Virneburg, den 16. September 2003

(Heute hat meine Tochter Geburtstag. Auch ihr möchte ich mit meinen "Wiedererscheinen " eine kleine Freude machen!)

Guten Tag!

Da schreibt mir ganz frisch ein netter Mensch: "tja, der märz ist vorüber... - wann kommt denn wieder mal was neues zum lesen ???"

Ich komme von der IAA zurück, bin nun überzeugt, dass ich wirklich wieder in die Tasten greifen muss. Selbst von Kollegen - die ich in  Frankfurt traf - wurde ich in diese Richtung beeinflusst. Auch sie vermissen etwas. Es ist leider so: außer mir schreibt niemand die Geschichten, die man auch schreiben sollte. Sie lesen zwar in meinen Geschichten (u.a.) nur meine subjektive Meinung, aber die ist in Jahrzehnten der Beobachtung der Branche heran gereift, hat sich an so vielen Kanten anderer Meinungen gescheuert, dass sie zumindest aus meiner Sicht, der Versuch einer objektiven Darstellung ist.

Trotzdem wird es immer Leute geben, die mir vorwerfen, zu hart zu kritisieren, nur immer das Negative zu sehen. Und sie haben - natürlich - recht: Positiv betrachtet ist nicht nur die Auto-Welt, sondern unsere gesamte Welt in Ordnung. - Toll! - Geil! - Cool! - Super! - Aber bringt uns eine solche - unkritische Betrachtung - weiter?

Aus der Bibel habe ich gelernt, dass man sich am besten verständlich macht, wenn man in Gleichnissen redet - oder schreibt. Lassen Sie mich darum an einem Gleichnis die derzeitige Situation im Bereich der Automobiltechnik darstellen:

Ich stand vor einigen Wochen - beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring - mitten in der Nacht in der stockdunklen Passage nach dem "Großen Sprunghügel". Ich war mit einigen Leuten unterwegs und darum nicht verwundert, dass mich jemand von hinten ansprach: "Können Sie mir sagen wie spät es ist." - Ich hielt das für einen Scherz, bis mir klar wurde, dass das eine Stimme war, die ich nicht kannte. Trotzdem habe ich gefragt: "Haben Sie keine Uhr?" - Antwort: "Doch, sogar eine wertvolle. Aber ich kann sie nicht ablesen."

Da habe ich meinem Hintermann meine Uhr vor die Nase gehalten. Und er konnte klar ablesen, wie spät es war. Meine Uhr hat wunderbar deutliche Leuchtziffern, ist ganz klar, einfach. Edelstahl. Einfach eine Uhr.

Mein Hintermann hat mir dann seine Uhr gezeigt. Kostbar. Er konnte - wenn er es hätte sehen können - den Mondstand ablesen, die Zeit hier und in New York, konnte Zeiten stoppen, in allen Variationen, hatte das aktuelle Datum vor Augen. Aber leider nicht im Dunkeln. - Er hatte eine Uhr. Aber leider keine unter allen normalen Bedingungen (oder ist eine dunkle Nacht nicht normal?) gebrauchsfähige.

Das erinnert mich an die derzeitige Automobil-Generation. Zum Beispiel an die Mercedes A-Klasse. Oder an andere "moderne" Automobile. Mit denen können Sie alles. Sie können verunfallen und bleiben unverletzt, wenn Sie im richtigen Winkel einschlagen. (Weil nur dann die Airbags aufgehen!) - Sie können damit telefonieren. Sie können ins Internet gehen. Sie können die Parkhaussituation im nächsten Parkhaus prüfen. Sie können  darin Radio hören. Sie brauchen auch keinen Scheibenwischer einzuschalten. Das Auto merkt von alleine, wenn es regnet. Es merkt auch, wenn es dunkel wird, und schaltet das Licht an. Sie können sogar damit fernsehen. - Aber richtig fahren können Sie damit nicht! - Sie haben zwar (für viel Geld) viel Leistung gekauft, aber das Auto regelt bei 250 km/h ab. Um Sie zu schützen. - Sie können damit auch nicht mehr (gleichzeitig) durch eine Kompression und eine Kurve fahren. Die Software würde das nicht verstehen. Und regelt ab. Um Sie zu schützen. Dank ESP. - Und dank der modernsten Elektronik verschiebt sich der Fahrersitz während der Fahrt, die Niveauregulierung macht was sie will, die Scheiben öffnen sich während der Fahrt wie von Geisterhand. -

Und wenn Sie Pech haben, ist auch mal ein bedeutender Sensor defekt. Und das ESP regelt, ohne dass dazu ein Anlass vorhanden wäre. Und weil Sie sich mit Sicherheit auf die Sicherheitssysteme verlassen, fahren Sie (vielleicht) in den Gegenverkehr oder in die Leitplanken. Vielleicht sind Sie dann auch tot. - Aber dann wird man den Sekundenschlaf (oder irgendeinen anderen Grund) für den Unfall finden. Und Sie still zur Ruhe betten. - Diese modernen Sicherheitssysteme lassen das bekannte "Russische Roulette" (Sie kennen dieses Unsicherheitssystem sicherlich aus alten Filmen) ganz alt aussehen.

