Die Nürburgring-Nordschleife hat eine neu geschaffene Todesfalle für Motorradfahrer

Man nennt die Nürburgring-Nordschleife auch die "Grüne Hölle". Tatsächlich ist sie eine der wunderbarsten Rennstrecken der Welt, eine Herausforderung für jeden Rennfahrer. Aber auch für all die normalen  Auto- und Motorrad-Fahrer, die gegen Entrichtung einer Gebühr die Strecke nutzen können. Natürlich gelten dann - so die Nürburgring GmbH - die Gesetze der StVO. Die Rennstrecke entspricht eigentlich von der Charakteristik her einer Eifel-Landstraße, ist genauso leicht oder schwer zu befahren wie jede normale Landstraße. Gerade als Motorradfahrer kann man auf dieser Rennstrecke viel lernen. Und das ist gefahrloser, als Fahrübungen auf der Landstraße zu machen, weil es auf der Nordschleife des Nürburgrings keinen Gegenverkehr gibt. Natürlich ist so eine Rennstrecke eine Einbahnstraße. Auf der nicht nur schnell gefahren werden kann. Es wird auch schnell gefahren. - Wobei Schnellfahren nicht ohne Risiko ist. - Aber man kann Risiken auch künstlich vergrößern. Wie es die Nürburgring GmbH in diesem Jahr an einem bestimmten Punkt der Strecke getan hat. Und so kam es zum...

Tod eines Motorradfahrers bei Kilometer 16

99-06-16/05. Am Sonntag, dem 13. Juni, fand auf dem Grand-Prix-Kurs des Nürburgrings ein Lauf zur Super-Bike-Weltmeisterschaft statt. Und es gab in einem Lauf viele Stürze, weil Streckenposten eine Ölspur zwar mit einer entsprechenden Flagge anzeigten, aber nicht daran dachten, sie auch abzustreuen, zu beseitigen. Innerhalb von zwei Runden stürzten dort vier Fahrer, blieben aber - mehr oder weniger - unverletzt.

Am frühen Nachmittag dieses 13. Juni machte dann unter den dort anwesenden Journalisten eine Information die Runde, nach der gerade auf der Nürburgring-Nordschleife ein Motorradfahrer bei einem Sturz zu Tode gekommen sei. Man hörte es, registrierte es... - Aber schließlich war man zu einem Rennen gekommen.

Der Unfall auf der Nordschleife passierte bei Kilometer 16. Und der Motorradfahrer war sofort tot. Was niemand verwundert, der die Unfallstelle kennt. Hier ist durch Umbaumaßnahmen, für die es eigentlich keine Erklärung gibt, eine Todesfalle für Motorradfahrer entstanden.

Niemand kann sich als Motorradfahrer davon freisprechen, daß er nicht einmal irgendwo zu Boden muß. Wenn ich z.B. an die ganzen Dieselölspuren denke, die ich jede Woche auf den Eifel-Landstraßen beobachte. Es gibt sie auch - manchmal - auf der Nordschleife. Oder auch richtige Ölspuren. Die man aber nicht immer erkennen kann. Wie auch die Ölspur für die Rennfahrer beim Rennen auf dem Grand-Prix-Kurs des Nürburgrings nicht wahrnehmbar war, trotz Flaggensignale übersehen wurde.

Zurück zu Kilometer 16, einem Streckenabschnitt der sich "Pflanzgarten" nennt. Helmut Dähne, den die Motorradfahrer "King of the Ring" nennen, empfiehlt in einem Video "die Doppelrechts in einem schönen weichen Bogen zu nehmen". Vor diesem Bogen gibt es aber eine Bodenwelle, die sich praktisch gerade dort befindet, wo man auch dem Gefühl nach bremsen würde. Als Motorradfahrer, im Besitz einer modernen 750er oder 1000er, kommt man mit so einem Gerät auf den Bremspunkt mit um 200 km/h zugeflogen. Die Doppelrechts umrundet man dann so mit ca. 160 km/h - oder auch weniger, je nach Fahrkönnen.

In diesem Doppelrechtsbogen, direkt eingangs, hat nun die Nürburgring GmbH die Leitplanken praktisch an den Straßenrand gesetzt, den Sturzraum für Motorradfahrer also praktisch auf Null gebracht. An dieser Stelle hatte es in der Vergangenheit immer wieder Stürze gegeben, aber auch Privatfahrer mit ihren Automobilen waren hier in die Leitplanken geknallt, als sie noch eine Reihe von Metern weiter entfernt standen.

