Was ein Manager (bald) mit "Orden wider den tierischen Ernst" (OWDTE) so alles erzählt - und wie das Leben so spielt

Wenn man im normalen Straßenverkehr erlebt, wie heute die Automobile bewegt werden, mit welchem Selbstverständnis und mit welcher  Vorstellung von der - offensichtlichen - Unsterblichkeit der eigenen Person, dann möchte man all jene verfluchen, die mit ihrer Propaganda für die modernen elektronischen Fahrhilfen (und Sicherheitssysteme) dazu beigetragen haben, "kleine Geister" zu "großen Meistern" am Volant zu machen. Über all diese Sicherheits-Innovationen haben viele Firmen vergessen, dass eigentlich auch die automobile Basis stimmen muss. In jedem Detail. - Wenn aber selbst Rennfahrer in der Formel 1 bei der Nutzung ihrer elektronischen "Tractions-Controlle" überfordert sind, auf von Computer entworfenen Rennstrecken die Balance verlieren (s. 2. Freies Training zum "Großen Preis von Ungarn"), wie soll dann ein ESP auf einer normalen Eifellandstraße einen normalen Autofahrer schützen? - Und gerade Wendelin Wiedeking, als Chef eines Sportwagensherstellers... - Aber dazu kommen wir später. - Dieser Geschichte gebe ich aus gegebenem Anlass den Titel:

Wer ESP sagt, sollte auch A (-Säule) sagen können

02-08-20/03. - In den letzten Wochen hat es oft und viel geregnet. Auch in der Eifel. Und an einem solchen Tag war ein von mir geschätzter Kollege mit seinem Privatwagen (ESP serienmäßig) auf normaler Bummelfahrt auf einer geraden, normalen Bundesstraße unterwegs. Sein ESP war eingeschaltet, weil der Kollege nicht vor hatte schnell zu fahren. Denn wenn der schnell fährt, dann schaltet er das ESP seines Wagens aus. Das ist eine Empfehlung des Herstellerwerkes, ihm gegenüber persönlich ausgesprochen.

Weil Ihnen das vielleicht merkwürdig vorkommt, will ich es Ihnen erklären: Der Kollege hat sein neues Fahrzeug im Winterhalbjahr bekommen und war viel unterwegs. Er hetzte von Termin zu Termin. Immer mit eingeschaltetem ESP. Und das regelte und regelte. Dem Kollegen, der eigentlich noch gelernt hat ohne ESP auszukommen, war es egal. "Wenn es drin ist, nutze ich es auch."

Nach 5.000 Kilometern musste er in die Werkstatt, weil die Bremsen... - "Oh, oh", sagt da der Werkstattmeister. Die hinteren Bremsen (einschl. Scheiben) bedurften der Auswechselung, und die vorderen - na ja - die wären vielleicht noch... - Aber sie mussten auch ausgewechselt werden.

Nun war der Kunde nicht bereit, nach 5.000 Kilometern eine solche Bremsenreparatur an seinem praktisch nur wenige Wochen alten Automobil zu bezahlen. Also wurde das Werk eingeschaltet, ein Ingenieur reiste an und - war eigentlich außer sich. - Na, so was!

Wie er aus dem "Fehlerspeicher" auslesen konnte, hatte der Kunde das serienmäßige ESP auf 5.000 Kilometern exakt 284 mal genutzt und das ABS - auch das konnte er sagen - hatte fast 500 Mal gearbeitet. - Nein, so geht das nicht. Man baut doch werksseitig kein ESP ein, damit der Kunde ist immer nutzt! - Oder doch?

Der Kunde jedenfalls hat nach harten Verhandlungen diese Bremsenreparatur nicht bezahlen müssen, erhielt aber die Androhung, dass die nächste Reparatur nicht "werksseitig" bezahlt wird. Und man hat ihm den Rat gegeben, doch bei schneller Fahrt das ESP auszuschalten, weil sonst die Bremse... - Ja, so ist das!.

