Über den 1. Lauf zum Veedol-Langstreckenpokal 1999, die 48. ADAC-Westfalenfahrt auf der Nürburgring-Nordschleife, in Verbindung mit der Kurzanbindung

Bitte entschuldigen Sie, wenn ich die obige Veranstaltung nicht als Journalist, sondern als normaler Besucher (ohne Enthaftungserklärung) besucht habe. Ich habe überall dort gestanden, wo man auch als Zuschauer steht, bin für meine Curry-Wurst genauso an der Würstchenbude angestanden, wie jeder andere. Und habe - wie jeder andere Besucher - keinen Eintritt gezahlt. Denn die Rennbesuche der 10 Läufe zum Veedol-Labngstreckenpokal sind kostenlos. Solange Sie sich für den Sport an der Strecke und nicht für den Tratsch im Fahrerlager interessieren. Dort kostet es Eintritt. Den habe ich gespart. Bitte haben Sie Verständnis dafür, wenn ich darum nicht so eine tolle Geschichte schreiben kann, wie sie z.B. in "MOTORSPORT aktuell" zu lesen ist. Wenn Sie aus dieser Zeitung das Endresultat und die Punktwertung übernehmen, machen Sie keinen Fehler. Wenn Sie dazu meine Geschichte lesen, machen Sie auch keinen. Nachfolgender Beitrag behandelt natürlich das Rennen. Aber auch die Situation im deutschen Motorsport.

...und beim nächsten Rennen gibt's dann auch die "Holzer Strycekka"

99-03-31/03. Es war so um 11 Uhr 30 und bitterkalt am "Pflanzgarten". Der Parkplatz war eine Matsche gewesen und meine Stiefel sahen aus... - Es war so um 3 Grad. Aber Plus immerhin. Und die Bundesstraße war rechts und links schon praktisch zugeparkt. Dabei wäre im Parkplatzmatsch noch Platz gewesen. Aber der wurde dann auch schnell weniger. Und als die Einführungsrunde lief, "ging nichts mehr".

"Volles Haus" an den wichtigen Streckenpunkten der Nürburgring-Nordschleife. Und alles Intimkenner. Da stehen überall Leute, die die Leute kennen, die nun bei der Einführungsrunde im Wettbewerbsfahrzeug vorbeikommen. Man winkt. Es wird zurückgewunken.

Alles ist gespannt auf die Chrysler Viper des Fahrer-Duos Tiemann/Zakowkski. Heute gibt es den ersten Einsatz. Und im Training ist sie bereits Bestzeit gefahren. 8:23 min. - Nicht schlecht. Aber da waren noch so tolle Fahrer wie Jürgen Alzen, Uli Richter, Edgar Dören, Olaf Manthey auf ihren schnellen Porsche. Alle mit Gesamtsieg-Vergangenheit. Und dann wäre da auch beinahe noch der Ex-DTM-Mercedes von Vater/Sohn Schall gewesen, der nun zum Gruppe H-Fahrzeug mutiert, von Vater Schall schon im Training ins Grüne gesetzt wurde. Und so, daß vorne einige wichtige Teile zu Bruch gingen. "Bei AMG gibts die nicht mehr", sagt ein Insider neben mir. Und es wird die Frage diskutiert, ob man das Fahrzeug bei den nächsten Rennen überhaupt noch mal wiedersehen wird.

Und dann hört man von der "Hohen Acht" herunter das dumpfe Grollen der Zehnzylinder-Viper. Überall laufen die Radios mit der Streckenreportage. Ich weiß also, daß sich Tiemann gleich in Führung gesetzt hat. Wenn der schon am "Veedol-S" in Führung war... -

Und dann kommt das gelbe Geschoß oben aus dem Wald, wiegt relativ weich über den "kleinen Sprunghügel", verschwindet in der Doppelrechts hinüber zum "Großen Sprunghügel". Die Uhren laufen. Zunächst ist kein Verfolger in Sicht. Doch dann kommen die Porsche. Vorneweg die Startnummer 10, Uli Richter mit dem Alzen-Porsche.

Fassungsloses Staunen überall. Ein Raunen geht durch die Menge. Und man diskutiert den von der Stoppuhr registrierten Vorsprung der Viper: fast 15 sec. Und das nicht am Ende einer Runde, sondern am "Pflanzgarten".

Neben mir die Gruppe: "Aber da muß man nun was machen. Da haben die Porsche doch keine Chancen mehr." - Meine Frage: "Warum sollten so alte Porsche auch noch eine Chance haben? - Die Porsche-Fahrer sollten sich eigentlich bedanken, daß sie bisher ohne Konkurrenz fahren konnten. Dabei ist auch die Viper kein High-Tech-Gerät, sondern eigentlich mehr die Technik aus dem 2. Weltkrieg."

