Ford kauft das Stewart Formel 1-Team - und wie es nun weitergeht

Eigentlich war es keine Überraschung. Ford war schon beteiligt am Stewart-Team. - Aber eigentlich war Herrn Dr. Reitzle der "Rest"-Preis zu hoch gewesen. - Aber der wollte das Team auch für Jaguar. Und nun kaufte es Ford. Aber Reitzle war in dieser Kauf-Woche in Detroit. - Zufall? - Und bei BMW geht alles einen anderen Weg als nach draußen dargestellt. Es gibt nur wenige echte F 1-Fans bei BMW. Da ist es fast natürlich, wenn nun Gerüchte entstehen... - Aber da spielt noch etwas anderes eine Rolle. Oder besser: es kann eine Rolle spielen, daß BMW Motorsport-Direktor Gerhard Berger... - Aber lesen Sie doch einfach die folgende Geschichte

Die Formel 1 ist nicht nur für Ford - auch für BMW - ein Reitzle-Thema

99-06-16/02. Bei Ford hat man sich entschieden. Für die Formel 1. Und ein eigenes Team. Mit einem eigenen Chassis. Mit einem eigenen Motor. - Vergleichbares wird man in der nächsten Saison nur bei Ferrari finden. Alle anderen Teams fahren mit fremdem Motor, fremdem Chassis, sind nicht Tochter (oder Sohn) einer Automobilfirma.

Die Stewarts werden zwar zunächst weiter ihre bisherigen Funktionen im Team ausfüllen, das - zumindest in dieser Saison - auch weiter Stewart-Team heißen wird. Aber als Angestellte. Und wenn dann Honda mit dem F1-Motor, wenn BMW mit seinem F1-Motor im nächsten Jahr auftauchen... -

Oh ja, Honda kommt bestimmt. Aber bei BMW darf man ruhig ein Fragezeichen machen. Da kommt mit größerer Wahrscheinlichkeit Toyota mit einem eigenen Team, eigenem Motor, eigenem Chassis. Aber das erst später. Im nächsten Jahr werden darum - so wie es aussieht - Ferrari und Ford die einzigen Teams sein, die in der Formel 1 darstellen, daß sie alle Techniken komplett beherrschen. Nicht nur die Motoren-, auch die Fahrwerktechnik, die Aerodynamik, daß sie mit modernen Materialien umgehen können, die Elektronik voll im Griff haben.

Ferrari und Ford werden also im Jahre 2000 sozusagen die "ff" Formel 1-Teams sein.

Daß Ford sich jetzt zu einer so klaren Lösung entscheidet, ist sicherlich kein Zufall. Wer Dr. Wolfgang Reitzle und seine Einstellung zur Formel 1 kennt, der weiß, daß er auch für BMW eine solche Lösung anstrebte, zumal BMW-Mitarbeiter für die jetzt vorhandenen Situation  nicht gerade ideale Vertragslösungen geschaffen hatten. (Motor-KRITIK berichtete bereits darüber.)

Keine Frage, daß es Dr. Reitzle BMW zeigen möchte, wie man das wirklich macht. Konsequent. Und so wollte er auch eigentlich ein Formel 1-Team der Marke Jaguar zuordnen. Aber Ford-Chef Nasser war der Meinung, daß die Königsklasse der Firmenmutter zugeordnet werden sollte, eine sozusagen übergeordnete Rolle spielen sollte, auf alle Marken des Ford-Konzerns abstrahlen muß.

Jaguar, so meint Nasser, habe ein gutes, ein seriöses Image, daß sich durch eine Beteiligung unter dieser Marke in der Formel 1 nicht verbessern lasse.- Aber bei Ford läßt sich einiges verbessern. Und so wird das Stewart-Team irgendwann - nach einer Übergangszeit - das Ford-Team sein. Ein richtiges Werks-Team.

Aber ob nun Dr. Reitzle es (damit) BMW zeigen kann, wie es gemacht wird, das ist noch fraglich. Denn bei BMW ist in Sachen Motorsport einiges im Umbruch. Joachim Milberg, der neue Vorstandschef möchte vor allen Dingen die Familie Quandt für's Münchner Unternehmen positiv stimmen. Und das geht am besten, indem man für einen guten Börsenkurs sorgt.

Durch die Veränderungen im Vorstand haben die Quandt's (Mutter Johanna, Tochter Susanne und Sohn Stefan) praktisch ein Vermögen eingebüßt, denn immerhin halten sie 46,6 Prozent aller Aktien an BMW. Und wenn sich da die Aktie scheinbar nur minimal verändert, bedeutet das für die Quandt-Familie ein Maximum in DM. Und  Joachim Milberg möchte der Familie nun zeigen, daß er eine gute Wahl für die Position eines Vorstandsvorsitzenden war.

Also muß er gute Ergebnisse bringen. Trotz Rover. Und dazu muß er praktisch die Kosten senken. Heute bemühen sich Vorstände in Positionen z.B. als "Schraubenzähler", wo früher versucht wurde, durch erhöhten Einsatz von Mitteln ein noch besseres Ergebnis in der Form zu erzielen, daß man sich deutlicher von der Konkurrenz absetzen konnte, um für die Kunden das attraktivere Produkt anbieten zu können.