Wollen Sie etwa diesen wertvollen Innovationen, die z.B. Herrn Prof. Hubbert den Platz auf seinem (Vorstands-)Stuhl retteten, im Wege stehen? - Ach, Sie meinen, so wie ich das oben schilderte, kommt das nicht vor? - Ich würde sagen: das wird nicht bekannt. - Wenn es denn passiert.

Ein Automobil ist niemals so perfekt, als dass nicht noch Verbesserungen möglich wären. Aber diese "Verbesserungen" werden heute (meistens) vom Marketing bestimmt. Man braucht Verkaufsargumente. Die sollten (die müssen!) "innovativ" sein. Und man schafft sie sich. Aber das sind dann oft keine Verbesserungen, sondern "Verschlimmbesserungen". Wie man vergisst, dass eine Uhr eine Uhr sein sollte, die zuverlässig die vorbestimmte Funktion erfüllt. Man vergisst: ein Automobil sollte ein Automobil sein - und bleiben. Ein "Ding", das der zuverlässigen (!!!) und wirtschaftlichen Fortbewegung dient. - Unter diesem Gesichtspunkt beurteile ich Automobile. Und Uhren. Und Schuhe. - Und Menschen!

Wenn ich Schauspieler erleben möchte, gehe ich ins Theater. Aber eigentlich - wenn ich so darüber nachdenke - habe ich täglich "Theater" genug. Denn viele meiner täglichen menschlichen "Kontakte" spielen doch nur ihre Rolle. Sie "spielen" z.B. den Vorstandsvorsitzenden, den "Bereichsleiter", den Kommunikations-Direktor, den Pressechef; stellen eine Funktion dar, sind aber eigentlich nicht wirklich das, war sie auf ihrer Visitenkarte vorgeben.

Wir sind von "Schauspielern" umgeben. Die Menschen sind nicht mehr echt. (Zum Glück nicht alle!) Die Automobile sind nicht mehr echt. Die Uhren sind (oft!) Marketingschöpfungen. Toll, kostbar - trotzdem (eigentlich) wertlos. Wie die modernen Sportwagen mit einem Eigengewicht von mehr als 1,5 Tonnen. Wir sollten öfter die Sinnhaftigkeit der Produkte hinterfragen. - Auch die "Sinnhaftigkeit" von Zeitschriften, Fachzeitschriften.

Nehmen Sie doch mal die neue "auto motor und sport" in die Hand. Dort hat man  jetzt das Messverfahren für die Bremsen modifiziert. Oder Normalisiert. - Ich hatte bereits vor Jahr und Tag auf die "Einmaligkeit" der "ams"-Messungen hingewiesen. Bei "ams" wurden in der Vergangenheit Bremswege der getesteten Automobile gemessen, die selbst der Hersteller nicht in der Lage war mit diesen Idealmetern zu messen. Jetzt werden die Entwicklungsabteilungen der Industrie wieder beruhigt sein. Sie werden die Messwerte von "ams" jetzt nachempfinden können. - Ich hörte aber nun auch von Redaktionsmitgliedern dieses "Fachblattes" auf der IAA: "Es wird in Zukunft kaum noch möglich sein, dass ein Automobil ohne ESP bei 'ams' einen Vergleichstest gewinnt." - Ist das der "fachliche Fortschritt"?

Eine renomierte ausländische Fachzeitschrift schreibt zu der Einstellung der deutschen Fachpresse (und der Deutschen überhaupt!), am Beispiel eines neuen Luxus-Sportwagens: "Keine Traktionskontrolle, kein ESP, konventionelles Sechsganggetriebe von Ricardo, Torsen-Sperrdifferential. Es ist nicht alles authentisch (ABS ist an Bord), aber man hat es verstanden, die essenziellen Parameter aus den Sechzigern astrein rüberzubringen." Und meint dann später zu den Fahreindrücken: "Mehr als ein Hauch von Abrollkomfort, extrem gute Traktion, neutrales und sicheres Handling. Lediglich die vom Elchtest gedemütigten Deutschen werden nach einem ESP schreien." - Ich höre "ams" schon quietschen.

