Im Goethejahr und zur Zeit der Buchmesse hier ein Blick auf die Probleme von Sachbuchautoren

Auch ich wollte mal ein Buch schreiben. Ein Buch über Motoren einer bestimmten Firma. Und ich habe mit einem Verlag gesprochen. Und ich habe mit der Firma gesprochen. Und seitdem weiß ich, dass meine Art, an der Sache, nicht an den Wünschen eines Auftraggebers orientiert zu schreiben, dem Erhalt eines Auftrages zum Schreiben eines Sachbuches entgegensteht. Sofern es "autorisiert" sein soll. Ich habe es dann mal mit einer Satire-Geschichte versucht. Die hat dann anderen (Schmerzens-)Geld eingebracht. Inzwischen habe ich so viel in der Branche erlebt, dass ich ohne jedes Archiv ein Buch nach dem anderen schreiben könnte. Darum beobachte ich auch sehr aufmerksam, wie man so etwas macht. - Oder wie man so etwas nicht machen sollte. Auf meiner Bestenliste ("Wie man es richtig macht") steht zur Zeit Jürgen Lewandowski ganz oben. Auf Platz meiner Liste mit dem Titel, "Wie man es nicht macht", steht zur Zeit Rita Stiens an der Spitze. Und wie das Bücherschreiben ganz einfach zu realisieren ist, hat mir Klaus Kocks (der Autor) vorgemacht. - Wie man verständliches Deutsch missverständlich niederschreibt, dazu liefert  mir in geradezu vorbildlicher Weise Prof. Dr. Klaus Kocks, der Sprachwissenschaftler, ein geradezu "hahne-büchernes" Beispiel.

"Eine Kompilation mehrfach zitierter Sekundärquellen
unter Zerstörung
der ursprünglichen referentiellen Zusammenhänge" ist nicht alles.

99-10-16/05. Die vom Philologen Prof. Dr. Klaus Kocks verantwortete Presse-Information des Volkswagen AG, Wolfsburg, weist schon im Titel einen gravierenden Fehler auf, der den ganzen Inhalt der Information in Frage stellt. Prof. Dr. Klaus Kocks stellt sich (und den Lesern) die Frage: "Stiens-Biographie ein Fälschung?"

Versucht man dann mit dem folgenden Text eine Beziehung zum Titel zu herzustellen, muss man als normaler Leser (ohne Prof.-Titel) versagen. Es tun sich - aber nur eventuell - proffessorale Zusammenhänge auf: Kennen der Herr Prof. kein Genitiv mit Apostroph?

Wenn der Titel also lauten würde, "Stiens' Biographie eine Fälschung?", würde sogar der Text darunter verständlich werden. - Zumindest mir. - Aber der Herr Prof. versuchen es wohl selbst zunächst einmal mit einer Irrfahrt durch die Grammatik, bevor er einer Autorin, "eine Irrfahrt durchs Archiv" und "eine grob fehlerhafte Darstellung", auch "Fehlbeurteilungen" und "faktische Falschaussagen" vorwirft. - Mehr nicht.

Es geht übrigens um eine Piech-Biographie, die eine Frau Rita Stiens auf dem Buchtitel als Autorin nennt, während sie - und das ist der stille Vorwurf der Abteilung VW-Kommunikation (unter der Leitung des Herrn Prof.) - wohl einen Ghostwriter nutzte. Frau Stiens hat das jetzt auf der Buchmesse bestritten: Sie habe "alles selbst recherchiert und geschrieben". - Selbst wenn das nicht so wäre: Wo ist das Problem, Herr Prof. Dr. Kocks?

Wäre das so unnormal? - Ich kenne viele Biographien die von anderen Leuten geschrieben wurden als auf dem Titel genannt. Ich kenne sogar Reden bedeutender Manager, die von anderen geschrieben wurden, als von denen, die sie dann vorlesen durften und als ihre Rede ausgaben.