Also exakt dieser Kollege war nun auf regennasser Straße (mit eingeschaltetem ESP, weil er nicht schnell fuhr) unterwegs; als sich vor ihm ein neuer 5er BMW nach rechts in die Leitplanken verabschiedete, um zurück auf die andere Straßenseite zu fliegen, um dann dort "interessant zu parken", wie die Polizei bemerkte, die kurze Zeit später eintraf. - Außer Totalschaden am Fahrzeug war nicht passiert. Und es war auch kein Airbag aufgegangen. Weil der dumme Fahrer nicht im vom Hersteller vorgeschriebenen Winkel aufgeprallt war.

Gegenüber der Polizei (aber auch schon vorher seinen Helfern) erklärte der BMW-Fahrer den Unfall so: Er wäre mit Landstraßengeschwindigkeit (100 km/h) unterwegs gewesen. Es regnete kräftig. Die Landstraße führte geradeaus. Kein Grund zu Beunruhigungen. Als plötzlich die Anzeige im Armaturenbrett das Arbeiten des ESP (bei BMW hat es einen anderen Namen, aber es ist alles dasselbe) anzeigte. Und dann sei sein Fahrzeug plötzlich nach rechts abgebogen. Und Peng - dann wieder nach Links geflogen und - Peng - nun sei sein schönes Auto kaputt. Er verstehe das nicht, weil doch das ESP... - Und es habe auch gearbeitet.

Natürlich hat es. - Lassen Sie mich das erklären: als die Hinterachse - wahrscheinlich durch Aquaplaning - aus der Richtung geriet, hat natürlich das ESP mit einem Rettungsversuch eingegriffen. Aber das Vorderrad hatte mit seinem korrigierenden  Bremseneingriff auch wenig Glück: Aquaplaning. Und wo kein Grip ist... -

ESP ist ein Fahrhilfe, die eigentlich nicht wirklich helfen kann, sondern nur so tut; weil sie nur auf Normsituationen (Idealsituationen) ausgerichtet ist. Wer sich da darauf verlässt... - Oder wer das ESP wirklich immer nutzt... (s.o.)

"Auto Bild"-Redakteur Jörg Maltzan erzählt in der aktuellen Ausgabe seiner Zeitschrift von seinen Erlebnissen bei einem Porsche-Fahrerlehrgang. Und wie es ihm unter Anleitung gelingt, einen hinten ausbrechenden Porsche ohne ESP (bei Porsche nennt sich das PSM) auf nasser Fahrbahn wieder einzufangen.

Und dann schildert er den Versuch mit eingeschaltetem PSM: "Ich nehme Anlauf 40, 50, 55 km/hh - rums! Die Platte haut mir den Hintern weg. Es surrt und klackert. Die gelbe Warnleuchte blinkt wie eine Lichtorgel. Trotzdem: Der Elfer schwänzelt über die Rutschfläche und dreht sich dann doch."

Redakteur Maltzan ist fassungslos und lässt sich von  Walter Röhrl, der hier Lehrmeister war, erklären: "Du kannst die Physik nicht überlisten. Wer zu schnell in eine Kurve fährt, wird auch vom PSM nicht gerettet."

Na, ja - Walter Röhrl würde den 996 auch ohne PSM bei gleicher Situation wieder zur Geradeausfahrt bewegen können und Redakteur Maltzan war das auch bei 45 km/h vorher ohne PSM gelungen. - ESP, PSM oder wie es auch immer heißen mag: ein Sicherheitssystem? - Wenn alle Voraussetzungen stimmen. - Aber oft eben auch nicht.

