Beispiel Ford-Chef in "DM", Heft 8/99: Was man so sagen kann, wenn man zu sagen hat

Ich bin immer wieder von Interviews fasziniert. Mit den Großen dieser Welt. Und was die alles zu sagen haben. Und welche Kompetenz hinter ihren Sätzen deutlich wird. Porsche-Wiedeking erweist sich plötzlich als großartiger Politiker. Und Ford-Chef Zimmermann bestätigt meine gute Meinung von ihm als Produktionsexperte. Aber er sollte dann nicht über andere Dinge sprechen. Wie er das z.B. in "DM" tat. Und wie schnell Feststellungen durch die Realität überholt werden, kann an dem Beispiel mit der Rückrufaktion für den Ford Focus deutlich gemacht werden.

Der Ford Focus doch auf den Spuren es alten Ford Escort?

99-07-29/01. Keine Frage, daß Rolf Zimmermann fleißig ist. Das war er bei Opel. Das war er bei VW. Das ist er nun auch bei Ford. Und er versteht etwas von dem, was er eigentlich in der Hauptsache macht. Zimmermann ist Produktionsexperte. Quasi so nebenbei ist er aber bei Ford in Köln auch noch Vorstandsvorsitzender. Und er hat - nach Ausscheiden eines Vorstandskollegen aus Altersgründen - auch noch das Entwicklungs-Ressort (zumindest vorübergehend) übernommen. Aber auf diesem Sektor braucht Ford in Köln eigentlich niemanden mehr. Das kann also keine Belastung sein.

Aber mit der Arbeit an einer guten, preisgünstigen Fertigung, die wenig Nacharbeiten, geringe Garantie- und Kulanzkosten und möglichst keine Rückrufaktionen erfordert, ist dieser Mann wohl auch schon ausgelastet. Rolf Zimmermann ist auch stolz, wenn er gegenüber "DM" sagen kann: "Beispielsweise liegt der Focus bei den Garantiefällen schon in der Anlaufphase 20 bis 25 Prozent unter dem Escort zum Ende seiner Produktion." - War der Escort wirklich so schlecht?

Aber nun wurden doch gerade 160.000 Ford Focus, die gesamte Fertigung bis Anfang März 1999 in die Werkstätten zurückgerufen. Unterscheidet Ford-Chef Zimmermann zwischen Garantiefällen und Rückrufaktionen?

Es sieht also bisher nicht so aus, wie "DM" befürchtet, daß "dank besserer Qualität und längerer Wartungsintervalle" in den Ford-Werkstätten "die Renditen dort aber gerade kräftig" sinken. Mit dem möglichen Fehler am Focus-Generator kommen z.B. wieder einige Einnahmen in die Ford-Händler-Kassen.

Die Arbeiten dauern jeweils zwischen 0,6 - 0,9 Stunden, je nach Motorisierung und Ausstattung. Eigentlich mußte Zimmermann diesen Focus-Rückfall in Escort-Zeiten schon zum Zeitpunkt seines Interviews kennen, denn die Händler-Information ging bereits am 21. Juni den Ford-Werkstätten zu. Die Tatsache der defekten Regler war aber bei Ford schon länger bekannt, da der Fehler bereits in der Serie sowohl in der Werken Saarlouis (Werkcode: GC), wie auch in Valencia (Werkcode: WP) nach dem 5. März 1999 abgestellt war.

In dem Interview mit "DM" schwärmt Ford-Chef Zimmermann geradezu vom neuen Focus: "Der Focus verkauft sich über unseren Erwartungen." - Wenn man die Erwartungen einiger leitender Ford-Manager vor Anlaufen des Verkaufs kennt, kann man die auch wohl eher als Befürchtungen bezeichnen. Und wenn man dann einmal weiß, zu welchen Bedingungen der Ford Focus schließlich angeboten wurde, nachdem der Verkauf wohl eher zögernd anlief... -

Beispiel: Der Fahrer eines alten Polo möchte einen neuen Golf kaufen. Der VW-Händler bietet ihm "deutlich unter 1000 Mark" für seinen Polo. Der Ford-Händler - ohne groß hinzuschauen - nennt gleich "5000 Mark". Hinzu kommen noch andere Zugeständnisse. Klar, daß dieser Mann nun Ford Focus fährt.

Der Ford-Vorstandsvorsitzende möchte gerne, so sagt er "DM", den Marktanteil in Deutschland "so schnell wie möglich wieder" auf "über zehn Prozent" bringen. "Mittelfristig sind zwölf Prozent Marktanteil mein Ziel." - Was soll er auch anderes sagen? - Und wenn er dann davon spricht, das "mit hochwertigen Produkten, die mit bester Fahrdynamik, Super-Design und großem Innenraum" schaffen zu wollen, dann zeigt gerade das Beispiel Focus, wie das ins Auge gehen kann.