Wenn Joachim Milberg nun prüfen läßt, was es kosten würde, aus den Formel 1-Verträgen auszusteigen, so ist diese Richtung natürlich davon bestimmt, daß man so über's Jahr - und das über viele Jahre - für BMW eine dreistellige Millionensumme einsparen kann. Eine solche Einsparung würde natürlich das Gesamtergebnis beeinflussen. Günstig. Und ein günstiges Gesamtergebnis beeinflußt natürlich die Börsenkurse. - Aber das alles ist sehr kurzfristig gedacht. Eine Langzeitstrategie scheint es - auch auf dem Gebiet des Motorsports - derzeit nicht zu geben.

Hinzu kommt, daß es einen Joachim Milberg, einen Mann der sich auch in seiner BMW-Vorstandszeit durch Beteiligungen an anderen Firmen ein Zubrot verdiente, gewaltig stört, daß nicht er der bestverdienende BMW-Mitarbeiter ist, sondern ein Mann, der - aus seiner Sicht -  nur für eine Kosten-Maximierung sorg, also für eine Gewinn-Minimierung verantwortlicht: BMW Motorsport-Direktor Gerhard Berger.

Nach Motor-KRITIK-Recherchen hat Gerhard Berger mit BMW einen Dreijahresvertrag abgeschlossen, der ihm insgesamt ein Einkommen von 15 Millionen Mark garantiert. Hinzu kommen die Spesen. Immerhin ist Gerhard Berger auch der einzigste Angestellte bei BMW, der über einen eigenen Jet (samt Piloten) verfügt und damit dann auch mal schnell von seinem Motorsport-Büro in Monaco zum Firmensitz nach München düst.

Aber nicht nur Berger müßte im Falle eines Einfrierens der BMW Formel 1-Pläne ausgezahlt werden, sondern auch Williams. Und das kostet auch dreistellig. Millionen! - Aber langfristig gesehen ergibt sich schon ein Spareffekt. - Auch beim Image.

Aber klar ist auch, daß es schon in der Öffentlichkeit für Unruhe sorgen würde, würde sich Milberg zu einer Einstellung des BMW Formel 1-Projekts entschließen. Schließlich wäre auch Williams dann ohne Motor für die Saison 2000.

Aber Milberg scheint so zu handeln, wie es kleine Kinder tun, die ihre Entscheidungen auch von Zufällen abhängig machen. (Wenn in den nächsten 30 sec eine Krähe vorbeifliegt, dann kaufe ich mir vom letzten Geld einen Lutscher.) Und so will Milberg - wie aus München zu hören - (nicht nur von Motor-KRITIK, sondern auch z.B. "dossier B") seine Entscheidung davon abhängig machen, wie BMW nun in Le Mans abschneidet. -

Aber nun hat er, nach dem Gewinn der BMW-Renner in Le Mans, ein Problem. - Er wird nun tatsächlicht entscheiden müssen. - Will er nächstens Jahr noch in Le Mans antreten und zusätzlich den F1-Motor machen? - Oder will der den Le Mans-Sieg wiederholen und die F 1-Aktivitäten einstellen? - Der Le Mans-Sieg von BMW hat Herrn Milberg neue Probleme geschaffen. Er hat sich dort auch gar nicht erst sehen lassen. Er hätte dort vielleicht Fragen nach der Motorsport-Zukunft von BMW beantworten müssen.

Ist BMW im Jahre 2000 wieder in Le Mans? - Wird BMW den Tourenwagensport auch im Jahre 2000 vernachlässigen? - Warum hat man nicht schon in 1999 an die Erfolge des BMW-Tourenwagens von 1998 angeknüpft? - Es gibt eine Menge Fragen, die Herr Milberg zur Zeit nicht beantworten möchte. Und kann.

Kommt nun im nächsten Jahr - betrachten wir es mal anders als andere - zu einem Aufeinandertreffen des Milberg-BMW mit einem Reitzle-Ford in der Formel 1? - Oder muß im Jahre 2000 ein BMW-Sportwagen gegen einen Cadillac seinen Erfolg von 1999 zu wiederholen versuchen? - Oder gibt es beides? - Oder wird ein Milberg-BMW in Le Mans im nächsten Jahr auch noch auf einen Reitzle-Aston Martin treffen?

Für Spaß bei den Beobachtern dieser Szene ist in jedem Falle gesorgt. Richard Gaul wird wohl lernen müssen, auch Niederlagen als Erfolge zu verkaufen. - Denn so viel Glück wie 1999 - zusätzlich zu den erarbeiteten Voraussetzungen - kann BMW nicht immer haben.

Und ein "Milberg-Faktor" muß für den BMW-Motorsport nicht unbedingt ein Plus sein. - Vielleicht kurzzeitig für die Familie Quandt. -  Bevor sich das Vakuum deutlich nach draußen abzeichnet, das derzeit intern schon spürbar wird.

MK/Wilhelm Hahne