Es ist kein Zufall, dass in Deutschland inzwischen  jedes 2. Automobil, in Europa aber erst jedes 4. Automobil mit ESP ausgerüstet wird. Weniger aus Sicherheits-, als aus kommerziellen Gründen. Was ich dabei als schlimm empfinde: Man lässt dem Käufer (überwiegend!) keine Wahl. Kauft er das Auto, muss er das ESP mit kaufen. Auch, wenn er es eigentlich nicht will. So erreicht man ohne denWiderspruch der sogenannten "Fachpresse" ganz bequem ein "qualitatives Wachstum". Paul Hahnemann, der inzwischen verstorbene Vertriebsvorstand der BMW AG hätte in einem solchen Fall sicher festgestellt: "Da kann man sich doch nur an den Sack packen."

Ich habe mich natürlich auch  gefragt, warum ich das alles mache. -  Muss ich eigentlich immer wieder "gegen den Strom schwimmen"? - Mit dem Strom wäre es leichter. Wie die vielen Beispiele beweisen. Damit ist man dann auch kommerziell erfolgreich. - Und ich? - Ich mache es mir schwer. Aus Überzeugung. - Ja, ja - es ist einfach "ha(h)nebüchen"! - Aber so bin ich. - Und ich kann nicht anders.

Und ich werde wieder ins Archiv greifen. (Ich hatte es Ihnen schon beim letzten Mal angedroht.) Meine "alten Geschichten" finden (immer noch!) großes Interesse. - Ich hatte z.B. mal den neuen kleinen Lamborghini, den Gallardo (sprich: Ga:yardo) noch als "Erlkönig" fotografiert, wobei mir einfiel, dass es einen kleinen "Lambo" schon mal gegeben hat. Ich hatte ihn damals auch gefahren. Und natürlich darüber geschrieben. - Ich hoffe, auch diese Geschichte findet Ihr Interesse. Schon weil man mal darüber nachdenken sollte, wie man damals und wie man heute "klein" bei einem Sportwagen definiert. (Auch demnächst auf diesen Seiten.)

Ich finde: die Industrie ist auf einem falschen Weg. Sie besetzt "Nischen", in denen niemand wartet. Und ich sehe hier auf der Nürburgring-Nordschleife (aber auch anderen Teststrecken), was in den nächsten Jahren an Fahrzeugen auf den Käufer zukommen wird. - "Die haben den Schuss nicht gehört", sagt ein guter Freund von mir. Der ist auch Motor-Journalist. (Einer der wenigen  "echten".)

Aber zurück zu den guten alten Zeiten:  ich habe auch noch alte Motorradgeschichten von mir gefunden. Die selbst mich heute (immer noch) begeistern. Wenn ich an die Reaktionen z.B. auf meine Yamaha TR1-Geschichte denke... -

Aber ich habe hier - und werde das auch in Zukunft machen  - aktuelle Themen aufgegriffen. Da durfte die IAA natürlich nicht fehlen. Und Sie können auch vom neuen Audi A6 lesen. Und... -

Warten Sie in den nächsten Wochen einfach darauf, dass links von diesem Text (oder einem anderen, neuen "Guten Tag") wieder ein NEU aufleuchtet.  Ich denke: in immer kürzer werdenden Abständen. Denn: eigentlich müsste ich platzen. Weil ich mit Geschichten gefüllt, "übervoll" bin. Die nur hier erscheinen können. - Weil die sonst niemand drucken würde. (Meine Geschichten gibt es nur ohne ESP!)

Herzliche Grüße aus der Eifel

Wilhelm Hahne

...fast hätte ich es vergessen: der Kommunikationsdirektor von Opel (bitte versuchen Sie diesen Titel in seiner Bedeutung zu begreifen), vorher als angelernter Wetterfrosch bekannt (nicht als Rausschmeißer!), hat mir Hausverbot in der Opel-Lounge hier am "Ring" erteilt. Zum Zeitpunkt des 24-Stunden-Rennens. - Auch darüber werde ich Sie so sachlich wie möglich informieren. Mit Dokumenten - oder ihren Abschriften. Ohne Kommentar. - Dabei lernen Sie auch Opel-Boss Forster näher kennen. Und haben Sie vorher schon jemals vom Chef-Syndikus der Adam Opel AG gehört? - Hier lernen Sie ihn kennen. - Auch "Bob" Lutz kann aus solchem Schriftwechsel - und den voran gegangenen Ereignissen - sicherlich eine Menge Rückschlüsse ziehen. Er kann heute solche "Einblicke" brauchen: schließlich ist er inzwischen im Aufsichtsrat der Adam Opel AG. - Und auch ein Aufsichtsrat kann bei mir kostenlos Tipps fürs Leben bekommen. - Ich könnte "Bob" auch noch ein paar Dinge zum Opel-Motorsport erzählen, oder von den teuren Auswirkungen des Sicherheitsdenkens der Opel-Ingenieure (am Beispiel des Opel Speedster), oder was der Opel Signum eigentlich werden sollte, oder... - Ich kann das ja auch der Reihe nach mal hier aufschreiben. - Damit Sie das mit dem "frischen Denken" auch nicht verstehen.


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