Der Ford Focus ist nämlich ein Fahrzeug mit großem Innenraum. Wie auch viele Mondeo-Fahrer feststellen, mit ausreichend großem Innenraum. So gräbt sich Ford mit dem Focus das Wasser im Mondeo-Geschäft ab, den man im Jahr 2000 neu (auch größer?) in den Markt bringen will. Und mit dem Fiesta (überarbeitet) will man ab September wieder ins Geschäft kommen, nachdem dieser für Ford so wichtige Markt zunächst deutlich durch den Ka tangiert, aber auch schon durch die (zu lange) Laufzeit des jetzigen Fiesta eingebrochen war.

Das ist übrigens kein Verschulden von Zimnmermann, sondern war eine Fehlentscheidung von Jaques Nasser, der eine Neuentwicklung des Fiesta (aus Gründen der Gewinnmaximierung) zurückstellen ließ, nachdem das Modell nach einem Facelift wieder gut angelaufen war. - Und die Konkurrenz nutzt auch eine solche Produktschwäche. Und das Zurückholen eines verloren gegangenen Ford-Kunden kostet Geld. Viel Geld. - Ein neuer Fiesta, ein komplett neuer Fiesta kann nun erst im Jahre 2002 erscheinen.

Wie in dem "DM"-Interview deutlich wird, träumt Ford-Chef Zimmermann von einer Senkung der Vertriebskosten über den Verkauf im Internet. "Im Verkauf über das Internet steckt ein riesiges Potential", meint er und schätzt den Anteil der Internet-Verkäufe "mittelfristig auf 30 bis 40 Prozent". -Das würde bedeuten, daß in Zukunft 30 - 40 Prozent aller Neuwgenverkäufe bei Ford ohne Eintauschwagen, sozusagen als "Erstgeschäft" erfolgen würden. - Träume!

Und dann taucht wieder die Vorstellung vom Verkauf von "Mobilität" übers Internet auf. - Man merkt hier deutlich, daß Rolf Zimmermann vom Vertrieb eigentlich nichts versteht. Das muß er sicherlich auch nicht, aber er sollte dann besser nichts zu dem Thema sagen.

Der Techniker Zimmermann stellt ein wenig übertreibend - aber grundsätzlich richtig - fest, daß z.B. der Focus "moderner ist als jeder Wettbewerber". - Aber es ist ein Ford, Herr Zimmermann. Und Ford ist im deutschen Markt eigentlich bisher nur eine drittklassige Marke. Zunächst kommt VW, dann Opel, dann Ford. Und Ford hat niemals eine Langzeitstrategie entwickelt, um dieses Image zu verändern. Das lag vielleicht auch daran, daß Führungskräfte immer sehr schnell ausgewechselt wurden, niemand eigentlich eine wirkliche Grundsatzstrategiet in dieser Sache umsetzen konnte. - Wenn sie überhaupt vorhanden war.

So ist es dazu gekommen, daß Ford-Manager eigentlich immer zunächst nur die persönliche Fortentwicklung im Auge hatten und nicht die Entwicklung von Ford zu einer imageträchtigen Marke. Eigentlich hatte Ford in der letzten Vergangenheit nur einen einzigen Chef, der in der Lage gewesen wäre, das Ford-Image deutlich zu verändern. Das war Bob Lutz.

Denn an die Spitze einer solchen Firma gehört ein Automann, einer mit Benzin im Blut, einer der mit seiner ganzen Persönlichkeit auf die Marke abstrahlt, sie positiv beeinflußt. So ein Mann war Bob Lutz. Es reicht da einfach nicht, ein guter Produktionsmann zu sein. Was nämlich hier zunächst passieren müßte: man müßte zunächst ein Image für den Herrn Zimmermann schaffen, damit der dann ein Image für Ford schaffen kann.

Und solche Interviews - wie in "DM" - sind eigentlich nicht das, was neue Käufer zu Ford bringen hilft. Wenn Rolf Zimmermann am Ende des Interviews sagt, daß "wenn der Fiesta gut beim Kunden ankommt, wie wir uns das erhoffen, und die Puma-Nachfrage unverändert hoch bleibt" - ja und wenn der Markt nicht einbricht - und wenn das Horoskop günstig ist... -

So, Herr Zimmermann, stelle ich mir keinen Chef der Ford-Werke vor. Es genügt auch nicht einen Slogan zu verwenden, nach dem Ford etwas tut. Das muß sichtbar, spürbar werden. Im Markt, in den Medien. Auch hierzu muß eine Strategie entwickelt werden. Werbung muß durch die erlebte Realität glaubhaft werden.

Bis jetzt spürt man Ford nur, daß man dort die Hoffnung nicht aufgibt. - Das ist zu wenig. Und der Focus ist noch nicht einmal die Schwalbe, die für sich betrachtet auch noch keinen Sommer machen würde.

MK/Wilhelm Hahne