Aber mit Sicherheit verkauft es sich gut. Und darum werden diese Sicherheitssysteme auch immer weiter ausgebaut. Mercedes hat gerade weitere Innovationen verkündet:

Als Mann kennen Sie After-Shave. Wenn Sie es besser machen wollen, benutzen Sie vorher auch noch ein Pre-Shave. - Bei Mercedes machte man das auch so, bot aber das "After-" vor dem"Pre-" an: da kam zuerst das After-Safe (Airbag usw.), nun bietet man in der S-Klasse auch Pre-Safe. Weil man sich eigentlich auch auf ESP usw. nicht verlassen kann? (s.o.) Also wird jetzt vor einem Aufprall, den das System daran erkennt, dass im Fahrzeug eine Menge Sensoren arbeiten, z.B. der Gurt gespannt, die Rückenlehne in die richtige Stellung gebracht, das evtl. offene Schiebedach geschlossen usw. - Wer schon mal einen Unfall hatte weiß, dass (scheinbar) eine Ewigkeit vergeht, bis dass ein Aufprall erfolgt. Da zieht doch manchmal noch das ganze (bisherige) Leben am geistigen Auge des Fahrers vorbei. Da wird wohl noch ein Sicherheitssystem die Zeit finden die Lehnen senkrecht zu stellen.

Aber was macht nun ein Fahrer, dessen "Überlebensraum" im Fahrzeug dadurch eingeschränkt wird, dass das Auto bei einem Überschlag (z.B.) ein wenig flacher wird? Vom der senkrecht stehenden Lehne zur aufrechten Haltung gezwungen, vom Gurt gut festgehalten... - Natürlich sind das Ausnahmesituationen, aber das Wissen darum sollte eigentlich vernünftige Leute daran hindern, so einen Satz auszusprechen, wie das Wendelin Wiedeking, der Porsche-Lenker, im September 1997 tat: "Mit einem Turbo können Sie sich fast eine Lebensversicherung sparen."

Wiedeking hat das auf die Porsche-Bremse bezogen, die auch wirklich in Relation zu der anderer Fabrikate von hoher Qualität ist. Trotzdem... - Ich möchte Herrn Wiedeking einmal zeigen, wie sich die Gewichtszunahme, die moderne Automobile heute - auch - durch den Einbau von Sicherheitssystemen erleiden, auswirken kann.

Da war der Fahrer eines (fast) neuen Porsche, der einmal auf der Nürburgring-Nordschleife sein Können (und das seines Fahrzeugs) überprüfen wollte. Und dann passierte es, dass er auf einem geraden - aber welligen - Bergabstück ("Fuchsröhre" die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor.

Und so kann auch ein Porsche zu einem scheinbaren Meisterstück...

...von BMW-Chefdesinger Chris Bangle werden. - Am "...bo" auf dem rechten Foto sehen Sie, dass es sich um ein Stück "Lebensversicherung" von Porsche handelt. Leider ist das Fahrzeug bei dem Unfall im 200 km/h-Bereich nicht auf allen vier Rädern geblieben sondern umgestürzt.

Wie man sieht...

...war das Schiebedach geschlossen. Worauf man jetzt ja auch bei der neuen Innovation von Mercedes achtet. Aber leider ist dieser Porsche Turbo noch ein wenig flacher geworden, als er sonst schon ist. Der Grund:

die A-Säulen sind weggeknickt. Was selbst bei einem Cabrio in dieser Form nicht passieren dürfte, kann man hier bei einem Coupé registrieren. Ein Ausnahme-Unfall? - Sicherlich. Aber...

...schauen Sie bitte mal, wo sich nach dem Unfall z.B. die A-Säule auf der Beifahrerseite (die unbesetzt war) befindet: sie wird durch die Tür gestützt. Natürlich ist auch hier kein Airbag aufgegangen. Es war halt ein Unfall, der so von den Entwicklern bei Porsche nicht vorhergesehen wurde. Und darum kann man z.B. auch unter bestimmten Unfällen wegen (!) eines ABS abfliegen. In der Software sind Situationen, wie sie dann gerade vorkommen, nicht vorgesehen.