Die Umstehenden schließen sich meiner Meinung nach kurzem Überlegen an. Eigentlich richtig. Wenn es bessere Rennfahrzeuge als die alten Porsche gibt, dann sollen die auch gewinnen. Tiemann fährt inzwischen eine Runde in 8:28 min, läßt es danach aber bei 8:45 min bewenden. Ich mache die Umstehenden darauf aufmerksam, daß ein Teil jener Porschefahrer, die jetzt über die Chrysler Viper schimpfen, sie verfluchen werden, gar nicht in der Lage wären, dieses Fahrzeug unter 8:30 min unfallfrei um die Strecke zu bringen. Und immerhin ist die Viper ein Automobil, mit dem man noch über die Nürburgring-Nordschleife fahren kann.

Es gibt sicherlich Sportwagen, die die moderneren High-Tech-Geräte sind, denen ich mich aber auf der Nordschleife nicht gerne anvertrauen würde. Trotz ABS, Airbag und vieler elektronischer Hilfsmittel.

Am Zaun wird nun die Frage diskutiert, ob der höhere Benzinverbrauch der Viper einen vielleicht so langen Zusatzstop erzwingen würde, daß... vielleicht... - oder nicht?

Daß bei den Zeiten, die Hans-Jürgen Tiemann nun mit der Chrysler fährt, das Fahrzeug mehr Benzin verbrauchen soll als die Porsche, die praktisch mit heraushängender Zunge hinter ihr herhetzen, muß ich bezweifeln. Und wenn am Ende des Rennens der VLN-Pressechef Luki Scheuer in seiner offiziellen Darstellung schreibt, "denn die Viper läuft nicht nur wie der Teufel, sie braucht auch Treibstoff, als gelte es die Hölle aufzuheizen", dann ist das wohlgemeinte PR-Arbeit für Peter Zakowski, damit nicht eine allzu große Anti-Stimmung entsteht.- Nett zu lesendes Bla-bla.

Ich beobachte auch die anderen Fahrzeuge und lasse mir von meinen Zuschauer-Nachbarn erklären, in welcher Klasse die denn fahren. In den Programmheften (ich besitze zu dem Zeitpunkt kein) scheint das nicht richtig zu stehen, auch die Streckensprecher sind wohl nicht informiert. So führt z.B. nach Programm und Streckenansage in der Gruppe A bis Zweiliter Klaus-Peter Thaler auf einem alten Opel Astra GSi. Wie man der Startnummern-Folge aber entnehmen kann, befinden sich in der gleichen Klasse auch ein BMW 318 is Klasse II, also eigentlich ein STW-Auto, es rodelt darin auch ein Renault Sport Spider - als ein zweisitziger Mittelmotorsportwagen - herum.

Ich mache die Zuschauer darauf aufmerksam, daß die Angaben die sie mir machen, eigentlich nicht stimmen können. Sie merken das jetzt auch. Verständnislosigkeit.

Ich bin dann zum Streckenabschnitt "Metzgesfeld" gewechselt, habe dort die gleichen Fragen gestellt. Nein, eigentlich würden sie das auch nicht alles verstehen. Und - das ist nun meine Meinung - im Programm waren die Fahrzeuge auch falsch dargestellt. So war der Renault Sport Spider eigentlich mehr ein "Rönz Special", der neue Opel Astra des Mühlner Teams mehr eine "Mühlner Astretta".

Nach dem Rennen wird sich selbst Klaus-Peter Thaler aufregen, weil er den Verdacht hat, daß im neuen Opel Astra wohl der Zweiliter-Motor aus dem "alten Astra" verbaut ist, weil nämlich der neue Motor von einer Art ist, mit der man im Motorsport keinen Blumentopf gewinnen kann. Und man gibt ihm recht. Im neuen Astra ist tatsächlich der alte Motor. Und man verweist aufs Reglement. Und Klaus-Peter Thaler ärgert sich: "Dann hätte ich ja kein altes Auto aufzubauen brauchen". - Er hat recht. Er hätte nur vorher das Reglement lesen müssen.

Dieses - eigentlich irrsinnige - Reglement kam dadurch zustande, daß ein Rennleiter auch mal Gesamtsiege fahren wollte. Volker Strycek, hätte gerne im Veedol-Langstreckenpokal einen Opel ITC- (oder DTM-) Calibra eingesetzt. Aber das ging selbst nicht als Gruppe H, weil auch hier die Einbaulage des Motors (also die Drehrichtung der Kurbeldwelle) identisch mit dem Serienfahrzeug sein muß. Und beim Serien-Calibra dreht die Welle quer, bei der ITC-Version längs.