Aber zugegeben: Frau Rita Stiens hat auch alles falsch gemacht, was man so im Umgang mit den Größen der deutschen Automobilwirtschaft falsch machen kann. Sie hatte z.B. keinerlei persönliche Kontakte. Auch nicht zu Prof. Dr. Kocks. Sie ließ sich von der VW-Pressestelle abblocken. - Ein schwerwiegender Fehler.

Nehmen wir einmal das Beispiel des berühmten Automobil-Sachbuchautors, Jürgen Lewandowski. Der trifft sich "zwar nur selten" (was er bedauert) mit Herrn Prof. Dr. Kocks, aber "dann zumindest an ungewöhnlichen Orten und zu ungewöhnlichen Zeiten."

Das entnehme ich einem Brief, den er am 26. September dieses Jahres an "Herrn Dr. Klaus Kocks, Mitglied des Vorstands Volkswagen AG", richtete. Und er faßt in geradezu psychologisch perfekter Form nach, wenn er - nachdem er zunächst an "unser letztes Treffen vor den Toren des Maritim-Hotels zu nachtschlafener Zeit" erinnert hatte, die er den "erheiternden Begegnungen der dritten Art" zuordnet (er nennt dies Treffen u.a. auch "eine Spontanparty") - dann an ein Versäumnis eines der Kocks-Mitarbeiter erinnert und so unseren eigentlich stets souverän wirkenden Prof. ein wenig in Verlegenheit zu bringen versucht.

"Ich hatte mir erlaubt, Sie in diesen nachtschlafenden Stunden darauf aufmerksam zu machen, dass ich nunmehr seit etlichen Monaten auf eine Antwort von Herrn Grüsem warte, wann ich ein Gespräch mit Herrn Winterkorn führen könne - ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie dieses Thema etwas beschleunigen könnten."

Bum, das hat gesessen! Und der Herr Prof. notiert auch gleich auf den Briefrand: "SG bitte sprich sofort mit ihm". - "SG", das ist Stephan Grühsem. Jürgen Lewandowski hat seine ganze Verachtung gegenüber diesem Mitarbeiter zum Ausdruck gebracht, indem er den Namen falsch schrieb, vorgab, die exakte Schreibweise nicht zu kennen. Im Sekretariat des Prof. wird der Name aber dann richtig auf den Briefkopf geschrieben und mit einem "EILT" dem "SG" zugestellt und damit der Briefinhalt zur Kenntnis gebracht.

Das muß "SG" aber nun ärgern. Zu 1) weil ihn Jürgen Lewandowski hier "in die Pfanne haut", zu 2) dass seine Position zu Prof. Dr. Kocks nun ganz deutlich wird. Grühsem versucht nämlich gerne gegenüber Dritten nach draußen darzustellen, dass er nicht an Prof. Dr. Kocks, sondern direkt an Herrn Piech berichtet.  - Und spätestens jetzt weiß die Welt, wie das wirklich geregelt ist. Denn auf dem Briefrand hat Prof. Dr. Kocks auch angeordnet: "b Rückmeldung", wobei das "b" wohl ein harsches "bitte" bedeuten soll. - Immerhin!

Übrigens ist das nicht der erste Fall, wo Stephan Grühsem Leute durch langes, langes warten lassen verärgert. Und wenn die "Bittsteller" dann Kontakt bekommen, behandelt er sie auch entsprechend, versucht  auch den Eindruck zu vermitteln, dass er von allem etwas versteht. Aber er versteht z.B. nichts vom Motorsport. Redet dort aber gut mit. Und so ist die Pressearbeit für den Motorsport wie die Grundeinstellung des Herrn Grühsem bei der Erledigung von Anfragen: die Öffentlichkeit wird sich wohl noch etwas gedulden müssen.

Wenn Frau Stiens also ihr Piech-Buch ohne "Spontanparty" in Angriff nahm, war das ihr erster großer Fehler. Außerdem muß man - wenn man schließlich guten Kontakt hat - dann das Buch so anlegen, daß man jährlich eine neue überarbeitete Auflage zu bearbeiten hat. Natürlich mit einer entsprechenden Abnahmegarantie, was dann den Verleger freut.

