike Gascoyne, ebenfalls. Und da auch sonst im Team alles zu stimmen scheint, ist über die Saison mit gleichmäßig guten Leistungen zu rechnen.

Ferrari enttäuschte. Der Motor scheint nicht schlecht zu gehen, aber die Fahrwerkabstimmung war - verglichen mit der von McLaren - einfach nur zweitklassig, entwickelte sich aber vom ersten Training hin zum Rennen zum Positiven. Das es aber dem Team nicht gelang, vom ersten Training bis zum Rennen beim Schumacher-Einsatzfahrzeug ein Lenkrad mit Kontaktschwächen als eine der immer wieder auftretenden Fehlerquellen auszumachen, muß als negativ empfunden werden.

Eddie Irvine's Leistung war makellos, sein Sieg verdient. Frentzen hatte nach meinem Eindruck mit dem zweiten Satz Reifen keinen guten Satz erwischt und keine Chance, Irvine irgendwie zu gefährden. Wobei Irvine mit dem weicheren Reifensatz bewies, daß der gut über die Distanz zu bringen war.

In Sachen Reifen scheinen jetzt alle Teams dazulernen zu müssen. Mit welcher "Profilhöhe" ist der Reifen am schnellstens? - Mit welcher Profilhöhe gibt es die kürzesten Bremswege? - Auf welcher Distanz erreiche ich die ideale Reifentemperatur? - Wie verhält sich ein angefahrener und kurz zwischengelagerter Reifen gegenüber einem gleich neu im Rennen eingesetzten? - Wie ist der Unterschied beim Grip-Abbau bei so unterschiedlich behandelten Reifen?

Das verlangt nach vielen Tests. Aber die sind nun in dem Umfang nicht mehr möglich, so daß das Team Vorteile hat, daß schon die größeren Erfahrungen im Einsatz von Bridgestone-Reifen besitzt.

Aber wie zu beobachten, scheint sich a) das Anfahren von Reifen zu lohnen, b) auch die weichere Mischung (wenn vorher angefahren) noch bis zu Fahrbahntemperaturen von 25 - 30 Grad einsetzbar zu sein. Bei nur einem Reifenwechsel über die Distanz.

Klar scheint auch, daß eine weichere Fahrwerkabstimmung in Verbindung mit dem Reifen Vorteile bringt. Aber dann muß man die Fahrwerkabstimmung wohl schon so kunstvoll beherrschen, wie das McLaren-Mercedes vormacht.

Der schnellste Fahrer im Training muß nicht der beste sein, der langsamste nicht der schlechteste. Will man die Fahrer nach Qualitäten ordnen, so muß man nach Australien Michael Schumacher auf Platz 1 setzen. Auf Platz 2 kommt dann - nach meiner Einschätzung - schon Heinz-Harald Frentzen, Platz 3 belegt Mika Hakkinen.

Coulthard ist nach meiner Einschätzung längst nicht so gut, wie es nach der Zeitentabelle scheint. Auch Ralf Schumacher hat z.B. nicht die fahrerischen Qualitäten eines Heinz-Haarald Frentzen. Man muß sich doch nur einmal in Erinnerung rufen, welche Schwierigkeiten Ralf im letzten Jahr mit Hill hatte. Und dann schaue man sich einmal die Zeitunterschiede zwischen Frentzen und Hill über das gesamte Rennwochenende in Australien an.

Aber natürlich: das war erst ein Rennwochenende.

Aber wie man es auch wendet: der Gewinner an diesem turbulenten Australien-Wochenende war Heinz-Harald Frentzen. Nur er und Eddie Irvine kann von den ersten drei Fahrern im nächsten Rennen wieder klar punkten, wird aber - anders als Irvine - auch (unter normalen Umständen) vor seinem Teamgefährten ankommen.

Die Saison hat aus der Sicht der Zuschauer gut begonnen. Und wie sagte doch einer meiner Bekannten so treffend, ohne es böse zu meinen: "Da hat man doch mal erleben können, wie schön die Formel 1 ohne Mercedes sein kann". - Das stimmt sogar in diesem Falle.

MK/Wilhelm Hahne