Diese Entfernung zwischen Sturzpunkt (beim Motorradfahrer) und Einschlagstelle (Leitplanke) sorgte in der Vergangenheit nicht nur für eine entsprechende Verzögerung durchs Dahinrutschen, sondern auch für eine klare Trennung von Maschine und Mensch, die dann meist getrennte Wege rutschten, schon weil sie ein unterschiedliches Gewicht besitzen und durch die Art ihres Bodenkontakts eine andere Rutschrichtung einschlagen. - Bevor sie einschlagen.

Bei der neuen Positionierung der Leitplanken, denen wohl durch eine "Polsterung" mit Autoreifen die "Härte" genommen werden soll, handelt es sich um eine der unsinnigsten Maßnahmen die ich in vielen Jahren registrieren konnte. Der Grund für die Maßnahme soll eigentlich eine Verbesserung der Streckensicherheit bei Rennen bringen. Sagt man. Hinter den Leitplanken ist nämlich jetzt eine Ausfahrt des Streckensicherungs- oder Sanitätsfahrzeugs möglich. Und dort sollten die Fahrzeuge dann auch abfahrbereit stehen. Aber bisher stehen die Fahrzeuge nicht da, weil das nach Ansicht der Funktionäre zu gefährlich ist. Zunächst müßten noch hohe Streckensicherungs-Fangzäune aufgestellt werden, weil sonst hier leicht ein Fahrzeug über die Leitplanken springen oder kullern könnte. Und dann hinein in das Streckensicherungsfahrzeug.

Die Baumaßnahme wird also nicht in der angedachten Art und Weise genutzt (und m.E. auch nie genutzt werden), weil sie eingangs der Kurve - an der Außenseite! - genau da angelegt wurde, wo durch die Fliehkräfte Mensch und Auto hinbefördert werden. - Was soll das also?

Es gibt eine andere Theorie, nach der den heranbrausenden Auto- und Motorradfahrern nun durch den optisch entstandenen Engpaß der Eindruck vermittelt werden sollte, hier wäre es besonders gefährlich. Wollte man so etwa Unfälle vermeiden? - Exakt das Gegenteil ist der Fall, weil nämlich durch die optisch drastisch ins Auge fallende Passage die Fahrer von einem anderen Gefahrenpunkt, der exakt in der Bremszone liegt, abgelenkt werden.

Ich habe hier an dieser Stelle, in der Bremszone, schon bekannte Leute (Rennfahrer) mit Privatfahrzeugen gewaltige Fehler machen sehen, weil sie nämlich bei ihrer Bremsaktion nicht berücksichtigt hatten, daß z.B. das ABS des Serienwagens "dumm ist", so dumm, wie es durch die Menschen gemacht wurde. Diese Konstrukteure können es sicher nämlich nicht vorstellen, daß während einer Bremsung evtl. das Fahrzeug mit einem oder zwei Rädern den Bodenkontakt verliert. - Und darum ist ein Serien-ABS an dieser Stelle (bei rennmäßigem Fahren) eine zusätzliche Gefahrenquelle. (Das hört sich eigenartig an, stimmt aber.)

Natürlich weiß das alles ein Dr. Kafitz, Hauptgeschäftsführer der Nürburgring GmbH nicht. Aber was weiß der überhaupt von dem, was er eigentlich wissen sollte? Der kam zum ersten Male an den Nürburgring, als er diese Position erhielt. Er durfte die Position eines Hauptgeschäftsführers einnehmen, weil er a) das richtige Parteibuch und b) zufällig gerade arbeitslos war. (Sein Vertrag lief aber noch bis zum 1. April des nächsten Jahres.)

Aufgrund seiner Erfahrung im Berufsleben hat er bei der Nürburgring GmbH seine Verantwortung geschickt dadurch auf ein Minimum reduziert, daß er sie delegierte. Er stellt noch nicht einmal Lehrlinge selbst ein, sondern läßt sie durch einen Personalberater einstellen. Entlassungen läßt er auch durch seinen Personalberater vornehmen. Auch die Vorbereitungen dazu. Und von erfahrenen Mitarbeitern, die manche seiner Ideen aufgrund ihrer Erfahrung in Frage stellen konnten, hat er sich schnell getrennt.