Diese Überarbeitung trägt man dann idealerweise so vor, wie ich es am Beispiel des Sachbuch-Erfolgsautors, Jürgen Lewandowski, darstellen möchte. Zunächst zieht man ein Vorstandsmitglied der angepeilten Firma mit ins eigene Boot indem man schreibt:

"Mein zweites Problem betrifft das von Ihnen mit initiierte Buch Der Konzern..." - Sehr gut gemacht! - Herr Lewandowski möchte etwas nicht im eigenen Interesse regeln, sondern im Interesse des Angeschriebenen: "...das von Ihnen mit initiierte..." - Perfekt. - Und der Autor stellt dar, wo es hapert: "...ein Problem, da eine Zweitauflage - sich auch aus dem Kauf der Firmen Lamborghini, Bugatti sowie Rolls-Royce und Bentley zwangsläufig ergab..." - Und nun wird der Herr Prof. wieder "getunkt", indem Lewandowski feststellt, dass die notwendige Zweitauflage "bislang wegen fehlender Unterstützung Ihres Hauses nicht zustande kam".

Also nicht Prof. Dr. Kocks trägt Schuld, sondern das "Haus". - Sehr gut! Außerdem kommt man jetzt zu der Feststellung, dass das Buch inzwischen praktisch vergriffen ist: "...nun ist dieses Buch auch intern vergriffen - jedenfalls konnte Museums-Shop in den diversen Abteilungen nur noch 37 Exemplare zusammenkratzen."

Sodann wird dargestellt, welch kluge Gedanken dem Buch eigentlich zugrunde lagen. Das kann auch nicht anders sein, da es ja von Prof. Dr. Kocks "mit initiiert" war. Und - Frau Stiens, bitte aufgepaßt! - das trägt man dann so vor:

"Der Grundgedanke hinter diesem Buch bestand ja darin, es möglichst jährlich zu aktualisieren und Jahr für Jahr in eine weitere Sprache zu übersetzen, damit Ihr Haus über ein Werk verfügt, mit dem Sie auf immer mehr Märkten rasch und problemlos Novitäten, Stückzahlen, Motorsport-Erfolge und personelle Veränderungen sammeln und verbreiten können."

Das hätte sich eigentlich auch bei der Piech-Biographie angeboten. Auch hier kommt es zu immer neuen Erfolgen, gibt es - alle Jahre wieder - personelle Veränderungen. Und die Chinesen sollten schließlich auch in Ihrer Sprache erfahren können, um wen es sich bei Herrn Piech handelt. Und man könnte ja von Auflage zu Auflage auch neue Kapitel einschieben, so daß (nach einigen Jahren) jene Fehler in der Piech-Biographie getilgt sind, die Prof. Dr. Kocks nun (als Philologe) beanstandet: "...daß es sich um eine Kompilation mehrfach zitierter Sekundärquellen unter Zerstörung der ursprünglich referentiellen Zusammenhänge mit der Folge der Fehlbewertung und sachlich falscher Darstellungen" handelt.

Außerdem sollte so ein Buch von seiner ganzen Anlage her immer dem Zeitgeist entsprechen, d.h., dass der optische Auftritt jeweils in kleinen Schritten optimiert wird.

Was das Buch Der Konzern betrifft, so denkt Herr Jürgen Lewandowski da z.B. an "einen Auftritt, der sich an den des geplanten neuen Museums-Katalogs anpassen könnte."

Hier möchte ich aber Frau Stiens warnen, weil Herr Piech im Museums-Outfit... - Na ja. - Das läßt sie besser weg. Aber Herr Lewandowski findet das für sein Buch sehr gut, weil so "ein gewisser Seriencharakter geschaffen würde". Sie verstehen? - Eine Plattform, viele Modelle. Jürgen Lewandowski meint, daß "eventuelle zukünftige Bände, die über die reine Produktbeschreibung hinausgehen, von einer Vereinheitlichung von Format, Design und Typographie nur profitieren können."

