Über die Qualitäten der Fachpresse, erzählt am Beispiel des "Super-Test" von "Auto-Bild" aus Mai 2001
Jeder macht mal einen Fehler. Aber manche versteht der Laie dann nicht, wenn sie von Fachleuten gemacht werden, die in ihren Publikationen den Eindruck erwecken, schon etwas von der Materie zu verstehen, über die sie schreiben. Und der "Super-Test" zum Beispiel, der von "Auto-Bild", der ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie man mit allergrößtem Aufwand keinen Effekt erzielt. Jedenfalls nicht den, den die Verlagsleitung wohl erwartet hatte. Motor-KRITIK möchte hier nur an einem kleinen Beispiel verdeutlichen, warum es schlecht ist, wenn der Chefredakteur entweder auch nicht informierter als seine 08/15-Redakteure ist, oder wenn er einfach (vor Drucklegung!) nicht liest, was in den von ihm verantworteten Blättern als Evangelium verbreitet wird.
Wenn Fachtester das Fachwissen von Autohändlern testen...
00-11-17/05. ...und dabei vergessen, dass ihr Fachwissen auch Lücken hat, dann gibt es für mich in der Eifel natürlich etwas zu lachen. Meine Lacher stammen noch aus Mai 2001, wie der "Super-Test" von "Auto-Bild".
Zunächst etwas Grundsätzliches: Natürlich muss ein so aufwendiger Test dem Leser wertig verkauft werden. Aber in Form einer Beilage, die die Beilage einer Versicherungsgesellschaft zu sein scheint? - Nein, so ein "Super-Test" muss, auch wenn er in drei Folgen erscheint, fester Bestandteil der Zeitung oder Zeitschrift sein. - Meine ich. Immerhin beginnt dieser Test mit anonymen Händlerbesuchen "und endet mit einem Knall an der Crashwand des TÜV", wie "Auto-Bild" richtig beschrieb. - Das kostet!
Ich möchte hier nicht jede - aus meiner Sicht - Schwäche des "Super-Test" besprechen, sondern in diesem konkreten Fall nur auf einen sachlichen, fachlichen Fehler hinweisen, der auch etwas von dem Engagement vermittelt, mit der die Redeaktion "Seiten füllt". Hier wird offensichtlich auch nur ein "Lastenheft" in der Art abgearbeitet, wie "Auto-Bild" das schon mal bei Werkstatt-Tests den ausführenden Händlerbetrieben vorhält. Auch dort wird eine Inspektionsliste abgearbeitet, ohne dass das getan wird, was eigentlich getan werden müsste.
Im Mai-"Super-Test" prüfte "Auto-Bild" Kleinwagen. Darunter war ein Peugeot 1,1 l, 60 PS, zum Listenpreis von 23.030 Mark. Schon in Teil 1 amüsierte sich das Testteam über einen Peugeot-Händler, der das ESP (das der Peugeot nicht hat) seltsam erklärte. Man schreibt:
"Allerdings ist er (Anmerkung: gemeint ist der Chef des Peugeot-Händlerbetriebes) technisch nicht ganz auf der Höhe (oder nicht ganz bei Ohr gewesen?): ESP diene dazu, die Stabis hochzufahren und so ein Einsinken des Wagens zu vermeiden - hihi."
Ich habe noch lauter gelacht. Damals im Mai. (Meine Leser können erst gegen Ende der Geschichte so richtig mitlachen.) Zumal die Fachleute von "Auto-Bild" erklärend hinzu fügten:
"Klar, dass unsere Testkäufer stets das Fachwissen der Autohändler stichprobenartig testen." - Und man stellt am Ende des Kapitels, das den Kauf eines Peugeot-Testwagens beschreibt, sehr gnädig fest: "Peugeot kann eben nicht auf allen Gebieten vorne sein."
Am Ende dieses ersten Teils der Sonderbeilage erklärt man: "Und Optik ist zentrales Kaufargument", weil man hier auch Ausstattungsdetails empfohlen hat, "die Sie immer mitbestellen sollten, damit sich das Auto morgen als Gebrauchter gut verkauft."
Auch bei "Auto-Bild" scheint man mehr auf die Optik als auf "innere Werte" zu achten. Obwohl man den zweiten Teil des "Super-Test" damit beginnt, dass man darauf hinweist, "dass AUTO BILD die bekannten Test-Kriterien nochmals um aufwendige Analysen erweitert" hat. Und man nennt als wichtigen Testpunkt: "die Qualität. Schon bei der Übergabe, noch in jungfräulichem Zustand, wurden die Neuwagen bis in die Hohlräume gescheckt. Stimmt die Verarbeitung? Oder sparen die Sparautos dort, wo's niemand sieht?"
Tolles Team. Die blicken voll durch. Und voll vorbei. - Und machen einen Haken im Testprogramm.
Zum Fahrverhalten des 206 vermerken sie: "Auf trockener Piste gefällt vor allem der 206 mit einem Fahrgefühl wie beim Samstags-Spaß auf einem Kart - in dem Franzosen mit seiner kurzen, zackigen Lenkung stecken die schönsten Sportgene."
Es heißt aber auch zwei Spalten weiter: "Im 206 bricht das Heck dabei ziemlich unvermittelt aus, ohne den Fahrer vorher zu warnen." Außerdem hatte man vorher schon darauf hingewiesen: "Bei Nässe, vielleicht sogar mit einem beladenen Heck, offenbart der Peugeot einen tückischen Lastwechsel. Wer in den Kurven vom Gas geht, riskiert ... einen plötzlichen Dreher."