Dr. Kafitz hat auch dafür gesorgt, daß Motorradfahrer mehr für eine Runde Nürburgring bezahlen müssen als die Autofahrer. Schließlich verursachen die durch Stürze des öfteren die Schließung der Rennstrecke für einige Zeit (die der Unfallaufnahme), wodurch der Nürburgring GmbH natürlich Einnahmen entgehen.

Und so gibt es auch Leute, die die Baumaßnahme im Bereich "Pflanzgarten" auf die gradlinige Art des Denkens von Herrn Dr. Kafitz zurückführen. Es sollen hier so Unfälle vermieden werden. Denkt Dr. Kafitz. Während er damit aber gerade einen perfekten Unfallschwerpunkt geschaffen hat.

Ostern 1999 wurde die Strecke in der jetzigen Form eröffnet. Es gab am 13. Juni erst den ersten Toten. - Ein Erfolg?

Herr Dr. Kafitz hat sich durch andere Leute bereits fragen lassen müssen, ob er das was da geschieht verantworten kann. Ich traf vor einigen Wochen am "Pflanzgarten" (anläßlich eines Laufs zum Veedol-Langstreckenpokal) den oben schon erwähnten Helmut Dähne. Helmut Dähne hält mit einer 1000er Honda auf der Nordschleife den Rundenrekord in 7.49,71 min, das ist die schnellste Runde die je mit einem Motorrad auf der 20,832 km langen Strecke gefahren wurde. Die Streckenkarte weist sie mit 73 Rechts- und 74 Linkskurven aus. Tatsächlich fährt man aber - weil auf einer Rennstrecke "Ideallinie" fährt (also so manche Kurve zur Geraden macht) hier in der Praxis nur 39 Rechts- und 39 Linkskurven.

Helmut Dähne, den ich seit vielen Jahren (schon als Versuchsfahrer bei Metzeler) kenne, fragte mich, was ich von dieser neuen Baumaßnahme halte. Ich habe ihm das gesagt, was ich oben schon geschrieben habe. Und Helmut Dähne hat mir gesagt, daß auch er das was hier passiert ist, für unverantwortlich hält. Und er habe Dr. Kafitz gefragt: "Wollen Sie für die nun absehbaren Unfälle mit tödlichem Ausgang die Verantwortung übernehmen?"

Ein Motorradfahrer der jetzt hier stürzt, hat praktisch keine Chance mehr. - Helmut Dähne hat es Dr. Kafitz gesagt. - Aber - und das muß man zu seiner Entschuldigung sagen: Dr. Kafitz hat keine Ahnung. Er schützt sich mit Aussagen anderer, die angeblich diese Veränderung der Leitplankenführung wollten.

Und er schützt sich jetzt, nach diesem tödlichen Unfall, indem er am Dienstag danach, am 15. Juni 1999, gegen 10.30 Uhr, recht und links der Strecke, ca. 50 Meter vor Kilometer 16 nun zwei 50 km/h-Schilder aufstellen ließ. - Sie erinnern sich: es gilt die StVo. - Damit möchte sich die Nürburgring GmbH einer Haftung entziehen. Denn alle die hier schneller fahren, haben eine gültige Geschwindigkeitsbegrenzung übertreten. Und in den Polizeiberichten wird dann zukünftig als Unfallgrund stehen: überhöhte Geschwindigkeit.

Werden die Toten dann noch einen Strafzettel wegen Geschwindigkeitsübertretung ins Haus der Hinterbliebenen geschickt bekommen?

Denn es wird bald wieder den nächsten Toten an dieser Stelle geben. Nicht weil er die Geschwindigkeitsbegrenzung überschritten hat, sondern weil die Streckenbegrenzung in der jetzigen Art bei jeder Art von Geschwindigkeit tödlich sein kann. Auch mit 50 km/h kann man an dieser Stelle sterben. Herr Dr. Kafitz soll sich bitte vor Augen führen, daß mit einer solchen Geschwindigkeit Crashversuche mit Automobilen gefahren werden, bei denen an Dummies gemessen wird, wie schwer die Art der möglichen Verletzungen ist.

Für Herrn Dr. Kafitz ist das wahrscheinlich alles unverständlich. Und es wird sich wohl nur ändern lassen, indem einmal wieder für die Position eines Geschäftsführers der Nürburgring GmbH ein anderes Parteibuch notwendig wird. - Hoffentlich bald.

Aber das macht den Toten bei Kilometer 16 auch nicht mehr lebendig.

MK/Wilhelm Hahne