Dieser Mann denkt über die notwendige Überarbeitung hinaus gleich an künftige neue Produkte, bereitet sie vor. Und das nicht nur beim Volkswagenwerk. Alle Automobilwerke in Deutschland haben praktisch Herrn Lewandowski in den vergangenen (ich glaube) fast 20 Jahren, wo er als Redakteur für die Automobilseite der "Süddeutsche Zeitung" verantwortlich ist, schon mehrere Buchaufträge erteilt. Oder er schreibt fürs BMW-Magazin einen Fahrbericht. Und hier und dort dieses und jenes.

Auch Frau Dr. Wegerhoff war vor Monaten sehr glücklich, daß es ihr gelungen war, dem wichtigen Redakteur einer überregionalen Tageszeitung einen Buchauftrag zukommen lassen zu können. Das verbessert das Verständnis füreinander. Das Lincoln-Buch soll übrigens noch in diesem Herbst erscheinen. Eigentlich war es dazu gedacht... - Aber Frau Dr. Wegerhoff denkt und Dr.Reitzle lenkt. - Aber es ist sicherlich gut angelegtes Geld. In die Zukunft investiert.

Trotzdem darf man nicht die Kontaktpflege vernachlässigen. Man muß sich als Autor schon mal - von Zeit zu Zeit - in Erinnerung bringen. Geschicktermaßen mit einem solch gut aufgebauten Brief, wie ihn Jürgen Lewandowski an Herrn Prof. Dr. Klaus Kocks, Mitglied des Vorstandes des Volkswagenwerkes schrieb. Der endet so:

"Ich würde mich freuen, wenn ich mich bald einmal mit Ihnen über diese Themen unterhalten könnte - und ich freue mich auf dieses baldige Treffen."

Schade, dass das nicht unbedingt wieder eine "Spontanparty" werden kann. Zur Sicherheit hat der kluge Sachbuch-Autor den Philologen (handschriftlich) darauf hingewiesen: "Ich bin am 5. Oktober abends und am 6. Oktober ganztags in WOB."

Ein fast unauffälliger Hinweis, lässig dahingeschrieben. Nach dem Motto: Wehe, du sprichst nicht mit mir.

Herr Lewandowski hätte auch allen Grund, Herrn Klaus Kocks (dieses Mal ohne Prof. & Dr.) als Konkurrenz zu betrachten. Soeben ist Heft 1 einer neuen Schriftenreihe des Unternehmensarchivs der Volkswagen AG erschienen. Obertitel: "Aus der Geschichte lernen"; der Untertitel: "Anmerkungen zur Auseinandersetzung von Belegschaft, Arbeitnehmervertretung, Management und Unternehmensleitung bei Volkswagen mit der Zwangsarbeit im Dritten Reich". Als Autoren sind ausgewiesen: Klaus Kocks und Hans-Jürgen Uhl. - Schreibt der Prof. (dann aber ohne Titel) nun seine Bücher selbst?

Immerhin: Wer kann das von den Chefs einer Abteilung Öffentlichkeitsarbeit bei den deutschen Automobilfirmen schon? - Ich meine das natürlich rein zeitlich betrachtet. Wie man auch Jürgen Lewandowski - rein zeitlich betrachtet - bewundern muß. Allein www.amazon.de nennt derzeit 18 Buchtitel, die Jürgen Lewandowski als Autoren aufweisen. Und dann noch der Streß bei der "Süddeutschen..." -

Aber vielleicht haben die Herren vorher einige Bücher der von VW jetzt so an den Pranger gestellten Autorin Rita Stiens gelesen, profitieren von "Die Lebenskraft des Mondes" und haben sich gesagt, "Ich mach' jetzt mein eigenes Ding". -

Und wenn alles schiefgeht, bleibt immer noch die "Krankheit als Waffe".

MK/Wilhelm Hahne