Da der Veranstalter des 24-Stunden-Rennens auf dem Nürburgring in diesem Jahr ein paar Attraktionen haben wollte, hat man dann - Herrn Strycek zu Gefallen - ein Spezial-Klassement geschaffen, zu dem eben auch die 24-Stunden-Spezial-Kategorie gehört. Hier kann man praktisch alles machen, muß sich aber an Gewichtsvorschriften halten. Aber sonst an kaum etwas. Und es genügt, daß ein Fahrzeug davon existiert.

Also läßt jetzt Volker Strycek gerade einen alten DTM- (ITC-?) Calibra vom Team Holzer für seine Zwecke vorbereiten. Eigentlich für den Einsatz in der Langstrecke gedacht, hat er dem Veranstalter für das 24-Stunden-Rennen aber versprochen, damit auch hier an den Start zu gehen. Aber das wird wahrscheinlich so aussehen, wie auch mit dem Lamborghini im letzten Jahr. Der fuhr auch nur die ersten und die letzten Runden. Natürlich wegen Elektronic-Trouble.

Und so kommt es, daß es nun im Langstreckenpokal (wo man praktisch die 24-Stunden-Klasseneinteilung übernommen hat) eine Reihe von Fahrzeugen gibt, die nach der Startnummern-Reihenfolge zwar zusammengehören, aber eigentlich...-

Bei "MOTORSPORT aktuell" ist das niemand aufgefallen. Aber man weiß dort, daß Alzen die Zusage hatte mit einem Turbo... - Und das stimmt nun nicht.

Was aber stimmt ist, daß die neue Tankanlage in der Boxenstraße nicht gerade ideal ist. So schalten die Säulen unterschiedlich ab, bevor der Tank wirklich voll ist, da dreht sich (offenbar durch Vibrationen) der Schlüssel zum Abschließen der Säule im Schloß. Plötzlich gibts dann keinen Saft mehr. Dabei geht es um Zeit. Und die geht dann verloren.

Auch bei der Abrechnung am Ende des Rennens gab es Trouble. Der Rechner war wohl abgestürzt, alles mußte so gerechnet werden wie früher: mit Block, Bleistift und Kopf.

Aber das sind wohl alles Dinge, die man nur als normaler Zuschauer mitbekommt. Wenn man mal eine "Enthaftungserklärung" unterschrieben hat, begibt man sich wohl auf das Niveau der Berichterstattung, die heute üblich geworden ist.

Was wohl auch mir nur auffiel: Es gibt keine neuen BMWs die die Strecke umkreisen. Nur E 36, keine E 46. Dabei bietet das DTC-Fahrzeug alle Ansätze... - Ich habe das Ende letzten Jahres Herrn Kalbfell von BMW erklärt und der wollte es dann - es war gerade die Weihnachtsfeier in der BMW Sportabteilung fällig - dann den Herrn da verdeutlichen. - Aber ich habe dann nichts mehr davon gehört. - Von diesen Möglichkeiten habe ich auch in Deutschland noch nichts gelesen. Weil das wohl hier auch mehr Motorsport-Provinz ist.

Denn wenn nun z.B. Honda international die Arbeiten am Integra für den Motorsport einstellt... - Ach, das wissen Sie auch noch nicht? - Dabei gibt es doch in Deutschland so viele bunte Motorsport-Blätter. Und deren Berichterstatter sprechen direkt mit Fahrern, Teamchefs und Veranstaltern, stehen immer "mittendrin", nicht so wie ich - ohne "Enthaftungserklärung" - am Streckenrand.

Und wenn nun alles klappt, dann wird beim nächsten Lauf (am 24. April das 24. DMV-4-StundenRennen) auch Volker Strycek mit seiner "Holzer Strycekka" (andere nennen das Fahrzeug Opel Calibra) am Start sein. Und er hat im Freundeskreis schon anklingen lassen: die Chrysler Viper ist zu packen.

Lassen wir ihn packen. - Ich schaue ihm gerne zu. - Und berichte wieder vom Streckenrand das, was z.B. die Spezialisten von "MOTORSPORT akutell" nicht wissen können. Merke: Ein zu geringer Abstand läßt das Gesichtsfeld enger werden.

Übrigens: daß Peter Zakowski mit der Viper im Verlaufe des Rennens einen neuen Rundenrekord (mit 8:21,23 min) fuhr, wird in den offiziellen Verlautbarungen zum Rennen auch verschwiegen. Es könnte die Stimmung gegen die Chrysler Viper aufheizen. Und weil es nirgendwo geschrieben steht, ist es auch niemandem aufgefallen.

MK/Wilhelm Hahne