Was den Komfort des 206 betrifft ist man fast fassungslos: "Erstaunlich, wie Peugeot selbst einen schmalbeinigen 206 dieses sanfte Schwingen angewöhnt, das ständig den Komfort einer höheren Klasse sugiert."
Und ich denke, dass man nun zur Erklärung ansetzt. Schließlich hat man doch schon zu Anfang des Tests geprüft ob bei den Sparautos dort gespart wird, "wo's niemand sieht".
Wie genau, wie exakt "Auto-Bild" testet, muss auch dem dümmsten Leser beim Stichwort "Qualität" klar werden: "Auto-Bild" schreibt:
"Supertest heißt, dass AUTO BILD an jedem Auto die Lackstärken überprüft, Spaltmaße nachmisst oder Hohlräume auf ihre Konservierung checkt. Was beim Peugeot hinter der schönen Fassade steckt, das enttäuscht. Die Türen sind schief eingebaut, die Spaltmaße klaffen zwischen 3,0 und 5,9 Millimetern auf. Und unter der Motorhaube, dort, wo niemand hinschauen kann, sinkt die Lackstärke auf 18,8 Tausendstelmillimeter..." -
Ich glaube es fast: die Jungens testen wirklich hart und erbarmungslos. "Das Zwischenzeugnis" am Ende des Teil 2 vermeldet zum Peugeot 206: "So landet der Franzose trotz seiner komfortablen Federung nach Teil zwei auf dem letzten Platz".
Aber immer habe ich noch nicht erfahren, warum das Ding sich auf der einen Seite so sportlich fährt, auf der anderen Seite so gefährlich ist, warum er über einen so heraus ragenden Komfort verfügt, warum... - Kommt die Auflösung erst in Teil 3?
Dort beschreibt man das Testergebnis auf der Nürburgring-Nordschleife: "Der 206 fährt sich auf jeden Fall sehr handlich, lässt sich flink durch das Kurvenlaberinth scheuchen. Die Lenkung teilt dem Fahrer alles mit, was er wissen sollte, die Bremsen sind standfest. Doch in unfallträchtigen Situationen gibt es ähnliche Probleme wie beim Yaris. Beim schnellen Einlenken oder Gaslupfen in schnelleren Kurven tanzt das Heck aus der Reihe." Man ergänzt diesen Eindruck noch durch den vom Motor: "Der drehfreudige Motor fühlt sich kräftig an. Und posaunt es hinaus; denn subjektiv stecken mindestens zehn PS mehr unter der Motorhaube. Objektiv jedoch lieferte der kleine Krawall-Franzose die schlechteste Rundenzeit ab."
Nachdem man sich bis zur letzten Seite des "Super-Test" durchgelesen hat, ist man - was z.B. den Peugeot 206 1,1 Liter betrifft - so schlau wie vorher. Und manches, so sagt mir mein Verstand, was dort beschrieben wird, kann gar nicht so stimmen. Da gibt es das "sanfte Schwingen", da stecken "Sportgene" in dem Fahrzeug, da ist der 206 das langsamste Fahrzeug auf der Nordschleife, obwohl er "subjektiv" richtig Power hat. Da hat man die Lackstärken vermessen, danach gesucht, wo denn wohl die Hersteller gespart haben, aber man findet nirgendwo eine technische Erklärung für die sich dem Leser darstellenden Gegensätze.
Ich hätte z.B. erwartet, dass man (beim Thema Komfort oder Fahrwerk) aufzeigt, dass Peugeot der einzige Automobilhersteller auf der Welt ist, der seine Stoßdämpfer und Federbeine noch selber fertigt. - Aber wahrscheinlich weiß das noch nicht einmal der Chefredakteur. - Weil es von Peugeot noch keine entsprechende Pressemitteilung gegeben hat. Und die Peugeot-Presseabteilung weiß das wahrscheinlich auch nicht, weil es das Peugeot-Marketing nicht interessiert.
Den untersuchenden Redakteuren und Fachleuten von "Auto-Bild" sei bescheinigt, dass ihre Werkzeuge zwar Spaltmaße messen, ihre Augen aber nicht feststellen können, ob ein Fahrzeug über Stabilisatoren verfügt. Der 206 1,1 Liter hat nämlich keinen Stabilisator. Weder vorne, noch hinten. Darum schwingt der auch so französisch weich.
Nun weiß ich, was ich von dem "Super-Test" zu halten habe. Die Redakteure scheinen etwa. über das Niveau zu verfügen, dass sie in späteren Werkstatttests den jeweiligen Firmen vorhalten mussten. Und wenn die Herren jetzt noch - von mir - wissen wollen, warum denn der 206 1,1 Liter keine Stabis hat, dann kann ich sagen: Weil dieses Fahrzeug das Einstiegsmodell in die 206-Reihe ist und weil der Preis günstig gestaltet werden sollte. Und alles verbaute Material kostet Geld, verteuert das Fahrzeug. Und wenn man das der Fachpresse nicht per Pressemitteilung unter die Nase reibt, dann werden die es auch nicht heraus finden. - Wie das Beispiel beweist.
So, wie sich der 206 1,1 Liter in der Fahrpraxis darstellt zeigt auch, dass das Weglassen der Stabis niemandem auffällt. Auch nicht vom Ergebnis her negativ auffallen muss. Nicht den Käufern und - noch nicht einmal den Super-Testern des "Super-Tests" von "Auto-Bild"
MK/Wilhelm Hahne
Danke, für Ihre Mitarbeit!