Nein, es ist mir leider nicht gelungen exakt festzustellen, was dem Fahrer dieses Porsche Turbo passiert ist. Er lebte, wurde ins Krankenhaus Adenau eingewiesen, von dort aber - da man schwere Schäden feststellen musste - in eine andere Spezialklinik ausgeflogen.

Es geht mir mit diesem Beispiel nicht darum, Entsetzen auszulösen. Aber unsere Auto-Manager sollten mit "großen Sprüchen" vorsichtig sein. Natürlich soll man sich After- und Pre-Safe-Systeme bemühen. Es soll sich die auch kaufen wer meint sie zu benötigen. Aber sie machen niemanden zu einem guten  Fahrer. - Und sie bieten im Unfallfalle auch keine absolute Überlebensgarantie. Das sollte man nicht vergessen.

Nicht vergessen sollte auch ein  Wendelin Wiedeking, dass über alle Innovationen, mit denen man "den Speichelfluss unserer Kunden immer wieder neu erwecken" muss, die Basisarbeit nicht vernachlässigt. Eine A-Säule sollte auch nach einem Überschlag noch als A-Säule zu erkennen sein. Ganz sicher bei einem Coupé.

Damit man mir nicht vorwirft, immer erst "danach" davon zu schreiben, was mit einem "Vorher" vermieden worden wäre, darf ich die sehr geschätzte Leserschaft im Hause Porsche darauf aufmerksam machen, dass die Fahrwerkabstimmung der neuen kommenden Version des Porsche 911 von mir nicht als ideal empfunden wird. Auf dem folgenden Foto habe ich - ausnahmsweise! - einmal das Nummernschild unkenntlich gemacht, weil es für den Beweis ohne Bedeutung ist. Die unterschiedlichen Reifenfirmen fahren mit solchen "Prototypen" ihre Reifenversuche für den "Neuen". Sie haben diese Versuchsträger für viel Geld von Porsche kaufen müssen. Und tun nun ihr Bestes. Wieviel Grip die Reifen aufbauen, kann man bei schneller Kurvendurchfahrt daran erkennen, wie deutlich das kurveninnere Vorderrad abhebt. Bei meinem Bildbeispiel...

...ist das deutlich. Also ist viel Grip vorhanden. Aber zu wenig Ausfederweg. Außerdem wirkt alles ein wenig zu weich. Wenn die Reifenleute nicht so gut wären... - dann bliebe das kurveninnere Rad zwar unten, aber man würde (wegen geringerem Grip) Bremsleistung verschenken, die von Porsche erwünscht ist.

Hier müsste Porsche noch einmal nachbessern, seine Fahrwerkabstimmung der Qualität der Reifen anpassen. Alle (!) Reifenfirmen sind in der Lage, dieses Fahrwerkproblem des "Neuen" zu verdeutlichen. Mehr oder weniger. Wobei ich  bei meinem "Beweisfoto" Wert darauf gelegt habe, dass es nicht in einer superschnellen Runde entstand. In der Runde, in der dieses Foto entstand, war das Fahrzeug in 8:58 min unterwegs. Also noch viel Luft zu einer wirklich schnellen Runde.

Da wir gerade bei Porsche sind: ich hatte in eine meiner letzten Geschichte von "Abflügen" des kommenden GT berichtet. Nach den letzten mir vorliegenden Information war es wirklich so wie von mir eingeschätzt: die Unfälle hatten ihren Grund wohl in technischem Versagen. Und zwar des gleichen Bauteils. Zwei Unfälle wurden von mir registriert. Es soll aber noch einen dritten gegeben haben.

Halten wir also fest: Walter Röhrl macht keine Anfängerfehler. Auch wenn er das sagt. Er möchte nur Porsche schützen.

Aber wer schützt die Porschefahrer? - Wer ESP sagt, sollte auch A (-Säule) sagen können.

MK/Wilhelm Hahne


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